Taylor Swifts Konzertabsage: Und was machen wir jetzt?
„Da hat jemand geplant, mich umzubringen, weil ich so lebe, wie ich lebe“.
Auch als jemand, der keine Konzert-Tickets hat, ist es schwer, keine Empathie für die enttäuschten Swifties zu empfinden. Man kann abfällig belächeln, wenn Menschen weinen, weil ein Konzert abgesagt wird – aber dieser Satz einer Freundin hat mir emotional verdeutlicht, was die Absage der Konzerte bedeutet. Es geht nicht nur um Musik. Ging es vielleicht auch nie.
Es hätte der popkulturelle Höhepunkt des Jahres werden sollen. Stattdessen: Frustration, Wut, Ohnmächtigkeitsgefühle. Anschlagspläne bei der Pride Parade, Vorbereitungen gegen den größten Popstar unserer Zeit in Wien. Die Entwicklung reiht sich in eine Reihe von Negativtrends, die uns über soziale und klassische Medien erreichen. Neue Hitzerekorde, nächste Gewalttat, noch eine Umfrage, die zeigt, dass der Rechtsruck unmittelbar bevorsteht. Man fragt sich: Ist das alles jetzt normal?
Nein, das ist es nicht. Aber das könnte es werden, wenn wir nicht endlich die richtigen Lehren in der Sicherheitspolitik ziehen.
1. Tun wir nicht so, als hätten wir keine Probleme
Tun wir nicht so, als würden wir das nicht kennen. Dass man versteht, dass man Menschen helfen muss, die vor dem Krieg fliehen, aber plötzlich darüber nachdenkt, zu welchem Preis. Wenn es bedeutet, dass wir nicht mehr nach unseren Werten leben können, weil die Geflüchteten hier weiter Krieg spielen wollen – dann eben nicht mehr.
Dass der Verdächtige im Fall Taylor Swift nordmazedonische Wurzeln hat, ist nur ein rationales Gegenargument. Gefühlt ist da ein „Die“, das konfus genug ist, um all die positiven Integrationsgeschichten einzuschließen, weil man sie nicht mit der gleichen Wucht wahrnimmt. Und das gleichzeitig konkret genug ist, um zu wissen, wer definitiv gemeint ist.
Es ist dieses „Die“, das Christoph Wiederkehr zuletzt in der ZIB2 als „Gfrasta“ bezeichnete. Was einige aufregt, ist eigentlich noch harmlos. Wie soll man Straftäter, teilweise Jugendliche, die aufgrund ethnischer Kategorien im öffentlichen Raum aufeinander losgehen, denn sonst bezeichnen? Welches Wort hat man für Menschen, die andere für ihre Sexualität, für ihre Herkunft attackieren? Rassisten, Chauvinisten, Xenophoben – so nennen wir sonst nur die Rechten, mit denen diese Leute vieles gemeinsam haben. Aber wenn ich mir einen Begriff aussuchen müsste: „Gfrasta“ wäre noch der harmloseste.
Aber wenn wir so tun, als gäbe es dieses „Die“ nicht, lösen wir kein Problem, sondern machen ein neues auf. Wenn Menschen um ihre Sicherheit fürchten – und ich bin mir sicher, einige Swifties in Wien überlegen diese Tage zweimal, bevor sie zu einer der zahlreichen Ersatzveranstaltungen gehen – hilft es nicht, so zu tun, als wäre alles unter Kontrolle. „Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen“. Wer sich von der Politik ignoriert fühlt, landet nur bei einfachen Antworten auf komplexe Probleme. Und sagt dann vielleicht doch: „Einfach alle abschieben“.
Wer ernsthaft an Lösungen arbeiten will, darf die Probleme nicht leugnen. Und ja, da gehört implizite Selbstkritik dazu: Straftaten zu sehen heißt auch, einzugestehen, dass man Verbrechen noch nicht auf null reduziert hat. Eine unangenehme Message, gerade in einem Wahlkampf, in dem Sicherheit ein großes Thema ist. Aber die Minimalgrundlage für jede politische Lösung.
