Dieser Fonds zeigt die Probleme der österreichischen Medienförderung
Eine neue Medienförderung zeigt die Probleme der österreichischen Medienförderung: Mit dem Fonds zur Förderung der Digitalen Transformation werden unter anderem Falschmeldungen und das „Metaverse“ eines Radiosenders gefördert.
Medienförderung in Österreich, das ist eine Herkulesaufgabe. Die meisten Medienunternehmen haben die Digitalisierung verschlafen, waren zu spät auf den sozialen Medien vertreten und sind jetzt dabei, den Scherbenhaufen aufzuräumen. Und dabei spielen eben Förderungen, also mit Steuergeld finanzierte Unterstützungen, eine wichtige Rolle.
Das liegt daran, dass wir nur einen kleinen Medienmarkt haben. Damit können die klassischen Geldquellen alleine, Abos und Werbung, keinen Medienmarkt wie z. B. in den USA oder im Vereinigten Königreich finanzieren. Für manche Medien sind Förderungen ein wichtiger Teil der Einnahmen – auch die „inoffizielle“ Presseförderung in Form von Regierungsinseraten.
Die offiziellen Förderungen aber, die werden in Österreich zum Teil über die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, kurz RTR, ausgezahlt. Einer der Vorteile davon ist, dass die Förderungen eher transparent sind – „eher“, weil z. B. Inserate erst ab einem Wert von 5.000 Euro veröffentlicht werden müssen, was das Bild immer noch verzerren kann.
Eine Förderung, die in letzter Zeit für Aufregung sorgte, ist der Fonds zur Förderung der Digitalen Transformation. 2022 werden Medienunternehmen mit 54 Millionen werden dabei gefördert, von der analogen Vergangenheit in die digitale Zukunft umzusteigen – einen Wandel, den viele von ihnen verschlafen haben.
Was in Österreich als „förderwürdig“ gilt
Ein lustiger Nebenfakt: Der Fonds zur Förderung der Digitalen Transformation fördert keine reinen Online-Medien. Jene, die bei der digitalen Transformation ganz vorne dabei waren, gehen also leer aus – wer die Digitalisierung verschlafen hat, bekommt den Aufholbedarf bezahlt. Dass darunter einige der reichweitenstärksten Medien des Landes sind, stört an diesem wahrgenommenen Bedarf wenig. Was dafür gefördert wird, darf man kritisch hinterfragen:
- Also werden hauptsächlich Print- und Rundfunkmedien gefördert. Und das bringt uns zum möglicherweise absurdesten Kosten-Nutzen-Beispiel: Ein „Österreich“-Newsletter wird mit 300.622 Euro gefördert. Dass digitale Projekte gefördert werden, ist Sinn der Sache – aber wozu braucht eine der reichweitenstärksten Mediengruppen des Landes eine sechsstellige Summe, um E-Mails zu verschicken?
- Dabei ist „Newsletter“ immerhin ein verständliches Schlagwort. Der Radiosender Kronehit lässt sich z. B. das „Metaverse“ 66.840 Euro kosten. Ein Konkurrent zum Virtual-Reality-Produkt des früheren Facebook-Konzerns Meta wird sich damit wohl nicht ausgehen. Was macht Kronehit dann mit dem Geld? Eine entsprechende Internet-Recherche spuckt nur eine Podcast-Folge in Zusammenarbeit mit dem Kurier aus, aber kein eigenes Medienprodukt.
- Bei vielen Punkten wird es allgemein: Die „cross-mediale Digitalisierung“ des Kuriers kostet wird z. B. mit 1.364.888 Euro gefördert, die „Allgemeine Digitalisierung“ der Salzburger Woche mit 181.550 Euro. Fünf Medien der VGN bekommen einen „Relaunch“ gefördert, die Wiener BezirksZeitung dagegen fördert Projekte mit klingenden Namen wie „teams4all“ oder „Digitale Signatur“. Ob dieses Geld gut angelegt ist, kann man von außen schwer beurteilen.
Das Gute an der Transparenz: Neben den negativen Ausreißern sieht man auch viele positive Beispiele. Man kann sich also ein differenziertes Bild machen. In der Liste der RTR-Förderungen scheinen z. B. einige Medien auf, die mit diesem Geld digitale Formate erarbeiten und Ausbildungen zu Themen wie Digital- und Datenjournalismus zukaufen.
Viele programmieren Apps und investieren in den Relaunch ihrer Website, machen sie vielleicht sogar barrierefrei. Und es kann auch sein, dass man den erwähnten Medienhäusern mit der Kritik an Stichworten wie „Newsletter“ und „Metaverse“ unrecht tut, weil sich dahinter gerechtfertigte Projekte verbergen. Wenn das gut umgesetzt wird, ist es im Sinne der Förderung und ein Zeichen dafür, dass nicht alles falsch läuft. Die Absurditäten in der Liste regen aber auf, weil sie oft strukturelle Fehler der Medienpolitik aufzeigen.
Wie fördern, wenn nicht durch Kennzahlen?
Dabei sieht man auch ein Problem, das die österreichische Medienpolitik immer begleitet: Gefördert werden vor allem die bestehenden Platzhirschen, nicht die innovativen Newcomer-Projekte.
Medien wie die Kronen Zeitung, die Mediengruppe Österreich, Heute, Der Standard, Die Presse oder die Kleine Zeitung sind den meisten Menschen zumindest vom Namen her bekannt – warum sollten genau diese dann die größten Summen bekommen? Sollte Medienpolitik nicht neben den großen Namen auch die Nische, die Neuheit, die Innovation fördern?
