Für ein neues Aufstiegsversprechen
Leistung muss sich wieder lohnen. Egal ob ÖVP-Arbeitsminister Kocher, Hans Peter Doskozil in seinem Bewerbungsschreiben um den SPÖ-Vorsitz oder die Liberalen, man ist sich überparteilich einig: Harte Arbeit lohnt sich in Österreich anscheinend nicht mehr.
Der Aussage „Meine Kinder werden es einmal besser haben als ich“ stimmen nur noch 13 Prozent zu. Und auf die Frage: „Glauben Sie, dass sie sich aus eigener Kraft Eigentum aufbauen können?” geben aktuell über zwei Drittel der Österreicher an, dass sie nicht mehr daran glauben, dass sie sich aus eigener Kraft etwas aufbauen können. Die Herausforderung ist also klar.
Wie kann ein neues Aufstiegsversprechen gelingen? Und warum ist das Thema nicht bereits ganz oben auf der politischen Tagesordnung?
Die unbequeme Wahrheit über Steuern und Staat
Die Hauptherausforderung liegt auf der Hand: Österreich hat im OECD-Vergleich die dritthöchste Steuer- und Abgabenlast. Dabei werden vor allem die Einkommen der arbeitenden Bevölkerung gravierend belastet – 48 Prozent auf Lohn und Einkommen. Sich aus seinem Einkommen etwas anzusparen, wird so zur Sisyphus-Aufgabe. Denn am Einkommen der Österreicher bedient sich in erster Linie der Finanzminister.
Diese gewaltige Steuerlast will man dann mit dem großartigen Sozialstaat und den vielen Leistungen, die wir doch erhalten, rechtfertigen. Die Kontrolle beim Zahnarzt geht auf Kassa, aber dann tatsächlich ein Loch füllen zu lassen, kostet extra. Auch bei der staatlichen Kernaufgabe Justiz zahlt man doppelt. Zieht man vor Gericht, zahlt man nämlich die höchsten Gerichtsgebühren in ganz Europa und finanziert so die gesamte österreichische Gerichtsbarkeit und große Teile des Strafvollzugs gleich selbst. Für jeden neuen Pass, Ausweis, Grundbuchauszug oder Strafregisterauszug zahlt man extra. Wir haben einen Staat, der zu viel nimmt – und oft auch in zentralen Fragen zu wenig liefert.
Aber wenn all das extra kostet – wo fließt das Geld dann hin?
Österreich hat einen gewaltigen Verwaltungsapparat. Dieser entspringt teilweise noch der österreichisch-ungarischen Monarchie und mag einer solchen auch angemessen sein, ist aber in der heutigen Zeit vollkommen überbordend. Und dieses marode System ist abhängig von gewaltigen Massen an Steuergeld, zulasten der arbeitenden Bevölkerung. Zum Vergleich: Hätte Österreich dieselbe Steuer- und Abgabenbelastung wie beispielsweise der Wohlfahrtsstaat Schweden, blieben einem Durchschnittsverdiener 283 Euro netto mehr im Monat. Es geht also anders.
Aber die Wahrheit ist doch, dass die aktuelle Politik kein Interesse daran hat, das System zu ändern. So sind es vor allem SPÖ und ÖVP, die sich das staatliche System, den gigantischen Verwaltungsapparat und die bequemen Kammerposten untereinander aufteilen, um Funktionäre und Freunde mit sicheren Jobs zufriedenzustellen.
Dieses System wird sich auch nicht von selbst bessern. Vielmehr braucht es Bürger:innen, die den Status quo kritisch hinterfragen, und eine politische Kraft, die den Mut hat, die Steuer- und Abgabenlast radikal zu senken und dem gewaltigen Verwaltungsapparat und der Bürokratie einen kalten Entzug anzuordnen. So werden eine Verschlankung und Effizienzsteigerung des staatlichen Systems alternativlos und die arbeitenden Menschen in Österreich nachhaltig entlastet. Gerade für die Erfüllung des immer noch häufig geteilten Traums von den eigenen vier Wänden ist die hohe Belastung von Arbeitseinkommen eine Hürde.
Der Traum vom Eigenheim muss für junge Menschen aus der Mitte der Gesellschaft erfüllbar sein. Denn es kann nicht sein, dass man sich als junger Mensch nur noch Eigentum leisten kann, wenn man geerbt hat, einen Goldesel besitzt oder sechs Richtige im Lotto getippt hat. Junge Menschen müssen daher beim Erwerb der ersten Immobilie steuerlich entlastet werden, ebenso gehört der Faktor Arbeit radikal entlastet. Dann kann man sich in Österreich wieder etwas ansparen und aufbauen, um den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen.
