Schluss mit der Bürokratie in der Schule
Kinder, Jugendliche, Eltern, Lehrkräfte – sie alle merken es. Österreichs Schulen ersticken in Bürokratie. Das zeigt auch eine Befragung von Lehrkräften: Nur noch 6 Prozent geben an, mit ihren Arbeitsbedingungen „sehr zufrieden“ zu sein.
Wofür ist eine Schule eigentlich da?
Diese Frage kann man philosophisch anlegen. Gerade wenn es um Lehrpläne geht, merken ja viele nicht ganz zu unrecht an, dass man nicht nur für den Arbeitsmarkt lernt, sondern für das Leben. Gleichzeitig geht es meist um den Berufsalltag, wenn wir davon reden, junge Menschen „auf das Leben“ vorzubereiten. Wo fängt das Sinnlose an, wo hört die Bereicherung auf, was soll Bildung leisten – man könnte sich darüber stundenlang unterhalten.
Aber in einem sind sich doch alle einig: Die Schule ist ein Ort, an dem junge Menschen etwas lernen sollen. Was dieses etwas ist, darüber kann man streiten, aber dass das passieren muss, darüber sind sich alle einig. Und jene, die ihnen dabei helfen sollen, sind ihre Lehrkräfte: Die sind g’scheit, die haben was studiert, die kennen sich aus, und die sollen diese Köpfe jetzt mit allerlei Wissen füllen.
Warum reden wir darüber, was Schule eigentlich soll? Aus demselben Grund, aus dem sich viele Schüler:innen diese Frage stellen: weil die Lehrkräfte dieser Aufgabe nicht ausreichend nachkommen können.
Kafkaesker Arbeitsalltag durch Bürokratie
Denn Lehrkräfte widmen sich eben nicht nur ihren Schüler:innen – sondern auch der Bürokratie, die jeden Tag anfällt. Da müssen Formulare ausgefüllt und Listen erstellt werden. Sie sammeln das Geld für die Ausflüge ein, füllen Anträge aus, kümmern sich um die Reiseabrechnung und um die Software-Lizenzen für den Unterricht. Sie erstellen Zeugnisse, stellen Frühwarnungen und Zeitbestätigungen aus. Und viele dieser Aufgaben erledigen sie nicht nur einmal, sondern mehrfach. Nicht jede Schule hat eine zentrale Datenbank, in der alles gesammelt ist.
Eine Studie, die das Meinungsforschungsinstitut von Peter Hajek im Auftrag von NEOS erstellt hat, zeigt: Für drei Viertel der Lehrkräfte sind Administration und Bürokratie der größte Zeitfresser im Berufsalltag. Darunter fallen immer wieder auch Aufgaben, die eigentlich in ein anderes Jobprofil fallen würden: eine Art „mittleres Management“ im Unternehmen der Schule, das bürokratische und organisatorische Aufgaben übernimmt.
Vor allem geht es den befragten Lehrkräften um ein besonderes Reizwort: Listen. Diese müssten regelmäßig erstellt werden, die meisten davon werden in der Branche als hochgradig sinnlos gesehen. Sie erstellen Statistiken, schreiben Berichte und Protokolle, die dann in Akten abgelegt werden – Dokumentationspflicht erfüllt! – und nie wieder gesehen werden. Und die auch keinen Mehrwert für den Unterricht haben: Der bleibt bei dem ganzen Administrationsaufwand nämlich leicht auf der Strecke. NEOS sammelt gerade Unterschriften für eine Petition gegen die Bürokratie im Schulalltag.
Eine Sammlung von Absurditäten
Dass Lehrkräfte selbst die Liste führen, wer in ihrem Unterricht wie oft abwesend ist, ist eine Tatsache, die viele noch verstehen werden. Dass sie sich mit der Bestellung und Abrechnung der Schulmilch beschäftigen? Schon eher weniger.
Und auch die Zeiterfassung für Lehrkräfte hat es in sich: Um einen Normwert zu erfüllen, müssen sie einen „Jahresnormrechner“ ausfüllen, in dem sie ihre Arbeitszeit in diverseste Bereiche aufschlüsseln.
Zeiterfassung für Lehrkräfte: Zusatzaufwand im farbigen Excel
Gerade in den Bereichen Integration und Inklusion – also der Förderung für Schüler:innen, die z.B. Deutsch nicht als Muttersprache haben – ist die Dokumentation besonders ausführlich. So müssen bei so mancher Sprachprüfung sämtliche Antworten der Prüflinge von Lehrkräften manuell in ein Formular übertragen werden. Für jede (genormte) Übung, die mit den betroffenen Schüler:innen durchgeführt wird, muss auf Papier eingetragen werden, wie viele davon „auffällig“ waren und wann die Schulleitung dazu kontaktiert wurde. Mehrere Extraschritte, die dort fehlen, wo sie nötig wären: im persönlichen Kontakt mit Schüler:innen, die besonders viel Hilfe brauchen könnten.
Dokumentationsformular für Lehrkräfte
Diese Auswüchse haben Folgen: Laut Auskunft eines Lehrergewerkschafters kündigen in Österreich jeden Tag drei Lehrkräfte ihren Job. Kein Wunder: Immerhin geben nur noch 6 Prozent von ihnen an, mit ihren Arbeitsbedingungen „sehr zufrieden“ zu sein. Dieser Wert hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert – ähnlich wie das Image des Berufs. Dabei zeigt eine Studie des Stifterverbands, dass Spaß an der Arbeit der wichtigste Faktor für angehende Lehrer:innen ist: noch vor Einkommen und Sicherheit.
Auch wenn es um die Lösungen geht, geben die befragten Lehrkräfte übrigens klare Antworten: 51 Prozent – vor allem an großen Schulstandorten – wünschen sich administrative Entlastung, 18 weitere wünschen sich mehr Unterstützungspersonal wie Schulpsycholog:innen oder Sozialarbeiter:innen. Aber auch weniger Schüler:innen pro Klasse, mehr und bessere Räumlichkeiten, besseres Unterrichtsmaterial und neue technische Ausstattung werden oft genannt. Genau wie „mehr Autonomie“.
Versagen im Bildungssystem
Schulen sind dazu da, jungen Menschen etwas beizubringen. Aber solange sich alle, die im Bildungssystem arbeiten oder auch nur damit zu tun haben, mit sinnloser Bürokratie beschäftigen müssen, werden sie daran aktiv gehindert. Jede Stunde, die eine engagierte Lehrkraft damit verbringt, sich durch Formulare zu kämpfen, ist eine Stunde weniger, die in den Leben der Kinder und Jugendlichen einen Unterschied macht. Damit wird die Kernaufgabe des Bildungssystems versäumt.
Dieser Bürokratie-Apparat rund um die Schulen gehört schleunigst entrümpelt. Denn momentan produziert das Bildungssystem g’scheite Leute nur auf Sparflamme. Wenn die Politik ihrer Aufgabe nachkommen und dafür sorgen würde, dass Lehrkräfte auch vernünftig und ungestört arbeiten können, wäre da viel mehr drin – und dann müssten wir nicht mehr diskutieren, wofür die Schulen eigentlich da sind.