Einer, der darunter fällt – Jakob Steinschaden, Chefredakteur der Online-Plattform Trending Topics – schreibt darüber z. B.:
Wer nicht in der Förderung vorkommt, sind Online-Medien wie Trending Topics. Wir haben zwar auch Print-Magazine, aber eben nicht genug, um als klassisches Medium durchzugehen, und wir sind auch von der RTR (wegen Video) reguliert, aber dann doch kein Rundfunk im klassischen Sinne. Wie auch andere Online-Medien qualifizieren wir uns leider nicht für den Fonds zur Förderung der Digitalen Transformation. Vielleicht eh zurecht, immerhin sind wir ja bereits digital seit dem Launch. Allerdings ist im Jahr 2022 auch festzuhalten, dass österreichische Medienhäuser seit Jahrzehnten im Netz sind. Da muss man sich die Frage stellen, ob es da wirklich etwa 412.149 Euro für die „Basisdigitalisierung“ eines Bezirksblatts braucht.
Ein weiterer Punkt, den Steinschaden betont, ist die Zeichenzahl, die für die Förderung gebraucht wird. 30 Millionen Zeichen muss ein Medium im Jahr veröffentlichen, um gefördert zu werden. Eine Praxis, bei der viele aus personellen oder schlicht seriösen Gründen nicht mitmachen – gerade für kleinere Redaktionen würde das bedeuten, ausschließlich auf die Menge an Inhalten abzuzielen, ganz unabhängig von der Qualität. Die Bundesregierung scheint nicht der Meinung zu sein, dass junge Digitalmedien förderwürdig sind.
Jetzt mag man einwerfen: Wie soll man digitalen Journalismus denn sonst bewerten? Auf Basis irgendeiner Kennzahl muss man sich ja entscheiden, was mit öffentlichem Geld gefördert wird oder nicht. Aber welche Kennzahl definiert eigentlich Qualität? Die Ausbildung und Bezahlung junger Journalist:innen, Diversität in der Redaktion, Redaktionsstatut und Blattlinie, die Selbstregulierung durch Branchenvertretungsorgane oder die Vielfalt der Ressorts wären z. B. diskutierbare Punkte dafür – oder wie viele Medien haben eine Rubrik für Wissenschaft oder Kunst und Kultur?
Und das ist das Grundproblem – da die perfekte Bewertungsgrundlage für „Qualität“ noch nicht gefunden wurde, wird in Österreich überhaupt nicht versucht, auf Qualität abzuziehen. Auch, weil man damit mächtige Feinde provoziert.
Das Beispiel Exxpress
Einer davon hat verstanden, wie das Geschäft mit der Förderung läuft: Richard Schmitt, der Geschäftsführer des Exxpress, war bereits in der Kronen Zeitung und bei der Mediengruppe Österreich tätig. Für seine neue Online-Plattform arbeitet er daran, Klicks zu maximieren – unter anderem damit, in jeden Artikel den gleichen Kontext zu copy-pasten. 30 Millionen Zeichen schreiben sich immerhin nicht von alleine.
Mit dieser Praxis, die journalistische Arbeit an die Förderkriterien anzupassen, ist Schmitt bei weitem nicht alleine, aber er bietet sich immer wieder als Beispiel an. Sein Online-Medium dürfte z. B. im Fonds zur Förderung der Digitalen Transformation gar nicht vorkommen: Gut, dass er strategisch klug auch einen TV-Sender führt, der für viele Förderungen eine Bedingung ist. Der Exxpress bekommt 700.000 Euro.
Dass solche Medien überhaupt förderberechtigt sind, sorgt auch für Kritik. Immerhin fällt das Medium immer wieder mit Falschmeldungen, russischer Propaganda und parteiischer Berichterstattung auf, zuletzt sorgte eine antisemitische Karikatur für Aufregung. Es wurde sogar vor Gericht geklärt, dass folgende Aussage des Medienbloggers Helge Fahrnberger zulässig ist:
„Wenn Richard Schmitt was schreibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht stimmt, recht hoch. Wenn’s um Verkehr geht, steigt sie gegen 100 %.“
Helge Fahrnberger
Angesichts dieser Entwicklungen darf man kritisch hinterfragen, ob dieses Medium mit Steuergeld gefördert werden sollte. Einen Überblick über die geförderten Projekte, den Titel ihrer Einreichung und die Summen bekommt ihr übrigens hier aus den Daten der RTR.
Der komplexe Status Quo der Medienpolitik
Die meisten Medien haben die Digitalisierung verschlafen. Dass der Staat ihnen dabei aushelfen will, ist löblich, weil eine Demokratie von journalistischer Vielfalt profitiert. Aber sind ein neuer Boulevard-Newsletter und Copy-Paste-Boulevard die Lösungen, die wir in der Vertrauenskrise brauchen? Hier sollte die Medienministerin nochmal nachdenken.
Dazu kommt, dass es in der Branche mittlerweile gelerntes Verhalten gibt: Wenn es Geld vom Staat gibt, wird die Hand aufgehalten und sich beschwert, wenn ein Konkurrenzunternehmen mehr bekommen hat. Auf Twitter richtet man sich dann aus, dass man selbst viel mehr verdient habe. Wenig überraschend: Die journalistische Qualität und innovative Konzepte bleiben in diesem Mix dabei häufig auf der Strecke. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Branche sind teilweise hausgemacht.
Österreichs Medienpolitik kämpft mit einem komplexen Mix aus Problemen, die mit einer neuen Förderung nicht erledigt sind. Die Anpassung der Medien an neue Nutzungsgewohnheiten wird nicht alleine mit Geld für geschriebene Zeichen geschafft werden – sondern mit Rahmenbedingungen, die Qualität fördern. Dafür muss man sich auch mit unangenehmen Medienunternehmer:innen anlegen, die Förderoptimierung und Inserate zu ihrem Geschäft gemacht haben. Ist die Politik mutig genug dafür?