2. Zusammen statt gegeneinander
Nicht nur, aber auch in der Sicherheitspolitik blockieren vor allem zwei Dinge: Föderalismus und Wahlkampf. Föderalismus, weil man in der Politik immer die Karte des Kompetenzkonflikts spielen kann: „Da bin ich gar nicht zuständig“. Bundes- und Landesregierung putzen sich gegenseitig aneinander ab. Und Wahlkampf, weil die österreichische Politik gelernt hat, dass Fehler zugeben böse ist. Eine Änderung der eigenen Position ist eine Niederlage – vor allem in einer Zeit, wo (angeblich) alle besonders genau hinschauen.
In der Praxis bedeutet das: Alle im System können auf den jeweils anderen verweisen. Bei der Bodenversiegelung etwa verweist der Bund auf die Länder, die in der Raumplanung versagen, gleichzeitig hätte die Bundesregierung selbst eine Obergrenze für Bodenverbrauch festlegen können. Oder nehmen wir das Beispiel Wohnen, wo die Bundesregierung weiterhin Geld für die „Wohnbauförderung“ an die Länder schickt, aber dann nur beobachtet, dass das Geld nicht für Wohnbau ausgegeben wird. Wer ist Schuld? Das Land, das seiner Aufgabe nicht nachkommt? Oder der Bund, weil er keine Sanktionen einführt? Politisch ist das Fazit einfach: Am Ende fühlt sich niemand zuständig.
Das führt aber auch dazu, dass echte Kompetenzkonflikte nicht gelöst werden können. Wenn die Stadt Wien etwa darauf hinweist, dass sie mehr Polizei braucht, muss sie mit dem Bund reden: Denn Sicherheit, das ist einfach ein Fakt, ist Bundessache. Als Antwort auf diesen Ruf kommt – trotz der realen Notwendigkeit – ein reflexartiges „Wien muss seine Probleme selbst lösen“, das Integration und Sicherheit vermischt. Ja, Wien muss im Bereich Integration etwas tun, und vieles passiert schon. Aber den Ruf nach mehr Polizei mit „Hällabätsch“ zu quittieren und die Sicherheit in Wien als Wahlkampf-Hickhack zu framen, ist das Gegenteil einer Lösung.
3. Einfach mal machen
Und was heißt das jetzt konkret? Vor allem, dass über Partei- und Landesgrenzen hinaus zusammengearbeitet werden muss, um Reformen umzusetzen. Und da gibt es schon einige Punkte, die „auf dem Tisch liegen“, wie man in Österreich euphemistisch sagt, bei Dingen, die seit Jahren und Jahrzehnten klar wären.
Das heißt auch: Mehr Polizei dort, wo man sie braucht. Alleine der Wiener Bezirk Favoriten hat mehr Einwohnerinnen und Einwohner als Linz – aber weniger Einsatzkräfte. Aber es wird nicht nur Wien sein. Egal welcher Ort, egal welche Koalition dort in Verantwortung ist: Das darf keine Rolle spielen, wenn es um Sicherheit geht.
Und: Straffällige gehören abgeschoben. Einerseits, um das Sicherheitsrisiko und den Missbrauch des Bleiberechts abzustellen, andererseits aber auch im Interesse der unzähligen Positivbeispiele im Bereich der Integration. Denn die bekommen nach wie vor Diskriminierung zu spüren, die sie nicht verdient haben. Dafür braucht es Rückführungsabkommen in die Staaten, aus denen sie herkommen.
Es gäbe noch zahlreiche andere Punkte, die im Sicherheitsbereich wichtig wären. Aber das wichtigste ist wahrscheinlich, dass man sich trotz Wahlkampf traut, sie anzufassen. Und ganz ehrlich: Wäre es so ein Nachteil, das einfach zu machen? Was fürchtet die ÖVP? Dass sie Wien mehr Polizei gibt und die Wiener dann trotzdem in Scharen SPÖ wählen, weil der Bürgermeister ausrichtet, sie sei zu spät gekommen? Wenn wir von diesen Planspielen wegkommen, werden Lösungen möglich. Und ich würde sogar meinen, das würde sich im Wahlkampf lohnen.
Was tun wir also nach der Absage der Taylor-Swift-Konzerte? Eigentlich das gleiche, was in jedem anderen Politikbereich auch nötig wäre: Das Problem nicht leugnen, Föderalismus und Wahlkampf ignorieren, und endlich die Lösungen umsetzen, die seit langem am Tisch liegen. Ob das in einem Nationalratswahlkampf möglich ist, werden wir sehen. Notwendig wäre es allemal.