Liberal in der Welt: So geht feministische Außenpolitik
Der Begriff „feministische Außenpolitik“ wurde bislang vor allem von linken, grünen und sozialdemokratischen Parteien geprägt. Jedoch: Feministische Außenpolitik ist liberal! Es ist an der Zeit, dass wir sie auch bei uns zum Programm machen.
Außenpolitik ist immer noch ein überwiegend männerdominierter Bereich. Beweise finden sich in jedem beliebigen Foto von EU-Außenministertreffen. Dabei ist die Forderung, dass es mehr Frauen in außenpolitischen Positionen geben muss, nicht nur eine feministische – sondern auch eine grundlegend liberale.
Dazu möchte ich mein Verständnis von Feminismus vorwegschicken: Für mich heißt Feminismus Gerechtigkeit. Eine Gerechtigkeit, die sehr wohl Machtgefälle aufzeigt, aber auch Pflichtgefälle. Liberaler Feminismus bedeutet eben keine Politik zugunsten von Frauen und zulasten von Männern. Denn das zugrundeliegende Konzept von Feminismus ist „gleiche Rechte und gleiche Pflichten“ – ein Konzept, das niemanden bevorzugen oder benachteiligen soll.
Liberale Politik steht für Gleichberechtigung und Gleichstellung aller Menschen unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Bildung. Feminismus, der den Kampf für Geschlechtergerechtigkeit beschreibt, findet also seinen natürlichen Platz in unserer liberalen Politik und ist darin fest verankert. Daher ist es nur logisch, dass sich Liberale für die Gleichberechtigung von Frauen in der Außenpolitik einsetzen, wie sie es bereits seit Jahrhunderten erfolgreich in anderen politischen Bereichen tun. Und gerade weil der Bereich diese liberalen und feministischen Ansprüche immer noch nicht erfüllt, braucht es einen Kurswechsel in der Außenpolitik.
Waffenlieferungen an die Ukraine, Sanktionen gegen Russland, Handelsverträge mit China – man muss sich nicht besonders gut auskennen, um zu verstehen, dass das folgenreiche Entscheidungen sind. Wir wissen gleichzeitig auch, dass die Qualität von Entscheidungen steigt, wenn Gruppen divers zusammengesetzt sind. Das Institut für Weltwirtschaft hat zum Beispiel gezeigt, dass gemeinsame Entscheidungen umso riskanter sind, je höher der Anteil von Männern in einer Gruppe ist. Umgekehrt sinkt die Risikobereitschaft, je mehr weibliche Mitglieder vertreten sind. Kurz gesagt: Männergruppen riskieren zu viel, Frauengruppen zu wenig. Beide Extreme sind nicht optimal. Gerade in Zeiten, in denen schwerwiegende außenpolitische Entscheidungen gefällt werden müssen, ist es daher wichtig, ausgeglichenere Geschlechterverhältnisse in außenpolitischen Gremien zu haben.
Grundzüge liberaler feministischer Außenpolitik
Nun stellt sich die Frage, wie eine liberale Außenpolitik, die es ermöglicht, unsere feministischen Ansprüche umzusetzen, konkret aussehen könnte. Dazu gibt es aus meiner Sicht drei entscheidende Handlungsfelder: Gleichstellungsdiplomatie, Entwicklungszusammenarbeit sowie Friedens- und Sicherheitspolitik. Diese Bereiche bieten die Möglichkeit, die Forderung nach politischer und gesellschaftlicher Gleichberechtigung in die Praxis umzusetzen – und tragen so zu einer gerechteren Weltordnung bei.
Gleichstellungsdiplomatie
Frauen sind als Außenministerinnen, in den entsprechenden Gremien und im diplomatischen Korps unterrepräsentiert. Die Förderung der Vertretung von Frauen ist daher für eine gerechte Repräsentation essenziell. Durch eine ausgewogene Geschlechterverteilung werden bei politischen Entscheidungen auch die Auswirkungen auf Frauen – von Frauen – automatisch mitgedacht, was nachweislich zu besseren Entscheidungen führt. Eine gerechte Geschlechterverteilung muss in der Außenpolitik genauso angestrebt werden wie in anderen Bereichen, man denke nur an Aufsichtsräte und Vorstände.
Gezielte Maßnahmen zur Förderung des Frauenanteils in Außenministerien und internationalen Organisationen sind notwendig, um eine inklusive und ausgewogene politische Landschaft zu schaffen. Dazu zählen zum Beispiel die Errichtung von Frauennetzwerken zur gegenseitigen Unterstützung oder die Etablierung von Mentoring-Systemen. Die Funktion von Role Models darf dabei nicht unterschätzt werden: Weibliche Vorbilder senken die Hemmschwelle für andere Frauen, sich um Spitzenpositionen zu bemühen.
Wenn man den Eintritt von Frauen in den diplomatischen Dienst fördern will, sind außerdem innovative Arbeitsbedingungen notwendig. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist dabei zentral. In Deutschland gibt es zum Beispiel die Möglichkeit des Job-Sharings: In der deutschen Botschaft in Schweden teilt sich ein formal gleich qualifiziertes Ehepaar den Botschafter:innenposten, indem sie nach jeweils acht Monaten wechseln. Dabei ist die Kontinuität der Arbeit gewährleistet, gleichzeitig sind familiäre Betreuungspflichten abgedeckt.
