Die Nostalgie-Politik der ÖVP schadet uns allen
Österreichs und Europas Wirtschaft können nur profitieren, wenn sie sich auf die Gegebenheiten der modernen Welt einstellen. Das Wahlprogramm der ÖVP für die EU-Wahl lässt das vermissen.
Welches Auto werden wir in Zukunft fahren? Was nach einer Frage der individuellen Präferenz klingt, ist in den letzten Jahren zum Politikum geworden. Denn die Zulassung neuer Autos mit Verbrennungsmotoren soll ab 2035 in der gesamten EU verboten werden. Und die ÖVP schäumt.
Dabei gäbe es eigentlich gar keinen Grund dazu – denn das Verbrenner-Aus wäre sowieso gekommen. Schon lange vor dem Verbot auf europäischer Ebene haben die meisten Hersteller angekündigt, ab wann sie nur noch E-Autos produzieren wollen. Und die Termine liegen lange vor der Deadline der EU: Citroën etwa will schon dieses Jahr umstellen, die am wenigsten ambitionierte Marke Honda hält sich zumindest an den vorgesehenen Zeitplan.
Hinter dieser Entwicklung steht die Tatsache des Klimawandels: Die Auswirkungen werden jedes Jahr spürbarer, der öffentliche Druck, etwas zu tun, immer lauter. Das bedroht viele Wirtschaftsbereiche, neben Öl und Gas sind das eben vor allem Autos, die CO2 in die Atmosphäre blasen. Wer Autos baut, hat also einen guten Grund, schon jetzt das Geschäft umzustellen, um früh zukunftsfit zu sein und weiterhin Autos verkaufen zu können. Denn mit jedem neuen Hitzesommer und jeder neuen klimawandelbedingten Katastrophe wird unwahrscheinlicher, dass Menschen einen Verbrenner kaufen wollen. BMW, Audi und Co. antworten also auf marktwirtschaftliche Anreize.
Die ÖVP will die Marktsignale nicht hören
Rein wirtschaftlich regelt sich das Problem also von selbst. Es sei denn, die Politik setzt andere Anreize – etwa indem sie den sterbenden Verbrenner künstlich am Leben erhält. Genau das könnte Europas Autoindustrie in Zukunft aber drohen: Denn in ihrem Wahlprogramm für die EU-Wahl setzt die ÖVP stark auf den Verbrennungsmotor. So soll Europa 2035 „Weltmarktführer“ bei Verbrennungsmotoren werden. Eine Forderung, die sich so liest, als würde Europa in Faxgeräte, Disketten oder VHS-Kassetten investieren.
Dahinter steckt ein einfaches Kalkül. Der Verbrenner hat viele Fans – manche lieben das Brummen seines Motors, manche sind das Fahren mit Schalter einfach gewohnt, manche halten an Klischees über Elektroautos fest, die in den achtziger Jahren vielleicht noch Gültigkeit hatten. Diese Fans sind eine potenzielle Wählergruppe, die man mit einem einfachen Versprechen locken kann: Die Welt wird sich nicht ändern, es darf alles so bleiben, wie es ist. Das ist quasi das prototypische Wahlversprechen konservativer Parteien. Aber im Fall des Verbrenners ist es schlicht und einfach unverantwortlich.
Denn wie die Mobilität der Zukunft aussehen wird, das ist längst entschieden, eben durch die europäischen Autokonzerne. Diese laufen nämlich Gefahr, nicht nur durch die chinesischen Elektroautos abgehängt zu werden – sogar die USA sind, was Autos mit Automatik angeht, oft um einiges weiter als so mancher EU-Staat. Europa steht im globalen Wettbewerb: Wenn wir jetzt nicht die Weichen stellen, um die Mobilitätswende hinzubekommen, werden europäische Automarken den Straßenverkehr der Zukunft weniger prägen als heute. Bedeutet: Wirtschaftsleistung und Arbeitsplätze sind in Gefahr.
Technologieverbohrtheit bedroht Wirtschaftsstandort
Insbesondere trifft das die heimische Zulieferer-Industrie. Diese befindet sich zum Teil noch im ideologischen Abwehrkampf gegen die E-Mobilität, die mit 1) ganz anderen und 2) weniger Teilen auskommt. Der österreichische Wirtschaftszweig ist stark auf den Verbrenner spezialisiert, die aktuellen Entwicklungen treffen die Branche besonders hart. Aber die Antwort kann nicht lauten, sich der Wirklichkeit zu versperren und so zu tun, als wäre der Verbrennungsmotor ein Modell der Zukunft. Gerade jetzt muss umso stärker und schneller umgerüstet werden, um die Autobranche der Zukunft weiterhin bewirtschaften zu können. Nur so wird unser Wohlstand erhalten.
Das Worst-Case-Szenario wäre, dass sich die ÖVP – und mit ihr einige Schwesterparteien der EVP – beim Festhalten am Verbrenner durchsetzt und Förderungen für eine Technologie beschließt, deren Abstieg längst feststeht. So hätten heimische Betriebe jeden Anreiz, sich nicht proaktiv auf die Veränderung einzustellen, sondern genüsslich staatliche Leistungen in Kauf zu nehmen. Auch sie sind immerhin marktwirtschaftliche Akteure, und wenn der Staat eine Technologie fördert und eine andere nicht, ist das ein starker Anreiz.
Es handelt sich also nicht um „Technologieoffenheit“, sondern um Technologieverbohrtheit. Echte Offenheit würde bedeuten, die Marktsignale wirken zu lassen. Das würde aber bedeuten zuzugeben, dass die große Zeit des Verbrenners vorbei ist – und dass das große Anstrengungen für österreichische Unternehmen bedeutet. Dieser Realität müsste sich eine Europapartei, eine Wirtschaftspartei, eine staatstragende Partei stellen. Aber die ÖVP hat sich leider anders entschieden.