Ja, Entlastung ist möglich. So geht’s.
Man muss keinen Sozialabbau betreiben, um die Lohnnebenkosten zu senken. Im Gegenteil: Für einen effizient geführten Staat einzustehen, lässt den Bürgerinnen und Bürgern mehr Geld am eigenen Konto, ohne auf öffentliche Leistungen zu verzichten.
Die Forderung nach steuerlicher Entlastung ist so alt wie die politische Debatte selbst. Und wer sich die Steuer- und Abgabenquote ansieht, weiß auch, warum wir schon ewig darüber reden: Obwohl die diversen Bundesregierungen der letzten Jahre und Jahrzehnte immer wieder mehr Netto vom Brutto versprochen haben, steigt die Belastung dauerhaft an.
Wer diese Aufstellung nicht ändern will, hat meist ein Argument: Das Framing der „Belastung“ stimme ja gar nicht, da mit diesem Geld Schulen, Krankenhäuser und Straßen gebaut werden. Der Staat erfüllt viele wichtige Aufgaben, die eben Geld kosten – und wer dort sparen will, wolle den Staat zurückfahren und Sozialabbau betreiben, so die Erzählung. Denn „Lohnnebenkosten“, das ist Sozialstaat!
Das ist aber nicht der Fall. Denn in Österreich gibt es enormes Einsparungspotenzial in vielen Bereichen, die keine staatlichen Kernaufgaben sind. Und vieles, was teuer ist und wenig bis gar nichts bringt, wird über die Lohnnebenkosten finanziert. Ein Konstrukt, das funktioniert, weil viele nicht wissen, wie viel ihnen wirklich abgezogen wird. Um das Framing der angeblich notwendigen Steuer- und Abgabenquote von über 40 Prozent richtigzustellen, ein paar Beispiele.
1. Die Wohnbauförderung, die keinen Wohnbau fördert
First things first: Dass Wohnraum gebaut werden soll, da sind sich alle einig. Man mag über das Wie reden – immerhin werden in Österreich 12 Hektar Boden pro Tag verbraucht –, aber leistbares Wohnen ist ein nachvollziehbares Bedürfnis. Um diesem nachzukommen, überschlagen sich viele Parteien mit Vorschlägen, was der Staat alles tun soll. Ob er selbst mehr baut oder Anreize schafft, um Bauen günstig und attraktiv zu machen, wird da oft schon zur ideologischen Frage. Aber an und für sich gibt es Geld, mit dem der Staat selbst Wohnraum schaffen kann: die Wohnbauförderung.
Das Problem daran ist nur: Die Hälfte dieser Förderung versickert nachweislich in den Budgets der Bundesländer. Anders als der Name vermuten lässt, hat das Geld der Wohnbauförderung nämlich kein Mascherl – es fließt vom Bund an die Länder, die es für Wohnraum ausgeben sollten. Aber wie auch in den Bereichen Kinderbetreuung und Gesundheit bleibt auch hier das Schlüsselwort: sollten. Auch für die nächsten Jahre bekommen die Länder nämlich Geld für ausgemachte Ziele, egal ob sie sie erfüllen. Sanktionen gibt es keine.
In der Praxis bedeutet das: Das Aufkommen aus den Wohnbauförderungsbeiträgen hat sich zwischen 2000 und 2019 fast verdoppelt – die Ausgaben sind aber im gleichen Zeitraum um 15 Prozent gesunken. Und das, obwohl diese Beiträge Teil der Lohnnebenkosten sind: Sie werden also direkt von Beschäftigten und Unternehmen bezahlt. Entweder man führt die Zweckwidmung wieder ein und gibt das Geld dafür aus, wofür es gedacht war. Oder man kürzt sie auf das Niveau, das von den Ländern wirklich ausgegeben wird. Und lässt den arbeitenden Menschen mehr von ihrem Geld.
2. Die Umlage, deren Sinn niemand kennt
Eine weitere „Grundwahrheit“ der österreichischen Politik sind die Sozialpartner. Arbeiter- und Wirtschaftskammer sind nicht nur stille Einflüsterer, sondern auch wesentliche Rekrutierungsapparate von SPÖ und ÖVP – die durch gesetzlich verpflichtende Beiträge finanziert werden.
Für die Wirtschaftskammer zahlt man sogar zwei Umlagen: die Kammerumlage 1 und 2. Die zweite wurde 1979 als „vorübergehende“ Unterstützung für bedürftige Kleinunternehmen eingeführt. Sie ist regional unterschiedlich ausgestaltet und macht zwischen 0,32 und 0,42 Prozent im Burgenland aus. Was nach einem kleinen Beitrag klingt, ist seit 1979 aber mit jeder Lohnerhöhung mitgestiegen – so hat die WKO 2022 schon 410 Millionen Euro dadurch verdient. Und das, obwohl es ohnehin schon eine andere Abgabe gibt – die Kammerumlage 1. Kombiniert man die Erträge aus beiden Beitragsarten, geht es 2022 schon um 1,2 Milliarden Euro.
