Wachstum ohne CO2: das „Decoupling“ findet statt
Wer regelmäßig die Nachrichten verfolgt, kann leicht pessimistisch werden: Die hohe Inflation beherrscht nach wie vor die Schlagzeilen, Autoritäre scheinen weltweit auf dem Vormarsch zu sein, und die Welt verpasst ihre Klimaziele. Kein Wunder, dass viele da nach einfachen, gerne auch drastischen Lösungen suchen – aber nicht jeder Ansatz ist sinnvoll.
Ein Trend, um mit den zahlreichen Krisen zu copen, ist die sogenannte Degrowth-Bewegung. Ihre Forderung: Kein Wirtschaftswachstum mehr, dann sind all unsere Probleme gelöst. Denn nur der Drang nach Wachstum löse unsere Probleme überhaupt aus – etwa den Klimawandel, weil internationale Konzerne auf Kosten der Umwelt wirtschaften. So zumindest die Grundannahme. Es scheint aber, als würde man sich an der einen oder anderen linken Fakultät nicht zu viel mit Daten beschäftigen.
CO2 und Wirtschaftswachstum sind entkoppelt
Die Plattform „Our World In Data“, die spannende Daten zu politischen und wirtschaftlichen Themen aufbereitet, zeigt in einfachen Grafiken, dass diese Behauptung falsch ist. Im Vergleich des BIP pro Kopf verschiedenster Länder mit deren CO2-Kennzahlen sieht man: Diese Kurven steigen nicht miteinander an, sondern entkoppeln sich immer schneller: Ein „Decoupling“ findet statt.
Heißt das, dass die Vermutung dahinter immer falsch und naiv war? Nicht unbedingt – immerhin gab und gibt es zahlreiche Belege von Unternehmen, die aus Profitinteressen bewusst Schäden für Umwelt und Klima in Kauf genommen haben. Und tatsächlich gab es zu vielen Zeiten und an vielen Orten einen Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und Wirtschaftswachstum. Wer diese Entwicklung sieht, vergisst aber auf technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt: Denn CO2 ist nicht die entscheidende Kennzahl für Wachstum.
Es geht um Energie, nicht um CO2
Ein wesentlicher Teil unseres Wirtschaftswachstums liegt eben nicht darin begründet, dass wir die Umwelt verschmutzen, sondern dass wir Energie haben. Und nicht jede Form der Energie ist automatisch schmutzig und ein Schaden für die Umwelt – Wind-, Wasser- und Solarkraft werden nicht nur immer beliebter, sondern auch günstiger.
Das zeigt übrigens auch das Beispiel Österreich selbst. Obwohl die heimische Klimapolitik nicht ambitioniert genug und auf bestem Wege ist, die Klimaziele für 2030 zu verpassen, zeigt sich auch hierzulande ein deutliches „Decoupling“ zwischen Wirtschaftswachstum und CO2. Das heißt nicht, dass im Klimaschutz genug passiert, aber zumindest dass die Trendwende eingeleitet ist. Die Wirtschaft wachsen zu lassen, ohne das Weltklima mehr zu belasten, ist nicht nur möglich – es ist in vielen Staaten der Welt bereits Realität.
Der Degrowth-Bewegung geht es nicht um die Umwelt
Wer also ehrliches Interesse an Klimaschutz hat, kann schnell zum Schluss kommen, dass Wirtschaftswachstum nicht unser Problem ist. Ganz im Gegenteil: Wer früh in erneuerbare Energien investiert, kann auch wirtschaftlich davon profitieren, während neue Kohle- und Gaskraftwerke „versunkene Kosten“ sind, die man schon bald abschreiben muss.
Aber wahrscheinlich geht es der Degrowth-Bewegung um etwas ganz anderes: darum, ihre linke Weltsicht durchzusetzen. Ihr Denken basiert auf dem einfachen Widerspruch zwischen „Sozialismus“ (alles, was gut ist) und „Kapitalismus“ (alles, was schlecht ist). Diese Erzählung zieht sich durch alle Bereiche – hinter geringen Löhnen stehen gierige Unternehmen statt hohe Steuern und Abgaben, hinter Migration steht der „Imperialismus“ und nicht Armut durch Autokratie und Misswirtschaft. Und darum ist eben auch beim Klimathema schnell der Schuldige gefunden: die soziale Marktwirtschaft, der wir unseren Wohlstand verdanken.
In der nächsten Diskussion rund um Degrowth kann man also ganz leicht auf die alternative Lösung hinweisen: mit erneuerbaren Energien und ambitionierter Klimapolitik nicht nur eine bessere Umwelt, sondern nebenbei auch noch Wohlstand zu schaffen. Dann wird man auch schnell merken, dass es deren Befürwortern gar nicht darum geht. Sondern nur darum, einen fadenscheinigen Grund für ihre eigentliche Forderung zu finden: die Abschaffung des Kapitalismus.