Farbe bekennen, wenn die Welt grauer wird

Die Welt wird wieder weniger bunt. Nicht, weil es weniger queere Menschen gibt – sondern weil ihre Rechte wieder vermehrt eingeschränkt statt erweitert werden. Was über Jahrzehnte mühsam erkämpft wurde, steht heute erneut zur Disposition. In vielen Ländern werden queere Lebensrealitäten wieder aus der Öffentlichkeit verdrängt, rechtlich untergraben und gesellschaftlich stigmatisiert. Der diesjährige Pride Month findet nicht in einer Phase des Aufbruchs statt, sondern in einer Zeit der Abwehr. Es geht nicht mehr nur um Sichtbarkeit und Anerkennung, sondern um den Erhalt grundlegender Freiheiten für die LGBTQ+-Community.
Zentraler Angriffspunkt in diesem neuen Kulturkampf sind trans Personen. Sie sind zur bevorzugten Zielscheibe rechtspopulistischer Politik geworden und erleben derzeit eine Welle der Entmenschlichung. Auffällig ist, dass dabei vor allem trans Frauen im Zentrum der Debatte stehen: sie würden „biologische“ Frauen verdrängen, sie seien eine Gefahr in Umkleidekabinen, sie hätten unfaire Vorteile im Sport. (Plötzlich interessiert sich jemand für Frauensport?!) Was wie Sorge klingt, ist in Wahrheit bewusste Panikmache. Denn während trans Frauen dämonisiert werden, kommen trans Männer in der Debatte viel weniger oft vor.
Warum eigentlich?
Stellvertreterkrieg gegen Frauenrechte
In einem patriarchalen System gelten Frauen – und nach dieser Denkweise auch trans Männer – als strukturell unterlegen. Trans Männer werden nicht als Bedrohung für cis Männer gesehen, weil konservative Denkstrukturen tief misogyn sind. Die Vorstellung, dass eine „ehemalige“ Frau einen Mann übertreffen oder gar gefährden könnte, passt nicht in diese Logik. Umgekehrt jedoch wird das Bild der „männlichen“ trans Frau bewusst als gefährlich und übergriffig instrumentalisiert.
Der Hass auf trans Frauen ist kein isoliertes Phänomen. Er ist Teil eines umfassenderen Angriffs auf feministische Errungenschaften. Es geht Konservativen nicht nur darum, wer als Frau gilt – sondern auch darum, was eine Frau sein darf, wie sie zu leben hat, was sie darf und was nicht. Die Debatte über Transrechte ist damit längst ein Stellvertreterkrieg gegen Frauenrechte. Wer über „biologische“ Frauen spricht, will letztlich patriarchale Vorstellungen von Geschlecht, Sexualität und Macht zementieren.
Bei aller Kritik an konservativen Kräften darf ein frustrierender Umstand aber nicht unerwähnt bleiben: Auch im Namen des Feminismus werden gezielt Kampagnen gegen trans Menschen geführt – ebenso unter dem Vorwand, Frauen „schützen“ zu wollen. Dabei wird das Ziel des Feminismus konterkariert – nämlich eine Welt ohne Diskriminierung aufgrund von Geschlecht. Ein Feminismus, der Menschen ausschließt, ist kein Feminismus, sondern ein Rückschritt.
Protest und Party
Eine Demokratie, die marginalisierte Gruppen im Stich lässt, verliert ihren moralischen Kompass. Wenn queere Rechte angegriffen werden, ist es an der ganzen Gesellschaft, sich dem entgegenzustellen.
Wir sollten aber auch nicht vergessen: Der Einsatz für Rechte, Sichtbarkeit und Sicherheit der LGBTQ+-Community ist wichtig – doch die Pride ist auch eine Party. Es kann ermüdend sein, wenn man das Gefühl hat, die eigene Existenz jeden Tag aufs Neue verteidigen zu müssen. Es kann, darf und soll nicht immer nur um Widerstand gehen, sondern vor allem auch um Freude, Gemeinschaft und Liebe.
Für queere Menschen ist es oftmals politisch, sich so zu zeigen, wie man ist – und es ist legitim und kraftvoll, sich genau so selbst zu feiern. Für eine Welt, die wieder bunter wird.