Palästina: Anerkennung belohnt Terrorismus
Spanien, Irland und Norwegen wollen durch ihren Vorstoß, den Staat Palästina anzuerkennen, Druck auf Israel ausüben und einen Waffenstillstand herbeiführen. Doch eine Anerkennung zum jetzigen Zeitpunkt belohnt den Terrorismus und schafft nur Anreize für eine weitere Gewalteskalation durch die Hamas.
Die Bilder aus dem tobenden Krieg am Gazastreifen können uns kaum kalt lassen. Viele meinen, dass Israel mittlerweile mehrere Grenzen des Völkerrechts überschritten habe und zur Verantwortung gezogen werden müsse. Diese Meinung wird in den letzten Monaten durch oft antisemitische und teils sogar gewaltsame Proteste in der westlichen Welt, vor allem auf amerikanischen Elite-Universitäten, kundgetan.
Es steht der Zivilgesellschaft selbstverständlich zu, Aktionismus zu einer politischen Forderung zu tätigen, solange dieser im Rahmen der Gesetze bleibt. Staatliche Akteure hingegen sind gut beraten, ihre Tätigkeiten am Feld der internationalen Diplomatie nicht durch Aktionismus auszuzeichnen, sondern gut überlegte und auf Basis inhaltlicher Überlegungen getroffene Schritte zu setzen. Die Anerkennung eines nicht anerkennungsfähigen Staates fällt eindeutig in die erste Kategorie.
Anerkennung belohnt Terrorismus
Es dürfte gerade in Österreich nicht notwendig sein, diesen Satz zu wiederholen, trotzdem: Der brutale Hamas-Angriff am 7. Oktober war einer der schwersten Terroranschläge in der jüngeren Geschichte des Nahen Ostens und hat seit dem Holocaust die meisten Jüd:innen auf einen Schlag ums Leben gebracht. Diesen Angriff mit einer Anerkennung des palästinensischen Staates zu belohnen, würde das fatale Signal senden, dass diese Taktik erfolgreich sein kann. Denn die Schlussfolgerung der Hamas-Terrorist:innen, aber auch anderer Terrororganisationen weltweit, würde dann lauten: Je mehr Jüdinnen und Juden wir umbringen, desto eher erreichen wir unsere Ziele. Nicht nur ist das moralisch absolut abzulehnen, sondern es schafft als Präzedenzfall auch einen klaren Anreiz, politische Ziele durch Terrorismus und Mord zu verfolgen.
Wer wird anerkannt?
Die Montevideo-Konvention von 1933 legt Kriterien für die Existenz eines Staates fest. Ein Kriterium ist, dass der Staat eine Regierung hat. Das trifft auf einen Staat Palästina nicht zu, denn er hat zwei: im Westjordanland die palästinensische Autonomiebehörde bzw. die PLO, im Gazastreifen die Hamas. Die Staaten, die den Staat Palästina anerkennen, sehen die PLO als De-jure-Regierung des gesamten Staatsgebiets. Das ist allerdings reine Fiktion, denn seit dem Bürgerkrieg 2007 regiert unangefochten Hamas den Gazastreifen.
Fantasie kann keine Grundlage für Seriosität in internationalen Beziehungen sein. Im Gegenteil: Willkür und Faktenfreiheit schwächen die internationale regelbasierte Ordnung. Eine besondere Ironie lässt sich in der Tatsache finden, dass sich Spanien immer noch weigert, den doch eindeutig unabhängigen Staat Kosovo anzuerkennen.
Gemeinsame Außenpolitik?
Europa ist nur stark, wenn wir mit einer Stimme nach außen sprechen. Der Vertrag von Lissabon strebt eine einheitliche Außenpolitik der Europäischen Union an. Deshalb haben NEOS im EU-Wahlkampf die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in Sachen Außenpolitik gefordert, damit Entscheidungen schneller getroffen werden können und damit einzelne Länder das Vetorecht nicht missbrauchen können.
Unkoordinierte nationalstaatliche Alleingänge, wie jetzt von Spanien und Irland, schaden dieser Bestrebung und schwächen somit die Europäische Union auf der Weltbühne. Mitgliedstaaten wären gut beraten, ihre Verantwortung im Sinne des größeren Ganzen mit solchen Vorstößen nicht abzulegen.
Kritik an Israel? Gerne, aber mit Maß und Ziel
Die Befreiung der Geiseln ist eindeutig ein legitimes Kriegsziel im Sinne der Selbstverteidigung. Ebenso die Eliminierung der Führungsriege einer Terrororganisation, welche die Auslöschung eines ganzen Volks als grundlegendes Ziel in der Gründungscharta festgeschrieben hat. Das heißt nicht, dass Kritik an der Kriegsführung illegitim ist.
Ganz im Gegenteil: Netanjahu muss vor allem eine Vision liefern, wie langfristiger Frieden mit dem Nachbarn ausschauen kann, sowie einen klaren Umsetzungsplan für die Zeit unmittelbar nach dem Krieg. Die Hamas ist noch tief verankert in der Gesellschaft in Gaza. Die Führungsriege alleine zu eliminieren, wird nicht reichen, um danach einen demokratischen, funktionsfähigen Staat zu errichten.
