„Regierung beschließt Leerstandsabgabe.“ Tut sie das wirklich?
Seit 17. April ist es also beschlossene Sache: Die Leerstands- und Mindernutzungsabgabe kommt. Zumindest sagt das die Bundesregierung. Doch stimmt das? Und was genau ist die Leerstandsabgabe?
Jeder in Österreich weiß: Das mit dem Föderalismus, es ist kompliziert. Wie in jedem föderal organisierten Staat gibt es Kompetenzaufteilungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.
Beim Wohnen ist das nicht anders: Schon bisher war das „Volkswohnungswesen“ in der Gesetzgebung Bundessache – allerdings nicht die Sanierung und die Förderung von Wohnbau, diese Agenden liegen bei den Ländern. Und die sollen jetzt eine weitere Kompetenz bekommen: Abgaben für Leerstand und Mangelnutzung einzuheben. Sozusagen eine Steuereinhebungskompetenz aller Bundesländer.
Brauchen wir dieses Gesetz?
Funfact dazu: Die Leerstandsabgabe existiert bereits in drei Bundesländern, Wien könnte bald folgen.
- In Salzburg etwa zahlt man maximal 5.000 Euro mit den verschiedensten Abstufungen: Für eine Wohnung mit 50 m² zahlt man im Jahr maximal 500 Euro, im Neubau allerdings das Doppelte. Fällig wird die Abgabe, wenn man im Melderegister mehr als 26 Wochen nicht am Salzburger Wohnsitz gemeldet ist.
- Tirol hat mit Abstand die komplexeste Regelung: Dort variiert die Abgabe nach Nutzfläche und Region. Grundsätzlich gilt „zwischen 10 und 215 Euro pro Monat“ – außer es ist eine Vorbehaltsgemeinde, wo das Doppelte fällig ist. Das ist etwa in Innsbruck der Fall. In Tirol wie in Salzburg finden sich einige Ausnahmen: zum Beispiel, dass keine Abgabe entfällt, wenn zum ortsüblichen Mietzins nicht vermietet werden kann.
- In der Steiermark gibt es diese Ausnahme nicht. Heißt: Wenn ich niemanden finde, der mieten will, zahle ich die Leerstandsabgabe, allerdings höchstens 10 Euro pro m² und mit 1.000 Euro gedeckelt.
Der Laie stellt sich nun die Frage: Warum braucht es dann die Kompetenzverschiebung, die von der Bundesregierung als großer Wurf angekündigt wird?
Die Antwort führt uns in das Wien der 1980er Jahre. Damals hat man dort eine Leerstandsabgabe eingeführt – die allerdings für den Verfassungsgerichtshof zu hoch war, laut dem die Höhe der Abgabe in die Bundeskompetenz der Wohnraumbewirtschaftung eingriff. Das war bisher das Problem mit der Leerstandsabgabe: Ist sie zu hoch, ist sie rechtswidrig, ist sie juristisch einwandfrei, bringt sie zu wenig.
Leerstand, was ist das eigentlich?
Es stellt sich auch die Frage, was „Leerstand“ und „Mindernutzung“ überhaupt bedeutet. Denn die Bundesregierung hat dafür keine Definition festgelegt.
Ist es Leerstand oder Mindernutzung, wenn ich ein halbes Jahr in meinem Haus im Waldviertel lebe und ein halbes Jahr in der Wohnung in Wien? Was ist eigentlich, wenn meine Wohnung nicht vermieten will, weil mein Sohn in zehn Monaten zu studieren anfängt? Was passiert, wenn meine Wohnung niemand will? Ist es Mindernutzung, wenn ich auf 200 Quadratmetern alleine lebe? Und was ist mit mieterbedingtem Leerstand, etwa bei den sogenannten Friedenszinsmieten, in denen niemand wohnt?
Auf all diese und noch mehr Fragen hat die Regierung keine Antwort. Auch ist völlig unklar, wie viel Leerstand es überhaupt gibt und ob eine Leerstandsabgabe überhaupt einen Effekt hat. Über die Administrierbarkeit wurde auch kein einziges Wort verloren. Wer soll wie und wann feststellen, ob eine Wohnung leer ist oder nicht? Bringt diese Maßnahme mehr, als sie kostet?
Echte Probleme werden nicht angetastet
Die eigentlichen Probleme, die es im Zusammenhang mit dem Wohnungsmangel gibt, werden dafür nach wie vor nicht adressiert: Viele Wohnungen können gar nicht vermietet werden, weil die Bausubstanz zu schlecht ist. Dafür bräuchte es Investitionsanreize für Vermieter und einen Ausbau der Infrastruktur insbesondere in den ländlichen Gebieten Ostösterreichs, damit diese attraktiver zum Wohnen werden und Druck aus den Ballungszentren genommen wird. Zusätzlich müssten rechtliche und steuerliche Regelungen gefunden werden, die das Vermieten attraktiver machen.
Es erscheint generell verwunderlich, dass bei Rekordinflation und einer Steuerquote von über 43 Prozent über neue Steuern nicht nur nachgedacht wird – sondern dass diese auch noch mit der ehemaligen Wirtschaftspartei ÖVP beschlossen werden.