Geschäftsmodell Frauenhass
Die US-Wahlen haben eine beunruhigende Entwicklung der letzten Jahre verdeutlicht: Misogynie erreicht mittlerweile eine Dimension, die auf viele Menschen, mich eingeschlossen, furchteinflößend wirkt. Der Wahlsieg von Donald Trump hat diese Furcht noch verstärkt. Trump ist nur einer von unzähligen Politiker:innen, Influencer:innen und Unternehmer:innen, die Frauenhass salonfähig gemacht haben und durch gezielte Provokation, Polarisierung und Desinformation Millionen an Anhänger:innen mobilisieren – und damit nicht selten viel Geld verdienen. Wenn ein verurteilter Sexualstraftäter und bekennender Frauenfeind (erneut) US-Präsident werden kann, welches Zeichen sendet das an junge Männer – und an Frauen?
Was bedeutet Trumps Wahlsieg für jene 26 Frauen, die ihm öffentlich übergriffiges Verhalten vorwerfen? Wie fühlt sich E. Jean Carroll, aufgrund deren Anklage er wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde? Wie oft wurde Opfern von sexueller Gewalt nicht geglaubt und stattdessen behauptet, Vergewaltigungsvorwürfe zielten nur darauf ab, das Leben eines (unschuldigen) Mannes zu zerstören? Für sie alle ist es ein sympolischer Schlag ins Gesicht.
Weder die unzähligen Vorwürfe noch seine strafrechtliche Verurteilung haben Trumps Leben zerstört, und es hat auch über 70 Millionen Wähler:innen nicht davon abgehalten, ihm ihre Stimme zu geben. Sein überlegener Wahlsieg ist ein erschütterndes Signal dafür, dass Gewalt gegen Frauen in der Öffentlichkeit nicht nur wieder toleriert, sondern gutgeheißen wird. Für viele junge Männer, die online nach Orientierung suchen, wird das Frauenbild von Leuten wie Trump zur Legitimation für Aggressivität, Dominanz und eine radikale Ablehnung feministischer Errungenschaften.
Die neuen Influencer der Misogynie
Dieser „Trend“, ausgehend von sozialen Medien, wird von Politikern wie Trump angeheizt und für ihre eigene Agenda ausgeschlachtet. Gestartet wurde diese Bewegung, die maskulines Dominanzverhalten, Frauenverachtung und Besitzdenken als Ideale propagiert, von Influencern und Podcastern wie Andrew Tate, Joe Rogan oder Jordan Peterson. Diese neuen Idole der Misogynie reden in Videos und Podcasts von der „natürlichen Ordnung“, die durch die Gleichstellung von Frauen bedroht sei. Sie formen sich ein eigenes Weltbild, das Männer in patriarchalen Rollen und Frauen als „untergeordnet“ definiert. Sie nutzen ihre Plattformen, um dieses Weltbild zu normalisieren – und erreichen damit Millionen junge Menschen.
Junge Männer fühlen sich bestätigt und sogar ermutigt, frauenfeindliche Ideologien ungeniert auf Social Media zu verbreiten. In einer Zeit, in der Hasskommentare mitunter viraler gehen als positive Botschaften, erleben wir eine Welle neuer Influencer, die Misogynie mit zunehmender Selbstverständlichkeit vertreten – und vermarkten. Jeder Klick, jedes Abo und jedes gekaufte „Mentoring-Programm“ bestätigt und finanziert das Geschäft mit der Verunsicherung junger Menschen, die von einem System, das ihnen das Ideal männlicher Überlegenheit als Lösung anbietet, betrogen werden. Der Wahlsieg Trumps ist für sie alle das Signal, auf das sie gewartet haben: der Beweis dafür, dass frauenverachtende Einstellungen wieder offen gelebt werden können – ohne Konsequenzen.
Die bleiben auch auf Twitter aus, seit Elon Musk die Plattform gekauft, in X umbenannt und dort die Moderation drastisch reduziert hat. Musk hat das zu Beginn als politische Neutralität gebrandet, als radikale free speech, doch der neue Umgang mit Fake News und Hasskommentaren führt dazu, dass insbesondere rechtsextreme und frauenfeindliche Inhalte auf X florieren. Emotionalisierende Inhalte performen nun einmal besser als sachlich vorgetragene Argumente, und so können sich Meinungen der politischen Ränder verstärkt verbreiten – auch wenn sie die Demokratie oder Menschenrechte infrage stellen. Vonseiten der Plattform wird dagegen nicht vorgegangen, denn das würde einer Zensur gleichkommen, meint Musk (und spart sich durch das Weglassen der Moderation viel Geld). Gleichzeitig zeigt sich aber deutlich, dass die von ihm propagierte Meinungsfreiheit bestimmten Gruppen bevorzugt zuteil wird.
