Inflation: Falsches Spiel mit dem „richtigen“ Preis?
Preise eignen sich gut als Feind. Man kann nur allzu oft schwer nachvollziehen, wie sie sich zusammensetzen, und nicht wenige haben das Gefühl, dass sie eigentlich weniger zahlen sollten. Das war vor der Krise und Rekordinflation so und wird auch danach so sein.
Neben all dem subjektiven Empfinden ist den meisten wohl bekannt, dass die Preisbildung auf dem Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage basiert. Wenn die Nachfrage steigt und das Angebot konstant bleibt, steigen die Preise, während bei einer sinkenden Nachfrage und einem konstanten Angebot die Preise fallen. Aber auch externe Faktoren können einen erheblichen Einfluss auf die Preisbildung haben, z.B. staatliche Regulierungen, Produktionsfaktoren, Wettbewerb, Konjunkturzyklen oder externe Schocks. Es sind also sehr viele Variablen, die letztendlich zu einem bestimmten Preis führen. Die wenigsten bestreiten das; so weit so gut.
Die hohen Preise sind hausgemacht
Nun hat der Angriff Russlands auf die Ukraine deutlich gemacht, wie abhängig und angreifbar unsere Energieversorgung war (und ist). Die hohen Energiepreise haben sich in alle Wirtschaftsbereiche gefressen und damit die Inflation befeuert. Auch das eifrige und lange Gelddrucken der letzten Jahre durch die Europäische Zentralbank hat nicht unbedingt dazu geführt, dass ihr Kernauftrag der Bekämpfung, die Inflation niedrig zu halten, erreicht wurde – sondern vielmehr das Gegenteil.
Zahlreiche Beschränkungen im Zuge der Corona-Krise haben den internationalen Warenverkehr stark belastet und durch anhaltende Lieferkettenprobleme Mehrkosten verursacht. Und dann gibt es da auch noch die österreichische Bundesregierung, die in den letzten Jahren viel Steuergeld ohne Ziel rausgeschossen und damit teuer und mit nachhaltigem Schaden eine höhere Inflation erkauft hat als im restlichen Westen Europas. Und eben all diese Faktoren haben die Preise bei Lebensmitteln wie überall sonst steigen lassen.
Neben diesen bekannten Treibern der Teuerung wird immer wieder auf die hohe Marktkonzentration im österreichischen Lebensmittelhandel verwiesen und ein unzureichender Wettbewerb als zusätzliche Komponente in den Raum gestellt. Was jedenfalls richtig scheint, ist, dass diese Szene von drei großen Playern dominiert wird: namentlich von Spar, Rewe und Hofer, auf die 2022 laut RegioData Research gut 84 Prozent des Marktes entfielen, auf die Top 5 entfallen sogar 95 Prozent. Das allein lässt aber nicht den Schluss zu, dass die gegebene Marktmacht unzulässig ausgenutzt wurde oder es gar zu Preisabsprachen gekommen ist. Herauszufinden, ob das der Fall war, ist der Job der Bundeswettbewerbsbehörde, die gerade eine Branchenuntersuchung durchführt. Ergebnisse sollen im Herbst 2023 vorliegen.
Die Schuldigen sind also offensichtlich sehr viele. Aber was ist jetzt mit dem bösen Preis? Kann man diese unerfreulichen Realitäten – von Krieg über Seuchen hin zu politischem Versagen – nicht einfach mit dem Zauberstab wegmachen? Leider nein.
Fantasiemaßnahmen gegen echte Preissteigerungen
Populistische Politiker fordern oft das, was am einfachsten gemacht werden kann und bei vielen gut ankommt: mehr Hilfen, mehr Ausgaben, mehr Geld vom Staat. „Mehr Gießkanne“ ist aber gerade bei der Bekämpfung von Inflation der falsche Weg, denn genau diese treibt die Teuerung immer weiter an. Eine mögliche Senkung der Umsatzsteuer auf Grundnahrungsmittel wäre so eine Gießkanne, weil der Steuerrabatt allen zugutekommen würde – auch Besserverdienende würden stark davon profitieren. Außerdem ist nicht nachgewiesen, dass eine Mehrwertsteuersenkung auf alle Lebensmittel tatsächlich von den Supermärkten an die Konsument:innen weitergegeben wird: Vielmehr ist es eine extrem teure fiskalische Maßnahme, deren soziale Treffsicherheit hoch umstritten ist.
Ganz weit vorne in der Kategorie „Teure und kontraproduktive Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation“ ist mit Sicherheit die Forderung nach Einführung von Fixpreisen. Das ist dann wirklich der Zauberstab, der die böse Realität verdrängen soll – oder zumindest auf dem Etikett bzw. an der Kasse. Es ist nämlich ebenso klar, dass die höheren Kosten bis zum Regal damit nicht sinken werden. Die Folge ist damit immer gleich: Entweder es wird nicht mehr geliefert, weil der Produzent einen anderen Markt ohne Fixpreis lieber beliefert, oder der Preis wird auf andere, nicht regulierte Produkte übergewälzt.
Beides ist in Ungarn passiert, wo es zu Knappheiten an den Zapfsäulen gekommen ist, oder in den Supermärkten plötzlich ein Anstieg der Preise der nicht fixierten Produkte zu beobachten war. Das Ergebnis: Eine Rekordinflation von 24 Prozent, auf Lebensmittel beträgt sie sogar 46 Prozent. Explodiert sind die Preise vor allem bei Milchprodukten und Backwaren. Unerwartet war das nicht – ist doch bereits der römische Kaiser Diokletian mit seinem Höchstpreisedikt 301 n. Chr. daran gescheitert, mit dem Zauberstab hohe Lebensmittelpreise verschwinden zu lassen.
Was wirklich gegen hohe Preise helfen würde
Es ist bitter, aber wahr: Mögliche Lösungen sind differenzierter und brauchen vor allem mehr Zeit, um zu wirken.
- Bei der Bekämpfung der Inflation ist zuallererst die EZB gefragt, die mit höheren Zinsen zur Senkung der Nachfrage und Beruhigung der Lage beitragen muss.
- Außerdem könnte man die Sparneigung der Mittelschicht erhöhen – z.B. durch Anreize in Form einer gesenkten Kapitalertragsteuer auf Sparbücher oder Sparkonten.
- Maßnahmen, die mehr Wettbewerb schaffen, wären positiv zu bewerten. Dazu zählt auch eine Stärkung der Bundeswettbewerbsbehörde, die nach wie vor aus politischen Gründen unbesetzt bleibt.
- Kurzfristig braucht es weiterhin gezielte Unterstützung für Menschen mit geringeren Einkommen, die besonders stark von den Preissteigerungen betroffen sind.
- Um dem breiten Mittelstand mehr Kaufkraft zu geben, müssen auch steuerliche Entlastungsmaßnahmen ergriffen werden. Insbesondere eine Senkung der Lohnnebenkosten, um im Herbst Spielraum für Tarif- und Lohnverhandlungen zu schaffen.
Die einzige positive Nachricht ist, dass verantwortungslose, populistische Politiker:innen leicht zu erkennen sind. Wenn die Antwort auf ein sehr komplexes Problem viel zu einfach klingt, um wahr zu sein, dann ist sie es auch meistens.
Ob die medial erwähnten Lebensmittelkonzerne ihre Position in der aktuellen Krise missbraucht und gelogen haben, wird man nach den Untersuchungen sehen. Dass viele Politiker:innen im Land dies getan haben, erscheint offensichtlich. Zumindest bei den Lebensmittelpreisen steht also die Entscheidung noch aus, wie (auf)richtig oder falsch sie sind.