Scam mit Happy End?

Ich habe mich selten so dumm gefühlt wie in dieser Woche. Aber vielleicht gehört das dazu, wenn man lernt, wie Betrug funktioniert.
Was war passiert?
Ich wollte meiner 13-jährigen Nichte eine Freude machen. Sie ist riesiger Billie-Eilish-Fan – der größte überhaupt – und ihr Wunsch zum Geburtstag: ein Konzertbesuch in der Wiener Stadthalle. Klar, dass ich als gute Tante sofort in den Vorverkaufsstrudel eingetaucht bin. Erfolglos. Alles in Minuten ausverkauft. Also was tue ich? Ich klammere mich an jedes Gewinnspiel und klicke auf alles, was irgendwie nach Hoffnung aussieht. Ich hab Gewinnspiele in meiner Story geteilt, obwohl ich so etwas sonst nie mache, weil ich mich, und jetzt wird es lustig, schäme. Und dann kam das Angebot – über eine Facebook-Ortsgruppe einer Freundin. Ich könnte vier Tickets haben … Vier … Ich brauche nur zwei, hoffentlich gibt mir derjenige auch nur die zwei. Das war meine Sorge, nicht ob die tatsächlich echt sind. „E-Tickets, sicher, auf deinen Namen“, hieß es. Meine Freundin hat den Kontakt hergestellt. Ich habe nachgefragt, gezögert, trotzdem überwiesen. In eine Kryptobörse. Mehrmals.
Ja, ich weiß, meine Ausstiegsmöglichkeiten haben sich aneinandergereiht.
Ich habe die Red Flags gesehen. Ich habe sie sogar benannt – aber ignoriert. Weil der Wunsch, meiner Nichte diesen Abend zu ermöglichen, größer war als meine Vernunft. Weil ich geglaubt habe, dass Menschen, die ihre IBAN „nicht schicken können“, eben ein bisschen komplizierter sind – aber nicht gleich kriminell. Weil ich als Frau mit einem Hang zur Harmonie oft lieber glaube, dass alles gut wird. Vielleicht ist das naiv. Vielleicht auch einfach menschlich.
Als ich dann endlich ein „Ticket“ bekam, mit falsch wirkender Mailadresse, merkwürdigem Layout und komischen Formulierungen, habe ich trotzdem bezahlt. Noch einmal. Und erst als alles vorbei war, habe ich mir die Fragen gestellt, die ich mir vorher hätte stellen müssen.
Wer mir dann weitergeholfen hat? ChatGPT. Kein Scherz. Ich habe der KI das Ticket gezeigt, und sie hat mich zurück in die Realität geholt. Mit Fragen. Mit Fakten. Mit: „Das sieht leider nach Betrug aus.“ Und der Ticketanbieter hat das später auch noch bestätigt. Fake.
Die Konsequenz?
Meine Karte musste gesperrt werden. Zwei Wochen ohne Zugriff auf mein Konto, abgesehen von meinem Onlinebanking. Das jetzt ein neues Passwort hat, wo ich mir doch das alte endlich gemerkt habe. Ich durfte in der Bank mit gedämpfter Stimme erklären, warum ich auf einen Zahlungslink in einer Kryptobörse geklickt habe. Immerhin war die Mitarbeiterin verständnisvoll – sie sagte, das passiert vielen. Und sie hat recht:
Laut dem Cybercrime Report 2023 des Bundesministeriums für Inneres wurden im Jahr 2023 insgesamt 65.864 Fälle von Internetkriminalität zur Anzeige gebracht – ein Anstieg von 9,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders auffällig ist der Anstieg beim Internetbetrug, der um 23,3 Prozent auf 34.069 Fälle zugenommen hat. Die Aufklärungsquote liegt bei lediglich 31,6 Prozent.
Eine Sicherheitsstudie zeigt, dass 18 Prozent der Befragten bereits Opfer von Betrug bei Online-Transaktionen wurden. Besonders betroffen sind Frauen zwischen 25 und 45 – also meine Altersgruppe. Warum das so ist? Dafür habe ich keine Erklärung.
Der Weg zur Polizei war für mich wie ein schlechter Witz. „Na des Göd is weg“, war das Erste, was ich hörte. Willkommen bei meinem persönlichen Walk of Shame. Aber ich habe Anzeige erstattet. Und siehe da: Der Mann ist polizeibekannt. Das ist gleichzeitig beruhigend und erschütternd. Denn es zeigt: Ich war nicht die Einzige. Wir waren viele.
Wenn euch Ähnliches passiert, gibt es übrigens einige Anlaufstellen in Österreich:
- Cybercrime-Helpline der Stadt Wien: +43 1 4000-4006 (werktags von 7:30 bis 17 Uhr)
- Meldestelle für Internetkriminalität: E-Mail: against-cybercrime@bmi.gv.at
- Onlinesicherheit.gv.at bietet umfassende Informationen zu aktuellen Betrugsmaschen und Schutzmaßnahmen
- Polizeidienststellen: Anzeige erstatten ist wichtig, auch wenn man sich schämt.
Ich habe daraus gelernt. Und ich erzähle es, damit andere nicht dieselbe Lektion brauchen.
Ich will nicht zynisch werden. Ich will nicht aufhören, Menschen zu glauben. Ich will auch, dass es okay ist, Fehler zu machen – es ist ja immer wieder die Rede von der fehlenden Fehlerkultur in Österreich. Da, da ist sie, bitte schön!
Also ja: Ich wurde betrogen. Aber ich bin nicht allein, und ich hoffe, irgendeines der Gewinnspiele bringt mir doch noch Karten für Billie Eilish. Das Konzert ist heute, am 6. Juni, wenn das nicht klappt, dann probiere ich es vor Ort. Da wird mich schon keiner betrügen wollen. 😉 Sie muss da hin. Drückt uns die Daumen.