Auch wenn nach der US-Wahl und Musks umstrittener Rolle dabei zahlreiche User die Plattform verlassen, „erreicht“ X – das durch seine Algorithmen fast schon selbst zum Sender wird – nach wie vor Millionen und beeinflusst durch die unzureichenden Schutzmechanismen die öffentliche Meinung nachhaltig. Fake News, Verschwörungstheorien und antifeministische Hassrede werden unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung unbehelligt verbreitet – auch von Musk selbst; etwa durch sexuelle Belästigung vor einem Millionenpublikum, als er Taylor Swift drohte, sie zu schwängern, weil sie sich für Kamala Harris aussprach – und die polarisierende, extreme Nutzung generiert weiter Umsatz. Den Preis zahlen vor allem Frauen und andere marginalisierte Gruppen, die sich von der Plattform zurückziehen, weil sie beleidigt und bedroht werden. Es zeigt, dass Musks libertäre Auslegung von radikaler Redefreiheit zwar Radikalität bringt, aber keine Freiheit.
Die Wiederkehr alter Feindbilder
Diese Entwicklung ist Teil einer Renaissance konservativer Ideale. In Europa und den USA erleben wir eine Rückkehr zu reaktionären Werten, die häufig mit der Abwertung liberaler Errungenschaften einhergehen. Parteien und Bewegungen, die Frauenrechte und Geschlechtergleichheit als Bedrohung für „traditionelle Werte“ und die „natürliche Ordnung“ betrachten, gewinnen immer mehr an Einfluss. Das Paradoxe daran: Diese Haltung geht nicht nur von Männern aus. Auch Frauen, die sich auf traditionelle Werte berufen, haben ihren eigenen Internet-Trend: Sie nennen sich Tradwives, propagieren ein glanzvolles Leben als Hausfrau und Mutter und zelebrieren – oft auch optisch mit Pettycoat und Perlenketten – die Ästhetik und das Rollenbild der 1950er Jahre. Die Schnittmenge zu den Wertvorstellungen der „Alt-Right“-Bewegung ist unübersehbar: Weiße Frauen sollen sich ihren weißen Männern unterordnen und möglichst viele weiße Kinder gebären. Und siehe da: 52 Prozent der weißen Frauen haben bei der US-Wahl für Trump gestimmt.
Das Problem dabei: Tradwives betonen zwar, sich diesen Lebensstil selbst ausgesucht zu haben – doch indem sie den Antifeminismus von Männern wie Andrew Tate unterstützen und Politiker:innen wie Donald Trump wählen, verhelfen sie ebenjenen dazu, die Rechte der Frauen Schritt für Schritt tatsächlich einzuschränken. Und dann ist es nicht mehr lange hin, bis ihnen die Wahlfreiheit genommen wird.
Businessplan Misogynie
Dieser „neue Konservatismus“ ist zugleich ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell: Werte wie Unterordnung, Männlichkeitsideale und die Reduktion der Frau auf traditionelle Rollen sind profitabel – und Menschen, die sich selbst als „bewahrend“ verstehen, geben für eine Bestätigung ihrer Ideologie offenbar auch gut und gerne Geld aus.
In einer Gesellschaft, die zunehmend fragmentiert und unsicher ist, wird die Abwertung von Frauen zur lukrativen Identitätsstiftung. Influencer, Politiker:innen und Unternehmer:innen spielen gezielt mit der Verunsicherung, die der Wandel der letzten Jahrzehnte bei vielen ausgelöst hat. Und wer gibt die vermeintlichen Antworten? Es sind jene, die Geschlechterstereotype und patriarchale Werte als Orientierungshilfe präsentieren – für Klicks, für Spenden, für Geld.
Diese Rückkehr der Misogynie zeigt, wie fragil die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte sind, die Frauen und marginalisierte Gruppen hart erkämpft haben, und wie schnell sie durch finanzielle Interessen unterwandert werden können. Die wachsende Akzeptanz von frauenfeindlichen Narrativen in Politik, Medien und sozialen Netzwerken zeigt deutlich, dass wir uns noch stärker gegen diese Strömungen positionieren müssen.