Silvesterfeuerwerk: Der lange Schatten der Pyrotechnik
„Die armen Viecherl“: Pünktlich vor dem Jahreswechsel flammt sie wieder auf, die Diskussion ums Silversterfeuerwerk. Kritiker:innen sehen offenbar das Leid der Tiere durch laute Böller als stärkstes Gegenargument, doch die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt sind nicht weniger schlimm.
Die Debatte wird jedes Jahr auf die gleichen Punkte reduziert: Böller sind laut („Die armen Tiere!“), Böller sind gefährlich, Böller verletzen Menschen. Das stimmt alles. Aber nur die unmittelbaren Gefahren zu sehen, greift zu kurz. Denn nicht nur die laute Explosion ist ein Problem, sondern das Feuerwerk als Ganzes. Es ist ein Ritual, das ökologisch, gesundheitlich und gesellschaftlich aus der Zeit gefallen ist.
Die tragischsten und augenscheinlichsten Auswirkungen sind die hunderten, teils schweren Unfälle mit Böllern und Pyrotechnik, die besonders Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren treffen und alljährlich die Notaufnahmen der Krankenhäuser belasten. Weniger offensichtlich ist die massive Umweltbelastung, die Feuerwerke in extrem kurzer Zeit produzieren: Die Feinstaubwerte schießen in der Silvesternacht in Städten regelrecht in die Höhe. Darunter leiden in erster Linie Menschen mit Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ältere Menschen und kleine Kinder.
Besonders in den ersten Stunden des neuen Jahres liegen die Feinstaubkonzentrationen vielerorts deutlich über den EU‑Grenzwerten, und sind oft höher als an jedem anderen Tag des Jahres. Diese Partikel dringen tief in die Lunge ein, verschärfen Atemwegserkrankungen und können Herz‑Kreislauf‑Probleme begünstigen. Kurzfristig führt das zu mehr Atembeschwerden und Hospitalisierungen, längerfristig trägt es zur Belastung chronisch vorbelasteter Personen bei. Wer schon einmal frühmorgens durch die Wiener Innenstadt von einer Silvesterparty nach Hause gegangen ist, kennt den unverwechselbaren Geruch und den Feinstaubnebel, dem man nicht entkommen kann (und der dem „Kater“ am nächsten Tag auch nicht gerade zuträglich ist).
Tiere als Leidtragende
Apropos Kater: Für Tiere ist Silvester purer Stress mit realen Folgen. Das laute, plötzliche Lärm‑ und Lichtchaos kann panikartige Reaktionen auslösen, bei Haustieren genauso wie bei Wildtieren. Während sich Hund und Katz theoretisch noch zuhause verkriechen und zumindest auf den Beistand ihrer Besitzer:innen zählen können, stellen Feuerwerke für Wildtiere ein ernstes Risiko für Leib und Leben dar. In Panik versuchen sie zu fliehen, verletzen sich dabei an Zäunen oder Mauern, verlieren die Orientierung oder werden Opfer von Kollisionen. Sie werden aus dem Schlaf gerissen, verbrauchen unnötig viel Energie, die besonders im kalten Winter lebensnotwendig ist, und flüchten oft atypisch weit aus ihrem Lebensraum. Das Argument der „armen Viecherl“ ist also nicht nur sentimentaler Art.
Kurzes Spektakel, lange Auswirkungen
Und auch die Umwelt leidet. Nach dem Jahreswechsel bleiben große Mengen Müll zurück: Raketenstäbe, Karton, Plastikreste, Drähte und chemisch kontaminierte Hülsen. Diese werden von Reinigungsteams mühsam eingesammelt oder wehen monatelang durch Parks, Grünanlagen und Straßen. Der Aufwand, diese Materialien zu entsorgen, fällt jedes Jahr der Allgemeinheit zur Last – und steht in keinem sinnvollen Verhältnis zu der kurzen Dauer der Show.
Feuerwerkskörper hinterlassen nicht nur sichtbaren Abfall, sondern auch unsichtbare Chemikalien: Sie bestehen aus Schwarzpulver, Oxidationsmitteln und Metallverbindungen (Kupfer, Barium, Strontium), die für Farben und Effekte sorgen. Bei der Explosion gelangen diese Stoffe nicht nur in die Luft, sondern fallen als chemische Rückstände auf Böden und in Gewässer. Einige davon sind hoch wasserlöslich und können Trinkwasserquellen und Ökosysteme beeinträchtigen, was wiederum Mikroorganismen, Pflanzen und Wasserlebewesen belastet, die auf saubere Umweltbedingungen angewiesen sind.
Verboten, aber mit Ausnahmen
Österreich regelt all das bisher halbherzig. Zwar ist Feuerwerk im Ortsgebiet grundsätzlich verboten, doch Gemeinden dürfen Ausnahmen erlassen – und tun das auch regelmäßig für die Silvesternacht. Das Ergebnis ist ein Fleckerlteppich aus Regeln, Ausnahmen und Grauzonen, der niemanden wirklich zufriedenstellen kann. Verantwortung wird nach unten delegiert und an die Vernunft der Menschen appelliert – dass das nicht funktioniert, zeigt sich jedes Jahr von Neuem.
Die Niederlande haben sich für einen anderen Weg entschieden: Ab 2026/27 soll privates Silvesterfeuerwerk dort weitgehend verboten sein. Das wäre auch für Österreich wünschenswert: Keine kommunalen Schlupflöcher, keine zeitlich begrenzten Sondergenehmigungen, sondern eine klare, bundesweite Regelung. Nicht aus Spaßverderberei, sondern aus dem Bewusstsein heraus, dass Freiheit dort endet, wo sie anderen schadet.
Längst haben Laser- und Drohnenshows – die durch das gleichmäßige, nicht zu grelle Licht und das Ausbleiben von Knallgeräuschen auch für Tiere erträglicher sind – in vielen Teilen der Welt das traditionelle Feuerwerk ersetzt. Was spricht dagegen, auch bei uns daraus ein gemeinschaftliches Spektakel zu machen, und am nächsten Tag mit entspannten Haustieren und bei guter Luft ins neue Jahr zu starten?