Nachhaltiger Frieden in der Ukraine? Nur mit einer Sicherheitsgarantie
Zum dritten Jahrestag des Ukraine-Kriegs warnten NEOS und Expert:innen im Parlament vor einem Diktatfrieden ohne Sicherheitsgarantien. Europa muss seine Sicherheit jetzt selbst in die Hand nehmen – denn obwohl die Friedensbemühungen von US-Präsident Donald Trump auf den ersten Blick vielversprechend zu sein scheinen, agiert Washington immer unberechenbarer.
Aus Anlass des dritten Jahrestags des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine organisierten der NEOS-Parlamentsklub und das NEOS Lab eine Gedenk- und Diskussionsveranstaltung im österreichischen Parlament. Vieles, was dort am 21. Februar diskutiert wurde, hat in den Folgetagen zusätzliche Brisanz erhalten. Denn seit Beginn von Trump 2.0 scheinen sich die Ereignisse zu überschlagen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendeine Ungeheuerlichkeit des eigentlichen Bündnispartners USA publik wird. Sei es die fragwürdige Wahlwerbung für die AfD durch Tech-Milliardär Elon Musk, der respektlose Auftritt des US-Vizepräsidenten JD Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz, das angebliche Friedensgespräch zwischen Russland und den USA im saudi-arabischen Riad, die merkwürdige Kollaboration von russischen und US-amerikanischen Vertreter:innen bei der UN-Vollversammlung und im UN-Sicherheitsrat und schließlich Trump selbst mit seinem völlig unberechenbaren, teils abstrusen Verhalten. Also genau das Gegenteil von staatstragender und weltpolitischer Verantwortung.
Gefahr eines Diktatfriedens
Dass Trump nicht wie ursprünglich angekündigt der Ukraine in 24 Stunden Frieden bringen konnte, hat er bereits selbst eingesehen. Daher verliert er auch kein Wort mehr darüber. Dass es dennoch schnell gehen muss, zeigen seine aktuellen Bemühungen. Und genau diese problematisierte man auch bei der zahlreich besuchten Abendveranstaltung am 21. Februar. Unisono warnte man vor der Gefahr eines möglichen Diktatfriedens. Denn ein Frieden ohne jegliche Sicherheitsgarantie wäre nichts anderes als „ein Waffenstillstand auf Zeit“, wie NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger betonte. Und genau um die Sicherheitsgarantie geht es dieser Tage, alles andere wäre fatal. In diesem Sinn bot der renommierte Politologe Ivan Krastev eine begriffliche Schärfung: „Es besteht ein Unterschied zwischen Waffenstillstand und Frieden.“ Und: „Sprachlich gibt es kein gemeinsames Wort für Kapitulation und Frieden.“ Worauf die Ukraine und mit ihr Europa gerade hinsteuern, muss folglich sicherheits- und verteidigungspolitisch gut durchdacht und ausverhandelt sein.
Deal-Making als Desaster
Neben „Zöllen“ gehören auch „Deals“ zu den Lieblingswörtern im – scheinbar nicht so umfangreichen – Vokabular des amtierenden US-Präsidenten. Hatte sich Trump noch im Wahlkampf zur US-Präsidentschaft als großer Deal-Maker inszeniert, so dürfte er momentan Tatsachen schaffen wollen. Nach dem dem Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron wie auch des britischen Premierministers Keir Starmer reiste der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Washington, mit dem Ziel, ein milliardenschweres Rohstoffabkommen vor allem bezogen auf Seltene Erden abzuschließen. Was die Ökonomin Olga Pindyuk vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) bei der Abendveranstaltung noch kritisiert hatte, wäre fast Wirklichkeit geworden. Nicht die EU, sondern die USA schienen hier zu den technologisch unverzichtbaren Materialien für Smartphones, E-Autos etc. Zugang zu erhalten. Die Ukraine verfügt übrigens auch über bemerkenswerte Fortschritte in Sachen Digitalisierung, wie man bei der Abendveranstaltung feststellte, die in den Kriegswirren noch größtenteils unbemerkt geblieben sind.
Zum Great Deal zwischen Trump und Selenskyj ist es in Washington letztlich nicht gekommen. Der Besuch endete in einem Eklat. Was Selenskyj noch vor Ort persönlich ausverhandeln wollte – die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine – lehnte Trump vehement ab. Denn entgegen bisheriger Gepflogenheiten internationaler Beziehungen hat Trump erstmals wirtschaftliche Gegenleistungen für die US-Militärhilfe verlangt und bereits im Vorfeld Selenskyj nach dessen Absage zu einem de facto schlechten Abkommen als „Diktator“ verunglimpft. In Washington selbst übergoss Trump seinen Gast mit Schimpftiraden, weil dieser – logischerweise – auf Sicherheitsgarantien bestand. Schließlich befinden sich die heiß begehrten Seltenen Erden vorwiegend in der von Russland besetzten Ostukraine. Der Abbau kann also nur in Friedenszeiten stattfinden, wie auch die Entsendung von internationalen Friedenstruppen, womit sich der Bogen zur unverzichtbaren Sicherheitsgarantie schließt.
