Abgeschafft. Was nun?
Es sind turbulente Zeiten in Deutschland: Nach dem Aus der Ampel-Koalition wurden die Bundestagswahlen um ein halbes Jahr vorverlegt. Es war ein hitziger und schmutziger Wahlkampf – der mit starken Zugewinnen für die AfD endete. Zeit für Ursachenforschung: Zehn Jahre ist die Parole „Wir schaffen das“ von Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel her. Damals, zu Beginn der Flüchtlingskrise und aus der Finanz- und Eurokrise kommend, mag der Spruch vielen in Deutschland Zuversicht gegeben haben. Eine Dekade und viele Anschläge später erscheint er fast verhöhnend. Er steht sinnbildlich für eine Migrationspolitik, die gescheitert ist, für den Aufstieg einer Partei, die mit genau diesen Ängsten Geschäfte macht, und für verhärtete Fronten und vermeintliche Eklats zwischen den Parteien des demokratischen Spektrums. Es ist wohl auch und vor allem dieser migrationspolitische Kurs, der das Ergebnis der Bundestagswahl 2025 erklärt. Deutschland sieht sich 2025 mit anderen Realitäten konfrontiert, als das vor der Flüchtlingskrise der Fall war. Das Wahlergebnis spiegelt das wider.
Harte Wahrheiten: Der wievielte Terroranschlag?
Es ist kaum mehr als eine Woche her, als in München ein afghanischer Mann mit Aufenthaltserlaubnis – mutmaßlich islamistisch motiviert – mit einem Auto in eine Gruppe von Menschen raste. Drei Wochen zuvor erstach ein Afghane, der bereits dreimal wegen Gewalttaten auffällig wurde, ein Kind und einen Passanten in Aschaffenburg. Die Todesfahrt von Taleb A. in Magdeburg kurz vor Weihnachten hat sechs Menschen das Leben gekostet. Die Liste weiterer solcher Anschläge ist lang:
Die Diskussion, ob Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik ein falscher gewesen sein könnte, wurde lange Zeit nicht ehrlich geführt. Vielmehr hat man es den Parteien am rechten Rand überlassen und so überhaupt erst den Aufstieg der AfD ermöglicht. Eine Wahrheit, die man in der Bundesrepublik lang nicht gern gehört hat: Ausländer sind als Tatverdächtige bei schweren Straftaten, wie Vergewaltigungen, in der Polizeistatistik überrepräsentiert. Man erinnert sich noch an die Silvesternacht von 2015 in Köln, bei der mehr als 600 Frauen Opfer sexueller Straftaten wurden. Vielleicht ist 2025, zehn Jahre später, endlich der Zeitpunkt, sich einzugestehen, dass wir es eben doch nicht geschafft haben.
Mittlerweile scheint sich nämlich ein ähnliches Muster herauszukristallisieren, wegen dem wir – und damit ist wohl der gesamte Westen gemeint – kopfschüttelnd in Richtung USA schauen: Es passiert etwas Furchtbares in Form von Waffengewalt, gefolgt von einem medialen Aufschrei gepaart mit den Rufen nach schärferen Waffengesetzen. Dann kühlt die öffentliche Debatte über das Thema etwas ab, meistens weil ein neues Thema größere Aufmerksamkeit bekommt. Bis man beim nächsten Amoklauf wieder von vorne beginnt.
Deutschland folgt seit einiger Zeit einem ähnlichen Schema, wenn es um Attentate geht. Hinzu kommt aber noch eine weitere, vollkommen groteske Dimension: Es mischt sich, kurz nach Attentat und darauffolgenden Rufen nach schärferer Migrationspolitik, eine Demo gegen Rechts ins Bild. So geschehen nach Aschaffenburg, wo nur drei Tage später Menschen für das Bündnis „Aschaffenburg ist bunt“ auf die Straße gingen. Man kann das machen. Oder pietätlos finden.
Gespielte Aufregung trifft Realpolitik
Die kommende deutsche Bundesregierung wird es sich zur Hauptaufgabe machen müssen, eine konsequentere Migrationspolitik zu fahren, als es Merkel und Scholz taten. Tut sie das, werden die künstlich echauffierten Stimmen von Links vermutlich etwas von Rassismus und Dammbruch rufen. Nur ist die Realität eben nicht binär: Nur sehr weniger Ausländer sind Vergewaltiger und Attentäter, sie sollten aufgrund ihrer Herkunft nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Das andere Extrem, die Augen vor der Polizeistatistik und den nackten Zahlen zu verschließen, wird das Problem aber erstens nicht lösen und zweitens nur Wasser auf die Mühlen der AfD sein.
Das Ergebnis der Bundestagswahl kann man durchaus als letzte Warnung an die alten Parteien verstehen: Weiter wie unter Merkel und Scholz und Gefahr laufen, die AfD noch mehr zu stärken? Oder ein Kurswechsel und die rechte Flanke schließen? Ironischerweise wird es wohl an Friedrich Merz, dem parteiinternen Kontrahenten Merkels schlechthin, sein, diesen Kurs zu korrigieren. Eine Mehrheit jenseits der AfD hätte er mit Parteien des demokratischen Spektrums – noch. Als einzig wahrscheinliches Szenario gilt eine große Koalition aus Union und SPD, auch, weil Schwarz-Grün keine Mehrheit hat.
Ein großes Problem ist allerdings, dass zwei Parteien der politischen Ränder – AfD und Linke – gemeinsam aller Voraussicht nach mehr als ein Drittel der Sitze im Bundestag haben. Das bedeutet, dass die beiden eine Sperrminorität erreichen und somit entscheidende Fragen, wie beispielsweise Sondervermögen für Ukrainehilfen, verhindern können.
Ziel der kommenden Regierung und insbesondere des Bundeskanzlers muss es jedenfalls sein, innerhalb der Leitplanken einer liberalen Demokratie und deren Grundordnung, die Sicherheit der Bevölkerung bestmöglich zu gewährleisten, aber eben dort Härte zu zeigen, wo es notwendig ist. Nur so kann sie überleben. Notfalls muss der Bundeskanzler dafür von seiner Richtlinienkompetenz Artikel 65 des Grundgesetzes lautet: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung.“ Das bedeutet, dass der deutsche Bundeskanzler im Zweifelsfall die letzte Entscheidung trifft. In der Realität kommt die Richtlinienkompetenz aber äußerst selten zum Einsatz und gilt als Ultima Ratio. Gebrauch machen. Realpolitik ist insbesondere in diesen Zeiten ein guter Ansatz. Machiavelli übrigens auch.