Schluss mit den Faxen
Ganz ehrlich: Wann hast Du zuletzt ein Faxgerät gesehen? In vielen Büros gibt es theoretisch noch die Möglichkeit, per Mail ein Fax zu versenden, aber sehr oft gibt es auch gar keinen Festnetzanschluss mehr dafür. Überraschenderweise funktioniert das Land ohne Fax aber trotzdem nicht, wie die aktuellen Nachrichten zeigen: „Fax-Verbot sorgt für Chaos im Gesundheitswesen“ titelte jüngst der Standard – und das 2025.
Vor 20 Jahren gab es die Aussendung „Faxen ohne Telefonanschluss“, weil schon damals der Wechsel auf das Internet als Kommunikationsweg eingeleitet wurde. Überraschenderweise wurde dies auch im österreichischen Gesundheitssystem antizipiert, und um diesen Wechsel voranzutreiben, wurde 2010 das Gesundheitstelematikgesetz novelliert. Mit dem Beschluss sollte die Digitalisierung forciert werden, um bei der Übermittlung von Gesundheitsdaten auch Datensicherheit zu einem Kriterium zu machen. Ärzt:innen, Krankenhäuser, Pflegeheime und Ambulatorien durften damit nur noch in Ausnahmefällen auf Fax zurückgreifen, bei Übertretungen wurden Verwaltungsstrafbestimmungen eingeführt. Bis heute ist unklar, ob jemals solche Verwaltungsstrafen verhängt wurden und wie festgelegt wurde, was als Ausnahme zählt. Mittlerweile scheint aber klar zu sein, dass die Ausnahme eher die Regel war.
Innovationstreiber Corona
Genauso wie in Österreich ist man in der Pandemie in Deutschland draufgekommen, dass weitaus mehr als erwartet per Fax abgewickelt wird – wobei unser Nachbarland die schöneren Überschriften dazu hatte, wie sehr Gesundheitsämter auf Fax zur Datenübermittlung angewiesen sind. Inhaltlich wurden damals aber auch in Österreich Widersprüche zwischen „Ausnahme“ und „Regel“ aufgezeigt. So wurde in eigenen Rundschreiben darauf hingewiesen, dass eine Faxübermittlung zur Einholung von Bewilligungen bei der Sozialversicherung aufgrund der Pandemie wieder erlaubt ist, ein klarer Hinweis also auf „Ausnahme“. Neu war die Übermittlung von Rezepten per Fax, was eine Erleichterung für Patient:innen bedeutete.
Nachdem Faxe aber von großen Datenmengen überfordert sind und die Übermittlung per Fax gleichzeitig eine sinnvolle Datennutzung verhindert, führte die Pandemie in vielen Ländern zu der Erkenntnis, dass die Zeit der Faxe vorbei sein sollte. Eine weitere Erkenntnis der Pandemie war aber jedenfalls, dass im Gesundheitsbereich und auch in Krankenhäusern viel mehr gefaxt wurde, als man dachte. Mit der Zeit sollten Pandemieausnahmen aber wieder ein Ende finden und so sollte nach zwei Jahren die Rezeptübertragung per Fax eingestellt werden. Als Ersatz war an einem e-Rezept mithilfe der ELGA-Infrastruktur gearbeitet worden, die „neue“ Möglichkeit wurde also in eine digitale Lösung überführt.
Digitale Lösungen wären zwar auch eine gute Neuerung gewesen, leider hat in der Pandemie aber niemand auf die veraltete Infrastruktur der Krankenhäuser geschaut. Dementsprechend häufig blieben Faxe, insgesamt liegt Österreich bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens nur im internationalen Mittelfeld. Zumindest die Pandemie-Ausnahme wurde 2022 nach der Einführung des „eRezepts“ wirklich wieder abgeschafft und 2024 das endgültige Ende des Faxes im Gesundheitswesen beschlossen.
15 Jahre Vorbereitung reichen nicht
Die lange Vorbereitungszeit von Ausnahme- auf Regelbetrieb scheint aber nicht gereicht zu haben. So wurde im Oktober 2024 beim Treffen der Landesgesundheitsreferent:innen thematisiert, dass ein Faxverbot in einigen Bereichen zu einem Ende von Datenübermittlungen führen würde. Besonders betroffen wären Pflegeheime, sowie die gesamte Kommunikation mit Ärzt:innen, Apotheken und Sozialversicherungsträger:innen und zwar in der Bandbreite von „Medikamentenbestellungen, Verordnungen oder Krankentransporte (…) speziell Arztbriefe und Pflegeberichte (…), auch Anträge, Verordnungen und Heilbehelfsanforderungen oder der so intensive Medikamentenbestellungsprozess mit den Ärzten und Apothekern.“ Kurzum: Das gesamte Gesundheitswesen funktioniert offenbar per Fax. Einige dieser Dokumente könnten zwar auch per ELGA nicht nur übermittelt, sondern für Patient:innen dauerhaft verfügbar gemacht werden, für die Übermittlung von Arztbriefen fehlt aber beispielsweise den meisten Pflegeheimen der ELGA-Anschluss.
