Kein Witz: Iran übernimmt Führungsrolle im Menschenrechtsrat
Die Vereinten Nationen gelten, wenn man es freundlich formulieren will, nicht unbedingt als die schlagkräftigste Institution in der internationalen Politik. Man kennt sie vor allem für den UN-Sicherheitsrat, in dem sich die Großmächte der Welt regelmäßig gegenseitig blockieren. Und auch im aktuellen Konflikt zwischen Israel und den Hamas fällt sie vor allem mit einem auf: Wortmeldungen.
An diesem Donnerstag wird sich die UNO (United Nations Organization) aber durch eine besondere Absurdität auszeichnen: Denn ausgerechnet der Iran wird an diesem Tag den Vorsitz im Sozialforum des UN-Menschenrechtsrats (UNHCR) übernehmen.
Der Iran steht für die Todesstrafe
Das Thema Menschenrechte auch nur in Berührung mit der islamischen Republik Iran zu bringen, ist schon an sich gewagt: Die Todesstrafe existiert dort nicht nur, sondern wird auch regelmäßig angewandt. Mehr als zehn Menschen pro Woche werden im Iran hingerichtet – eine Entwicklung, die sich seit den Massenprotesten nach dem Tod von Mahsa Amini noch verschlimmert hat.
Und eine Entwicklung, die von der UNO selbst verurteilt wird. Der EU-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, bezeichnet den Iran als eines der Länder mit den meisten Hinrichtungen weltweit. Nicht nur wegen fadenscheiniger Terrorismus-Vorwürfe droht Menschen im Iran die Todesstrafe: Zu den Gründen gehören auch Drogendelikte und Gotteslästerung, auch Minderjährige werden vom Staat ermordet.
Menschenrechte unter Druck
Das ist übrigens nicht das einzige Thema, bei dem der Iran für seine Menschenrechtsverletzungen bekannt ist. Auf Frauen wird durch die „Sittenpolizei“ Druck ausgeübt, ein Kopftuch zu tragen. Wieder ein Umstand, den auch die UNO bestätigt:
„We have expressed concern about the continuous repression of women and girls opposing forced veiling and their reported use of facial recognition technologies to identify and arrest them.“
Im September 2022 brachen Massenproteste im ganzen Land aus, nachdem die junge Kurdin Mahsa Amini in einer Polizeistation zu Tode kam, weil sie sich dem Kopftuchzwang widersetzte. Der Staat reagiert nach wie vor brutal: Soziale Medien sind im Iran verboten oder werden zensiert, die Meinungsfreiheit ist stark eingeschränkt, und neben Haftstrafen muss sich die Bevölkerung auch vor der Todesstrafe fürchten.
All diese Menschenrechtsverletzungen sollten von der UNO nicht ignoriert werden, aber vor allem nicht legitimiert. Das gilt auch für die EU, deren Hoher Repräsentant Josep Borrell dazu anmerkt, dass die hohe Stelle für den Iran „im Einklang mit etablierten Prozessen der UN“ stehen würde. In einer Stellungnahme weist er zwar auf die Missstände im Iran hin – aber ob rhetorische Verurteilungen eine derartige Postenbesetzung auf internationaler Ebene rechtfertigen?
Protest kommt durch United Nations Watch, einen Zusammenschluss aus Menschenrechts-NGOs. Über 100.000 Unterschriften hat die Organisation bereits gegen die Entscheidung gesammelt, den Iran zur Autorität in Menschenrechtsfragen zu erheben.
„Iran’s regime never should have been chosen. Sadly, inside the UN, too many country delegations seek to go along to get along. In their closed world of backroom deals, a bloody dictatorship is every inch the equal of a liberal democracy. Democracies that pay lip service to the high principles of the UN Charter too often ignore them when making critical UN decisions.“
Hillel Neuer, geschäftsführender Direktor United Nations Watch
Die UNO muss aufpassen
Es ist verständlich und grundsätzlich akzeptabel, dass die UNO als Zusammenschluss aller Nationen rotiert, wenn es um hohe Ämter geht. Trotzdem ist bei der Auswahl der Politikfelder Vorsicht gefragt. Hier hat die Institution enormen Aufholbedarf: Während der Iran als Instanz für Menschenrechte gilt, kann Russland als Beginner eines Angriffskriegs weiterhin im Sicherheitsrat Entscheidungen blockieren.
Wenn Länder die Gremien besetzen, die exakt das Gegenteil ihrer eigenen Politik bezwecken, verliert die UN ihre Glaubwürdigkeit – und vermutlich auch ihre Handlungsfähigkeit. Und als wäre das alles nicht frech genug, folgt im November die nächste absurde Auswahl: Die UN-Klimakonferenz wird in Dubai stattfinden, wo Politik und Ölindustrie stark verbunden sind. Ob es da den großen Wurf geben wird? In etwa so wahrscheinlich wie das Szenario, in dem sich der Iran für Menschenrechte starkmacht.