Es braucht Mut: Bildung neu denken
Wenn man über Aufstiegschancen spricht, kommt man nicht am Thema Bildung vorbei – und das ist auch gut so. Wer das österreichische Bildungssystem etwas genauer unter die Lupe nimmt, erkennt schnell, dass die Bildungsmobilität zwischen den Generationen in Österreich gebremst ist. Bei den Bildungschancen von Kindern aus sehr bildungsfernen Schichten, also mit Eltern ohne Pflichtschulabschluss, hat Österreich dringenden Handlungsbedarf: Für Kinder, deren Eltern einen niedrigen formalen Bildungsabschluss haben, ist es vergleichsweise schwierig, jenen einer höheren Schule oder Universität zu erreichen. Oftmals gilt: Ein Kind, dessen Eltern wenig Geld, Bildung und/oder eine andere Muttersprache als Deutsch haben, hat deshalb weniger Chancen.
Hier gilt es also anzusetzen: Ein Kindergarten ist mehr als vier Mauern. Viele Studien zeigen, dass die ersten Jahre zu den für die Bildungskarriere und die Charakterbildung von Kindern entscheidendsten gehören. Außerdem ist der Kindergarten gerade für Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten und bildungsfernen Familien ein großes Sprungbrett. Frühkindliche Bildungseinrichtungen und individuelle Fördermaßnahmen für Kinder mit Lern- und Sprachhandicaps spielen eine Schlüsselrolle für die Verbesserung der sozialen Mobilität.
Wer Aufstieg neu denken möchte, muss Bildung neu denken. Richtig entrümpeln kann man das Bildungssystem aber nur, wenn man den Unterricht komplett anders gestalten kann. Deshalb braucht es eine Politik, die einen verschränkten Unterricht sowie innovative und fächerübergreifende Projekte ermöglicht, damit eine kritische Reflexion und das Verstehen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Zusammenhänge gefördert wird. Mehr junge Menschen für die Lehre zu begeistern, ist für den Wirtschaftsstandort Österreich ebenfalls von großer Bedeutung. Auch in der Erwachsenenbildung gibt es mehr und dringenderen Verbesserungsbedarf denn je – denn wer heute nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Wer Aufstieg nur vom Studienabschluss abhängig macht, ist auf dem Holzweg: Ein Bachelor in Kunstgeschichte ist nicht per se besser als ein Lehrabschluss. Auch finanziell kann eine gute Facharbeiterausbildung sich deutlich mehr lohnen als so manches Studium – ein formal höherer Bildungsabschluss ist also nicht automatisch die Verwirklichung von Aufstieg. Und letztlich ist die Entscheidung über den eigenen Bildungsweg und Beruf auch eine ganz persönliche. Man ist kein Absteiger, wenn man eine Lehre zum:r Metalltechniker:in macht und der Vater Lehrer ist. Wir brauchen in einer Gesellschaft beides – Master und Meister, Lehre und Studium. Eine fortschrittliche Gesellschaft hat Respekt vor den unterschiedlichen Lebensläufen.
Bildung ist der erste Schritt zu einem neuen Aufstiegsversprechen, aber nicht der einzige. Bildung ist das Fundament für ein selbstbestimmtes Leben – doch was bringt einem eine Politik, die zwar eine gute Ausbildung ermöglicht, aber nicht die passenden Rahmenbedingungen schafft, dass man sich von seinem Erarbeiteten auch etwas aufbauen kann?
Und jetzt? Ist wirklich alles so schlimm?
Nein! Sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen, lohnt sich immer, und den Weltuntergang können wir auch mit gutem Gewissen absagen. So zeigt die aktuelle Jugendstudie, dass junge Menschen durchaus positiv gestimmt sind, was ihre individuelle Zukunft betrifft. Auch was die Jobchancen anbelangt, steht unserer Generation heute viel mehr offen als der Generation der Großeltern: Eintrittshürden können leichter überbrückt, Jobs im Ausland angenommen und Unternehmen ausgebaut werden.
Dennoch sollten wir uns ehrlich mit dem Aufstiegsversprechen beschäftigen. Denn viele, vor allem Menschen unserer Generation, haben zu Recht das Gefühl, dass sie mit ihren Steuern einen Porsche Cayman zahlen, aber am Ende des Tages nur einen Fiat Punto mit kaputtem Scheibenwischer und Blinker bekommen. Sie haben zu Recht das Gefühl, dass von ihrem Gehalt vor allem der Finanzminister profitiert. Und das Gefühl, dass sie sich aus eigener Kraft kein Eigentum leisten können.
Für ein neues Aufstiegsversprechen braucht es Mut in Bildungsfragen und eine Entlastung von Arbeitseinkommen, die Hand in Hand mit einem effizienteren Staat geht. Aber das ist nur der Anfang: Denn von besserer frühkindlicher Bildung über Erleichterungen beim Eigentumserwerb für junge Menschen bis zu Vereinfachungen bei Unternehmensgründungen gilt es noch an vielen anderen Schrauben zu drehen. Das Aufstiegsversprechen ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält – und gerade deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass wir es erneuern.
SOPHIE WOTSCHKE und FABIENNE LACKNER sind seit 2022 im Bundesvorstand der Jungen Liberalen NEOS (JUNOS). Neben ihrem politischen Ehrenamt arbeitet Sophie Wotschke als Juristin, Fabienne Lackner als Personalberaterin.