Olga Pindyuk, Martin Weiss, Gerald Karner, Dietmar Pichler, Helmut Brandstätter (© Alina Steiner)
Appell an die europäische Sicherheitsarchitektur
Spätestens jetzt, da die USA unter Trump 2.0 nicht mehr als europäische Schutzmacht fungieren wollen, muss sich Europa dringendst um die eigene Sicherheit und Verteidigung kümmern. Die internationalen Solidaritätsbekundungen der EU-Spitzen, meisten EU-Länder (außer Ungarn), Kanadas und Australiens ließen auch nicht lange auf sich warten. Jetzt ist definitiv klar: Die USA ist mit Trump aus der bisher gewohnten westlichen Allianz ausgestiegen. So hart es jetzt ist – vor allem finanziell betrachtet -, Europa muss sich um die eigene Sicherheit selbst kümmern. Ohne Wissen um den späteren Vorfall in Washington durchzog diese Erkenntnis in breiter Übereinstimmung die gesamte Abendveranstaltung. So ging es um mehr „Leadership“, höhere Verteidigungsbudgets und Lösungen auf europäischer Ebene, wie Meinl-Reisinger betonte. Währenddessen verwies Helmut Brandstätter, NEOS-Delegationsleiter im Europäischen Parlament und NEOS-Lab-Präsident auf den seit heuer erstmals amtierenden EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius. Aber auch von einer eigenen Verteidigungsorganisation, abseits von den derzeit leider noch utopisch anmutenden Vereinigten Staaten von Europa, war die Rede. Der Militärexperte Gerald Karner brachte hier die Langzeitperspektive für Europa ein, um einerseits als Verhandlungspartner ernst genommen zu werden und andererseits mit der entsprechenden „Hardware“ die liberale Demokratie zu schützen und gegen Autokraten wie Trump und Putin entsprechend aufzutreten, mit laut Karner globalen Auswirkungen. Wie aktuelle Entwicklungen zeigen, darf sich Europa keinesfalls von äußeren Bedrohungen und inneren Infiltrierungen auseinandertreiben lassen. Davon gibt es schließlich viele.
Gegen innere und äußere Zersetzungsversuche
Was zu Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht klar erschien, wird nach drei Jahren immer deutlicher, auch wenn noch immer populistisch geleugnet: Dem angeklagten Kriegsverbrecher Wladimir Putin geht es um die Vernichtung der Ukraine und die Unterwerfung Europas. Im Autokraten Trump dürfte er gerade einen Mitstreiter finden, denn dieser scheint genauso wenig Interesse an einem starken Europa zu haben. So werden seit Neuestem antidemokratische und europafeindliche Parteien in Europa nicht nur vom Kreml finanziell, sondern auch von Washington aus PR-mäßig bzw. propagandistisch unterstützt. Beide, Putin wie auch Trump, verbreiten Desinformation, Fake News und Propaganda. Gegen eine derartige Infiltrierung gilt es in Zukunft besser gewappnet zu sein, sei es durch Regelungen wie den Digital Services Act oder verstärkte Demokratiebildung sowie Medienkompetenz. Denn der Zustand dieser Infiltrierung ist laut dem Desinformationsexperten Dietmar Pichler höchst besorgniserregend. Mit den Worten des ehemaligen Botschafters und fundierten US-Kenners Martin Weiss befinden wir uns in Europa gerade in der gefährlichsten Zeit seit 1945.
Zusammenhalt und Resilienz in Europa
Während also mit Krieg, Zerstörung und Propaganda versucht wird, die Zeit in Europa ins 19. und beginnende 20. Jahrhundert zurückzudrehen, gilt es jetzt mehr denn je, Europa im Inneren liberaldemokratisch zu stärken und nach außen verteidigungspolitisch als Global Player aufzustellen. Da der Krieg gegen die Ukraine zugleich ein Krieg gegen ganz Europa ist, benötigt es auch europaweiten Zusammenhalt. Jede einzelne Hilfe für die Ukraine stärkt nicht nur deren Freiheit, sondern auch die Freiheit, die Demokratie und den Wohlstand in ganz Europa.
Vasyl Khymynets, ukrainischer Botschafter (© Alina Steiner)
Welches Leid die Menschen gerade in der Ukraine erleben, ist für Außenstehende unvorstellbar. Allein die kurzen Eindrücke bzw. „Snippets“, die die ukrainische Parlamentsabgeordnete Inna Sovsun aus ihrem Alltag bot, riefen an diesem 21. Februar tiefe Betroffenheit hervor; mit dem Wissen, dass parallel dazu Vernichtung und Tod fortdauern, wofür es keine Rechtfertigung gibt. Die Solidarität mit und Unterstützung der Ukraine darf drei Jahre seit Kriegsbeginn nicht nachlassen. In diesem Sinn mahnte der ukrainische Botschafter Vasyl Khymynets in Österreich: „Bitte bleiben wir weiterhin aufmerksam, weil die größte Gefahr für uns alle ist, dass Desinformation über den Krieg in Europa verbreitet wird.“ Durchhaltevermögen und Resilienz in diesen unbeschreiblichen Zeiten beweisen die Menschen in der Ukraine Tag für Tag. Dementsprechend geht es jetzt um noch mehr Zusammenhalt und ein stärkeres Zusammenwachsen in ganz Europa. Denn nur so vermeiden wir, dass über Europa ohne Europa entschieden wird. Notwendig dafür ist ein Frieden unter Sicherheitsgarantie.