Die internationale Gemeinschaft perpetuiert strukturell den Krieg
Der Konflikt nimmt eine Sonderstellung in der internationalen Gemeinschaft ein, auch wenn weit weniger Menschen sterben als in anderen Konflikten, wie aktuell im Sudan oder im Jemen. Die UNO-Struktur sorgt durch mehrere Maßnahmen dafür, dass der Kriegsstatus perpetuiert wird. Nur durch strukturelle Änderungen ist eine Annäherung möglich.
Ein Punkt ist, dass es keine Sonderdefinition von palästinensischen Flüchtlingen mehr geben darf. Der Begriff „Flüchtling“ ist in der Genfer Flüchtlingskonvention klar definiert und wird nur in diesem einen Konflikt ausgehöhlt. Dadurch, dass Nachfahr:innen von Vertriebenen aus 1948 als Flüchtling gelten, wird eine Art Rückkehrrecht für Millionen von Palästinenser:innen abgeleitet. Dabei wurde die Vertreibung von ca. 800.000 Araber:innen aus dem heutigen israelischen Staatsgebiet während der sogenannten Naqba weitgehend von den arabischen Nachbarstaaten als temporäre Maßnahme vorangetrieben, um diese vor ihrem letztendlich gescheiterten Auslöschungskrieg zu schützen. Wenn Menschen, die im gleichen Land leben, in dem sie geboren wurden, als „Flüchtling“ bezeichnet werden, wird kein nachhaltiger Frieden im Rahmen einer Zweistaatenlösung möglich sein.
Die gleiche Logik gilt für das eigens eingesetzte Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Die UNRWA betreibt Schulen, in denen der Holocaust nicht unterrichtet werden darf. Untersuchungen laufen immer noch, inwiefern UNRWA-Mitarbeiter:innen beim Terrorattentat des 7. Oktobers involviert waren. Für alle anderen Konflikte auf der Welt läuft humanitäre Unterstützung für Vertriebene seitens der UNO über den mit Expertise ausgestatteten, doppelten Friedensnobelpreisträger UNHCR.
Die Behandlung Israels im Rahmen der UNO trägt maßgeblich dazu bei, dass diese von Israel nicht die erwünschte Achtung erhält. Im UNHCR gibt es einen eigenen permanenten Tagesordnungspunkt zu Israel – das gibt es für kein anderes Land. Die Spezialrapporteurin für Palästina, Francesca Albanese, fällt regelmäßig durch Israelfeindlichkeit auf. Unter anderem behauptete sie, dass der Angriff vom 7. Oktober nichts mit Antisemitismus zu tun hätte, und dass die „Freilassung“ (statt Befreiung) der vier Geiseln letztes Wochenende zwar zu begrüßen sei, die Handlungen der israelischen Truppen dabei allerdings ein weiterer Ausdruck genozidaler Absicht seien. Ein friedensstiftender Dialog wird in einem solchen Umfeld kaum möglich sein.
Die Hamas profitiert vom Krieg
Dass die Hamas die eigene Bevölkerung stets als Schutzschild verwendet sowie deren Evakuierung regelmäßig verhindert, ist weitgehend bekannt. Neue Chats von Hamas-Chef Sinwar zeigen aber, dass aus seiner Sicht eine möglichst hohe Todeszahl und anhaltende Kämpfe Vorteile versprechen. Kein Wunder, dass die neuesten Verhandlungen über einen Waffenstillstand wieder aufgrund von Widerständen ins Stocken geraten.
Eine Terrororganisation braucht diesen Opferstatus, um überhaupt eine Daseinsberechtigung zu haben. Sie lebt von den schrecklichen Bildern, die ohne Faktenchecks innerhalb von Sekunden um die Welt gehen. Ihre Finanzierung, hauptsächlich aus dem islamistisch-autokratischen Iran, fußt ebenfalls auf dem andauernden Konflikt mit dem Nachbarn. Deshalb wird auch kein Frieden zwischen Israel und Palästina möglich sein, solange die Hamas im Gazastreifen noch an der Macht ist.
Jetzige Anerkennung führt nicht zum Frieden
Eine Anerkennung des Staates Palästina zum jetzigen Zeitpunkt würde die Hamas stärken und dadurch den Krieg in die Länge ziehen. Sie würde auch die seit Jahrzehnten beabsichtigte Isolierung Israels aus dem UNO-System verstärken, was den Friedensdialog erschweren würde.
Komplexe Probleme verlangen komplexe Antworten, und es gibt kaum ein komplexeres Problem auf der Welt als den Nahostkonflikt. Hastige Schritte und eilige Vorstöße tragen zu keiner Lösung bei, sondern sie erschweren die Bemühungen aller, die ein Interesse an anhaltendem Frieden haben. Deshalb ist eine Anerkennung Palästinas abzulehnen.