Würde man diese Umlage ersatzlos streichen, würden Österreichs Unternehmen immerhin sofort 0,4 Prozentpunkte der Lohnnebenkosten erspart bleiben. Dadurch würde man auch zum Sinn der Sache zurückkehren: eine Unterstützung kleiner Unternehmen, für die das Ausmaß der Kammerumlage 2 einen großen Unterschied macht. Und der Kollateralschaden wäre beschränkt: Denn die Wirtschaftskammern hätten immer noch 880 Millionen Euro an Einnahmen und Rücklagen von bis zu zwei Milliarden Euro – das sollte reichen. Alle parlamentarischen Anträge dazu wurden von der aktuellen und den letzten Bundesregierungen aber abgelehnt.
3. Die teure Arbeitslosenversicherung
Worum geht es, wenn wir über die Arbeitslosenversicherung sprechen? Um 7,9 Milliarden Euro. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ist in Österreich (5,9 Prozent) mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland (2,6 Prozent) und fast dreimal so hoch wie in der Schweiz (2,2 Prozent).
Dazu kommt, dass Österreich das einzige Land ist, das Beiträge aus der Arbeitslosenversicherung ohne jegliche zeitliche Begrenzung auszahlt. Ein Umstand, den auch der Rechnungshof kritisiert: Er fordert seit langer Zeit, die beiden Systeme Notstandshilfe und Mindestsicherung bei längerer Bezugsdauer zu einem gemeinsamen System zusammenzuführen. Alleine durch eine Überführung in die Mindestsicherung könnten jährlich 793 Millionen Euro gespart werden, wie eine parlamentarische Anfrage von NEOS ergab – damit könnten die Lohnnebenkosten der Arbeitslosenversicherung schon um ein Zehntel gesenkt werden.
Und was passiert, wenn weniger Geld in der Arbeitslosenversicherung steckt? Dann müsste der Staat effizienter arbeiten. Auch das wurde bereits im Parlament vertagt. Denn momentan fließt das Geld in den Ausbau des AMS-Personals – +22 Prozent seit 2012 und die Förderung der „geblockten Altersteilzeit“, mit denen das AMS die Frühpension subventioniert. Dazu kommt die Bildungskarenz: Gedacht war sie als eine wichtige Maßnahme für lebenslanges Lernen, de facto aber wird damit oft die Elternkarenz verlängert oder einfach eine „bezahlte Auszeit“ genommen, da man kaum Bildungserfolge nachweisen muss. Auch hier bräuchte es bessere Modelle, um Geld zu sparen. Für Arbeitslose hätte das keinen Nachteil: für Unternehmen und Beschäftigte schon.
Entlastung geht. Wenn man will.
All das sind natürlich nur Beispiele. Wenige davon werden auch Menschen überzeugen, die prinzipiell der Meinung sind, dass Geld beim kollektiven Staat besser veranlagt ist als beim einzelnen Individuum. Aber was sagen sie zu den 5,7 Milliarden Euro pro Jahr, die der österreichische Staat für klimaschädliche Förderungen ausgibt? Und was zu der Tatsache, dass wir uns nicht nur neun Landtage, sondern auch neun Landesjugendschutzgesetze und Baurechte halten? Ist das sinnvoll, ist das effizient, ist das gerecht? Oder – schrecklicher Verdacht – ist nicht jeder Euro in Österreich gut verwendet, nur weil er von der öffentlichen Hand ausgegeben wird?
Schlussendlich geht es vor allem darum, staatliche Leistungen effizient zu machen. Da geht es um gute Schulen, um einen Ausbau der Kinderbetreuung, um ein Gesundheitssystem, das auch ohne Zusatzversicherung funktioniert. Und wenn wir sehen, dass das soziale Sicherheitsnetz in Österreich viel teurer ist als in anderen Staaten, sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie wir das ändern können, um den Bürgerinnen und Bürgern mehr von ihrem Geld zu lassen. Immerhin sind die Vorzeigestaaten Schweden und Dänemark nicht unbedingt dafür bekannt, turbokapitalistische Staaten zu sein, in denen Arbeiterinnen und Arbeiter die Rechnung für die Reichen zahlen. Im Gegenteil: Ein Staat, der effizient ist und seine Aufgaben auf hohem Niveau erfüllt, funktioniert.
Dass das prinzipiell möglich ist, wissen wir. Das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria zeigt: Würde Österreich das aktuelle Leistungsniveau beibehalten, aber die Aufgaben effizienter erfüllen, könnten Milliarden gespart werden. Und zwar ohne jede Einbuße für die Bezieherinnen und Bezieher öffentlicher Leistungen. Ja, dafür müsste man komplizierte Strukturreformen angehen, die unsexy klingen und historisch gewachsen sind. Aber die Alternative ist, wie bisher weiterzuwurschteln. Für uns alle bedeutet das weiterhin durchschnittliche Leistungen. Und immens hohe – und ja, in dem Fall ist es angebracht – Belastungen.