Vorschläge zur Aufwertung des Parlaments
Wer beruflich mit dem Parlament zu tun hat, bekommt oft die Frage gestellt, wie man das denn aushalte. Immerhin werde dort nur gestritten, denken die meisten.
Doch seit das alte Parlament neu eröffnet wurde, kommen manchmal auch hoffnungsvolle Worte hinzu. „Das ist wirklich schön geworden“ zum Beispiel, oder: „Gut, dass die Demokratie wieder diesen Raum hat.“ Und: „Vielleicht ändert sich jetzt auch etwas im Ton.“
Zusammenarbeit im Parlament: Besser als ihr Ruf
Ja, hoffentlich ändert sich etwas. Schließlich gibt es immer etwas zu verbessern. Denn Politik ist der Ort, an dem wir uns ausmachen, wie wir miteinander leben. Und die Gesetzgebung, also das Parlament mit seinen gewählten Volksvertreter:innen, ist dafür natürlich ganz zentral. Aber leider nicht so zentral, wie es sein sollte. Warum eigentlich?
Zunächst muss erwähnt werden, dass man als Mitarbeiter:in den Befund, dass nur gestritten wird, gar nicht teilt. Es gibt unzählige freundliche und sachliche Gespräche mit Kolleg:innen anderer Fraktionen. Sowohl auf Ebene der Klubdirektor:innen, auf Ebene der Fachreferent:innen als natürlich auch auf Ebene der Abgeordneten. Klarerweise, denn oft arbeitet man über viele Jahre zusammen, trifft sich unzählige Male bei verschiedenen Besprechungen und Verhandlungen. Man muss konstruktiv zusammenarbeiten. Persönliche Beleidigungen wären in diesem Setting – naheliegenderweise – undenkbar. Das Bild, das nach außen dringt, ist aber, zugegeben, nicht das gleiche.
Der Ton wäre wohl ein anderer, wenn es ein Arbeitsparlament wäre. Dann müsste man über Details in Sachen Legistik, wissenschaftliche und evidenzbasierte Basis oder budgetäre Effekte streiten. Diese Arbeit stünde somit im Mittelpunkt – Wortgefechte gäbe es natürlich immer noch, aber das Parlament könnte sachlicher werden. Zumindest gäbe es Hoffnung, dass in Wahlkampfzeiten nicht nur oberflächliche Debatten nach außen dringen.
Was ein „Arbeitsparlament“ braucht
Wer die Debattenkultur also beleben will, muss die parlamentarischen Dienste stärken – also den legislativen, den wissenschaftlichen und den Budgetdienst. Denn momentan bekommt das Haus von diesen Diensten noch nicht ausreichend. Wenn alles bleibt, wie es ist, wird das Parlament diese Rolle nie ganz erfüllen können: Es bliebe bei oberflächlichen Wortgefechten, die dem Vertrauen in die Politik nicht dienlich sind.
Die meisten Gesetze entstehen in den Kabinetten der Regierung und werden dann – leider immer weniger – durch die legislative und wissenschaftliche Expertise der Sektionen in den Ministerien zu Gesetzesvorhaben, die auch „Regierungsvorlagen“ genannt werden. Dem Parlament werden sie danach zur Beschlussfassung vorgelegt. Meist passiert das ohnehin mit einer Regierungsmehrheit, die durch einen traditionell starken Klubzwang abgenickt wird.
Über die Qualität der Gesetze lässt sich streiten, doch der Trend ist kein guter. Aber das Parlament kann ihm nur wenig entgegensetzen, denn es ist noch nicht da, wo ein selbstbewusster Gesetzgeber sein will.
Drei Punkte für bessere parlamentarische Arbeit
Legislatives Know-how in der Legislative? Nicht in Österreich. Die meisten Legistiker:innen, also Expert:innen im Verfassen und Abstimmen von Gesetzestexten, die darauf achten, dass Gesetze klar und deutlich dem entsprechen, was der Gesetzgeber will, sitzen in den Ministerien, im Bundeskanzleramt und im Verfassungsdienst. Zum Vergleich: Praktisch jedes andere Parlament der westlichen Welt unterhält einen gut ausgestatteten Legislativdienst. Auch im deutschen Bundestag und im US-Senat haben Abgeordnete und Fraktionen die Möglichkeit, den Rechts- und Legislativdienst ihres Parlaments um Hilfe zu ersuchen. Das sollte es auch in Österreich geben – hierzulande untersteht dieser Dienst aber nur dem Nationalratspräsidenten.