Entwicklungszusammenarbeit
Eine liberale feministische Außenpolitik bedeutet die gezielte Förderung von Projekten, um die politische und gesellschaftliche Teilhabe von Frauen zu stärken. Das schließt den vollumfänglichen Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, reproduktiven Rechten, wirtschaftlichen Ressourcen und politischer Mitbestimmung (auch in der Außenpolitik) mit ein.
Um das zu erreichen, sollte bei Projekten der Entwicklungszusammenarbeit, die durch liberale Demokratien finanziert werden, stets auch mitgedacht werden, wie sie durch ihr Wirken Frauen in Schlüsselbereichen stärken und eine gerechte Rolle in der Gesellschaft spielen. Ein grundlegend liberaler Gedanke dabei ist, dass Frauen dabei ermöglicht werden soll, sich selbst zu ermächtigen. Frauen (so wie auch Männer) müssen gleichberechtigten Zugang zu ihren Rechten haben und diese selbstbestimmt einfordern können.
Hier gibt es noch viel zu tun. Daten der OECD zeigen, dass 62 Prozent der Entwicklungsgelder weiterhin „genderblind“ sind – also in Projekte fließen, die keinen Fokus auf die Gleichstellung der Geschlechter haben. Liberale, feministische Entwicklungspolitik ist also wichtig, um ein Umfeld zu fördern, in dem Frauen ermächtigt werden, für gesellschaftlichen Wandel einzutreten – gemeinsam mit Männern und marginalisierten Personen. Dabei braucht es auch ein klares Bekenntnis zum Gender Budgeting, also der Zuweisung von Ressourcen mit dem Ziel, Geschlechtergleichstellung zu erreichen.
Friedens- und Sicherheitspolitik
Gesellschaften, in denen Frauen unterdrückt sind, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit von Instabilität und Gewalt. Verzerrte Geschlechterverhältnisse führen oft zu sozialen Spannungen, die sich in Konflikten entladen – auch deshalb ist die Gleichberechtigung von Frauen ein Garant für Frieden und Sicherheit. Im Buch „The First Political Order. How Sex Shapes Governance and National Security Worldwide“ zeigen die Autor:innen eindrücklich, dass die Unterdrückung von Frauen unmittelbar auch mit dem Wohlergehen von Nationen zusammenhängt: Je stärker Frauen unterdrückt werden, desto weniger Stabilität und Wirtschaftsleistung und desto mehr Instabilität und Konflikte gibt es.
„Die Unterdrückung von Frauen ist […] eine Bedrohung für die allgemeine Sicherheit unserer Welt.“
Hillary Clinton
Eine feministische Außenpolitik setzt sich aber auch aktiv gegen geschlechtsspezifische Gewalt in Konfliktsituationen ein und sagt ganz klar, dass Frauen in Friedensprozesse und Entscheidungen im Sicherheitsbereich einbezogen werden müssen. Zwischen 1992 und 2019 waren nur 13 Prozent der Verhandler:innen und 6 Prozent der Unterzeichner:innen von Friedensabkommen weiblich. Doch der Frieden hält tendenziell länger an, wenn Frauen am Tisch sitzen: Nach Angaben von UN Women steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der ausgehandelte Frieden länger als zwei Jahre anhält, um 20 Prozent, wenn Frauen am Friedensprozess beteiligt sind. Was passiert, wenn Frauen nicht am Verhandlungstisch sitzen, sehen wir an den Folgen des Bosnien-Kriegs: Massenvergewaltigungen wurden nicht aufgearbeitet, die Traumata in die nächsten Generationen weitergetragen.
In der Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats werden die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Konflikten auf Frauen und Mädchen anerkannt. Das Ziel der Resolution ist es, die Beteiligung von Frauen zu erhöhen und die Perspektive von Frauen in Friedensverhandlungen miteinzubeziehen. Die Resolution sieht vor, dass Staaten nationale Aktionspläne zur Umsetzung verabschieden. In Österreich kann das durch die Förderung der Teilnahme von Frauen an Friedenseinsätzen erreicht werden.
Liberal = feministisch
Eine liberale, feministische Außenpolitik ist also zentral für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand. Das müssen gerade wir als Liberale offener und selbstbewusster sagen. Wir verstehen Feminismus nicht als ideologischen Kampfbegriff, sondern als Selbstverständlichkeit auf dem Weg zu einer freien, sicheren und wohlhabenden Gesellschaft. Fortschritte in den drei Bereichen Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und Sicherheitspolitik leisten genau dazu einen Beitrag. Deshalb ist es unsere Verantwortung als Liberale, aktiv feministische Maßnahmen in diesen Bereichen zu setzen.
Bisher wurde feministische Außenpolitik vor allem von Vertreter:innen des linken politischen Spektrums vereinnahmt, wie in Deutschland oder Schweden. Bei so manchen Liberalen löst sie Unbehagen aus, da man ja ohnehin „immer Frauen mitdenke“ und man linke Kampfansagen ablehne. Wir dürfen feministische Außenpolitik aber nicht den Linken überlassen. Gerade die Argumente der wirtschaftlichen Ermächtigung, Bildung und reproduktive Rechte sind von Grund auf liberale. Scheuen wir uns deshalb nicht davor, selbstbewusst für eine liberale, feministische Außenpolitik einzutreten!