Im Oktober 2024 haben die Bundesländer diskutiert, dass das Gesundheitsministerium ein Ende der Faxübermittlung vorschreibt und bei Verstößen Sanktionen androht. In Folge der Landesgesundheitsreferentenkonferenz wurde das Ministerium darauf hingewiesen, dass bezüglich der technischen Voraussetzungen Ungewissheit herrsche und beim Einkauf von alternativen Technologien Wildwuchs drohe. Eigentlich eine unterhaltsame Anmerkung, wenn man bedenkt, dass ein Fax zu diesem Zeitpunkt seit mehr als zehn Jahren nur eine Ausnahmelösung sein sollte, sichere Datenübertragung mittlerweile ein bekanntes Konzept sein sollte, Krankenhäuser Patient:innendaten automatisch in ELGA einspeichern sollten und die Pandemie dafür sorgen hätte sollen, dass man längst überfällige Investitionen in die Digitalisierung einfach nur zur besseren Datenverfügbarkeit zwischen verschiedenen Behandler:innen endlich angeht. Wobei das schon sehr viele Konjunktive sind.
Dementsprechend wenig überraschend war im Dezember 2024 die Kritik an dem Ende der Faxübermittlung. Weitaus überraschender ist, dass die ÖGK, soweit ersichtlich, zumindest ab Anfang Dezember 2024 eine eigene Informationsseite zur Fax-Ablöse online gestellt hat und zwei alternative Übermittlungswege für betroffene Daten anbietet. Die Ärztekammer kritisiert jetzt, dass dieses Portal der ÖGK zu kompliziert sei, mangelnde Vorbereitung kann man ihr in diesem Fall aber nicht vorwerfen.
Überraschung über erwartbares Chaos
Es kam, wie es kommen musste: 2025 hat begonnen, es war Schluss mit Faxen. Ende Jänner beschwerten sich die steirischen Krankenhäuser, dass es keine Anbindung an die neuen Programme der ÖGK gäbe. Wo welche Schnittstelle vorhanden ist und wie die verschiedenen IT-Systeme miteinander kommunizieren können, weiß kaum jemand – eines der klassischen Probleme im Gesundheitswesen: Jedes Krankenhaus und jedes Pflegeheim hat eine eigene IT. Wenn es gut gegangen ist, haben die Bundesländer es in den vergangenen zehn Jahren geschafft, dass zumindest die Krankenhäuser einer Betreiberin oder eines Betreibers miteinander kommunizieren können, also beispielsweise bei meinem Besuch im Landeskrankenhaus Lilienfeld auch Zugriff auf die Befunde oder Röntgenbilder vom vorhergegangenen Besuch im Landeskrankenhaus St. Pölten abrufbar sind.
Bei den Arztpraxen sind die Informationen über die technische Anbindung noch schwieriger zu finden, immerhin kann jede:r Ärzt:in selbst aussuchen, welche Ordinationssoftware verwendet wird. Theoretisch hat die ÖGK für die Umstellung ihre Hausübung gemacht und eine Alternative entwickelt. Ob oder wann mit Krankenhäusern, Pflegeheimen und den Ärztekammern über technische Zugriffe gesprochen wurde, ist allerdings unklar. Das Pech der ÖGK ist jetzt, dass sie ein Schuldiger für ganz Österreich ist und deswegen im medialen Narrativ verantworten muss, dass Befunde, Rezepte oder sonstige Unterlagen aus Datenschutzgründen mit Taxis oder Rettungsautos transportiert werden.
Was keiner weiß, ist, wie häufig das zwischen Krankenhäusern und Pflegeheimen, Arztpraxen und Pflegeheimen oder Arztpraxen und Krankenhäusern passiert. Da gäbe es genauso digitale Alternativen zum Fax, die vor Jahren eingeführt werden hätten können. Passiert ist es nicht und der Transport mit Rettung und Taxi ist jetzt kaum die Einsparung, die man sich von der Digitalisierung erhofft hätte. Gemessen an der mangelnden Abstimmung zwischen den Playern und auch den mahnenden Ankündigungen der vergangenen Jahre war leider absehbar, dass es bei der Umstellung zu Problemen kommen wird. Mit dem Ausmaß haben aber viele wohl doch nicht gerechnet, weshalb man nur hoffen kann, dass es zumindest als Mahnung dient und Digitalisierung in Zukunft viel mehr gemeinsames Bestreben anstatt Sonderprojekt von jeder und jedem einzelnen Beteiligten im Gesundheitsbereich ist.