Evidenzbasierte Debatten. Ein komplexeres Thema, aber deswegen nicht unwichtiger. Aber auch hier wurden in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Zumindest was die Ressourcen betrifft – zum Beispiel durch das Projekt „Foresight und Technikfolgenabschätzung (TA)“, das seit Mitte 2017 läuft und die Abgeordneten zu Zukunftsthemen wissenschaftlich beraten soll. Seither werden die Abgeordneten etwa alle sechs Monate mit Berichten über wichtige technische Entwicklungen und deren Auswirkungen informiert. Künftig soll das Projekt noch breiter aufgesetzt und stärker an die Bedürfnisse des Parlaments angepasst werden, hieß es kürzlich erst. Sehr gut.
Letztendlich hängt eine evidenzbasierte Debatte aber, neben den Abgeordneten, vor allem am Wissen und der Arbeitsweise der Mitarbeiter:innen im Klub. Auch dafür braucht es ein entsprechendes Budget.
Gesamtschau der in Zahlen gegossenen Politik: der Budgetdienst. Dieser ist ein achtköpfiges Team aus Expert:innen, dessen Mehrwert für die nachhaltige Budgetpolitik nicht hoch genug eingeschätzt werden kann – trotz geringer Ressourcen. Mit lediglich acht Mitarbeiter:innen, die im Budgetdienst tätig sind, davon sechs akademisch ausgebildete Fachexpert:innen und zwei Assistent:innen, erledigt dieser folgende Analysen, um die Arbeit des Parlaments auf einer sachlichen Ebene zu untermauern:
- makroökonomische Analysen, z.B. Schätzungen der finanziellen Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung
- Nachhaltigkeits-Analysen, z.B. Überprüfung größerer Programme und Maßnahmen auf ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit
- Verteilungs-Analysen, z.B. Auswirkungen budgetpolitischer Maßnahmen auf Individuen und Haushalte
- Analysen zu finanziellen Effekten spezifischer Maßnahmen und Programme, z.B. von steuerlichen Maßnahmen oder Transferprogrammen
Der Budgetdienst erfüllt seine Aufgaben unabhängig unter Beachtung der Grundsätze der Unparteilichkeit, der Äquidistanz und Gleichbehandlung aller Fraktionen sowie der Objektivität und Transparenz. Es gibt eigentlich nichts am Budgetdienst zu kritisieren, außer vielleicht, dass dieser auch gerne die doppelten und dreifachen Ressourcen haben sollte.
Maßnahmen für mehr Sachlichkeit im Parlament
Kombiniert man einen Ausbau dieser parlamentarischen Dienste, würde das der Qualität der Gesetze gut tun. Nicht nur, weil das Parlament nicht auf die Expertise der Ministerien angewiesen wäre – sondern auch, weil Abgeordnete dieses Wissen proaktiver nutzen könnten. Eine neue Qualitäts- und Debattenkultur ist nicht möglich ohne die Ressourcen, die es im Arbeitsalltag dafür braucht. Und Abgeordnete sollten schließlich auch wissen, welche Auswirkungen ihre Gesetzesvorschläge hätten – am besten, eine unabhängige Stelle schaut mal drüber.
Das würde den parlamentarischen Debatten auch etwas mehr Sachlichkeit verleihen. Man erinnere sich zum Beispiel an Nächte vor Wahltagen, als im „freien Spiel der Kräfte“ Milliardengeschenke verteilt wurden. Eine hausinterne Institution – also nicht das Finanzministerium –, die einen Überblick darüber geben kann, was diese Maßnahmen kosten, wäre nicht nur in solchen Nächten Milliarden wert. Eine gute Investition.