Österreich: Ein Land muss scheitern lernen
Unternehmertum wird in Österreich immer noch aus einem veralteten Weltbild heraus betrachtet. Willkommen im Land der erfolgreichen Ausbeuter und gescheiterten Loser.
Wie oft haben so viele von uns von den Erfolgs-Storys von Unternehmer:innen gehört, die eine innovative Idee hatten, Tag und Nacht alles dafür gegeben haben, dass Arbeitsplätze entstehen können. Die dafür gekämpft haben, dass ihr Unternehmen expandieren kann. Die den Markt aufgemischt haben. Die dadurch schlussendlich zugunsten der Konsument:innen die Qualität verbessert, die Preise gesenkt und sich tagtäglich den neuen Herausforderungen in ihren Gebieten gestellt haben.
Trotzdem heißt es bei Unternehmer:innen, die mit ihrem Unternehmen gescheitert sind – selbstverständlich zulasten der Arbeitnehmer:innen, die ja zum Opfer der bösen Kapitalisten geworden sind und ausgebeutet werden – dass sie Loser sind. Dass eh schon lange klar war, dass ihr Geschäftsmodell keine Zukunft hat. Und dass sich durch die Verfahren massenweise Schulden angehäuft haben.
Keine einfache Situation für Unternehmer:innen, die über Jahre hinweg jeden einzelnen Tag ihr Bestes gegeben haben – für die Gesellschaft, im Endeffekt für jede und jeden von uns. Den Markt aufgemischt haben. Steuern gezahlt haben. Arbeitsplätze geschaffen haben. Wohlstand erwirtschaftet haben. Und doch sind die meisten „Freunde“ ganz schnell wieder weg.
Ein weiter Blick über den Atlantik – in die USA, genauer gesagt nach Kalifornien – zeigt, dass auch anders mit dem Scheitern umgegangen werden kann. Und zwar im Sinne des Gedeihens der besten Ideen. Dort ist man gewillt, von Personen zu lernen, die schon einmal oder sogar mehrmals mit ihren alten Business-Ideen gescheitert sind. Das ist etwas, wovon das österreichische Unternehmertum nur träumen kann.
Österreich braucht einen Paradigmenwechsel
Unternehmen heißt auch, das Unterlassen so gut wie möglich auszulassen. Was heißt das konkret? All jene, die sich schon einmal in einer so finanziell, psychisch und physisch desaströsen, ja fast schon vernichtenden Situation befunden haben, sich aufgerappelt haben und den Mut hatten, sich einer neuen Herausforderung zu stellen, sind so erfahren wie kaum ein anderer. Gerade deswegen sollte die öffentliche Hand alles in ihrer Macht Stehende tun, um Unternehmer:innen eine zweite Chance zu ermöglichen.
Die Misere beginnt schon bei den einfachsten Dingen: Die Erstellung eines Bankkontos, die für die Neugründung einer Gesellschaft notwendig wäre, ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Gezeigt hat das der Fall von Damian Izdebski, dessen Unternehmen DiTech im Jahr 2014 in die Pleite rutschte. Bei der Gründung seines neuen Unternehmens Techbold hatte er nach eigenen Angaben Glück im Unglück: Nach mehreren Anläufen bei verschiedenen Banken fand sich nur eine, die trotz früherer Insolvenz mit ihm arbeiten wollte. Alltägliche Nebensächlichkeiten werden durch früheres Scheitern zu einer Zumutung. Doch das ist in Österreich kein Thema – warum eigentlich?
Viel schlimmer noch ist es, dass bereits im Elternhaus oft das Dogma rund um den bösen, korrupten, ausbeutenden Unternehmer konstruiert wird, dessen Geschäftsmodell auf einem Prinzip des Glücksspiels basiert. Ein sicherer Job mit sicherem Einkommen wird großgeschrieben, fast schon in den Himmel gelobt. So schrecken wir schon junge Menschen vom Unternehmertum ab – obwohl vielleicht gerade sie Ideen hätten, von denen wir alle profitieren könnten.
Plötzlich will niemand mehr mit „gescheiterten“ Unternehmer:innen zusammenarbeiten, auf welcher Ebene auch immer. Es ist meine tiefste Überzeugung – und das zeigt sich auch in der Historie – dass Unternehmer:innen, deren Business-Modell gescheitert ist, ein enormes Potenzial abrufen können, um bei einem Neuanfang umso erfahrener und routinierter eine neue Innovation voranzutreiben. Dieses Denken ist in Österreich leider nicht vorhanden.
Im Rahmen der sogenannten FuckUp Nights finden in Wien beispielsweise regelmäßig Veranstaltungen statt, die gescheiterten Unternehmer:innen ein Podium bieten, um ihre persönliche Geschichte zu erzählen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch ist es Fakt, dass es in Österreich ein viel ausgeprägteres Bewusstsein zu unternehmerischem Scheitern braucht. Erfolg ist, von Misserfolg zu Misserfolg zu stolpern, ohne dabei das Warum zu verlieren – und es wird Zeit, das endlich zu begreifen.