Die Kunst der Aktenvernichtung: Wie die Regierung das Archivgesetz umgeht
In einem bemerkenswerten Fall, der vergangene Woche die Schlagzeilen bestimmte, forderte der parlamentarische Untersuchungsausschuss Einsicht in Dokumente der ehemaligen FPÖ-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein. Konkret ging es um schriftliche Aufzeichnungen zur türkis-blauen Gesundheitsreform, insbesondere zur kontrovers diskutierten Zusammenlegung der Krankenkassen.
Die sogenannte ergänzende Beweisanforderung des U-Ausschusses blieb jedoch erfolglos: Aus dem Staatsarchiv kam die Antwort, dass keine entsprechenden Akten zur Verfügung gestellt werden können. Der Grund? Hartinger-Klein hat sämtliche Dokumente als „privat“ markiert – und sie damit für 25 Jahre dem öffentlichen Zugriff entzogen.
Das Problem: Ein lückenhaftes Bundesarchivgesetz
Das österreichische Bundesarchivgesetz, das die Archivierung von Schriftgütern mit kultureller, historischer oder rechtlicher Bedeutung regelt, sieht vor, dass Amtsträger:innen ihre Unterlagen nach dem Ausscheiden aus dem Amt dem österreichischen Staatsarchiv übergeben müssen. Die Zielsetzung dahinter ist positiv: Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Rechenschaft in der Politik zu gewährleisten.
Doch ein entscheidender Mangel macht das Gesetz absolut ineffektiv, ja wahrlich zu einer lex imperfecta: Es fehlt ein Sanktionsmechanismus für die Nichtbefolgung der Archivierungspflicht. Das bedeutet: Minister:innen können gegen die Regeln verstoßen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Strategien der Aktenvernichtung: Ein Leitfaden für die Regierung
Um die problematische Gesetzeslage zu verdeutlichen, lasst uns zwei Szenarien betrachten, wie Regierungsmitglieder unliebsame Dokumente vor der Öffentlichkeit verbergen können:
Direkte Vernichtung: Der direkteste Weg, die Überprüfung unerwünschter Unterlagen zu verhindern, ist deren Vernichtung. Diese Methode wurde bereits von hochrangigen Politiker:innen, wie dem ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz, praktiziert. Er gab offen zu, seine SMS-Verläufe regelmäßig löschen zu lassen – ohne jegliche rechtliche Konsequenzen.
Privatdeklaration als Ausweg: Beate Hartinger-Klein nutzte eine andere Taktik, indem sie 2019 die Akten zur Gesundheitsreform als privat einstufte und so der Archivpflicht entging. Das Bundesarchiv hat in solchen Fällen keine Handhabe, da es die Klassifizierung nicht überprüfen oder anfechten kann. Die Akten werden für 25 Jahre unter Verschluss gehalten. Die einzige Möglichkeit, diese Klassifizierung zu ändern, ist durch den expliziten Wunsch der Ex-Ministerin selbst.
Forderung nach Gesetzesreform
Das Bundesarchivgesetz bedarf dringend einer Überarbeitung. Einen entsprechenden Antrag haben NEOS bereits vor drei Jahren vorgelegt. Darin verlangen wir eine verpflichtende Archivierung jeglicher beruflicher Kommunikation von Staatsorganen sowie ein explizites Verbot der Aktenvernichtung. Für Verstöße gegen die Regeln müssen empfindliche Strafen vorgesehen werden.
Dieser Vorschlag soll bald im Verfassungsausschuss behandelt werden. Es ist eine notwendige Maßnahme, um die Gesetzeslücken zu schließen und die Grundlagen für eine transparente und nachvollziehbare Regierungsführung zu schaffen. Nur so kann das Vertrauen der Öffentlichkeit in die politische Integrität wiederhergestellt werden.