Warum evidenzbasierte Politik so wichtig ist
Mit evidenzbasierter Politik werden politische Entscheidungen basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen anstelle von Ideologien oder Machtinteressen getroffen. Warum das gerade in der heutigen Zeit so wichtig ist.
Eine Krise jagt derzeit die nächste, und die Zufriedenheit mit dem politischen System befindet sich im Sinkflug. Der Demokratiemonitor des SORA-Instituts aus dem letzten Jahr zeigt, dass nur noch 34 Prozent der Bevölkerung mit dem politischen System in Österreich zufrieden sind. Auch das Vertrauen in die Institutionen sinkt weiter, dem Parlament vertrauen nur noch 38 Prozent der Befragten.
Dazu kommt ein vergleichsweise hohes Desinteresse an Wissenschaft. Bei der neuesten Eurobarometer-Umfrage zu diesem Thema weist Österreich in den Bereichen Interesse an Wissenschaft und Technologie, Wissen über Wissenschaft und Wertschätzung von Wissenschaft katastrophale Werte auf. Weniger als die Hälfte der Befragten Österreicher:innen findet, dass wissenschaftliche Forschung notwendig ist und gefördert werden sollte.
Mit wenig Evidenz durch die Pandemie
Gerade während der Corona-Pandemie hat sich immer wieder die Frage gestellt, wie Politik und Wissenschaft besser zusammenarbeiten können. Wissenschaftliche Daten und Analysen waren allgegenwärtig: Plötzlich waren die Belegung von Spitalsbetten, 7-Tage-Inzidenzen oder der R-Wert in aller Munde.
Gleichzeitig wurden immer wieder Entscheidungen getroffen, die offenkundig im Gegensatz zu Empfehlungen der Wissenschaft standen. Während Expert:innen vor einer neuen Corona-Welle im Herbst warnten, verkündeten diverse Politiker:innen, die Pandemie sei vorbei. Zahlreiche Stimmen aus der Wissenschaft äußerten öffentlich ihren Frust darüber, dass die Politik ihren Entscheidungen oftmals keine ausreichende Evidenz zugrunde lege.
Evidenz schafft Vertrauen
Gerade in Zeiten von Krisen, von denen es derzeit ja zuhauf gibt, ist evidenzbasierte Politik wesentlich. Politische Maßnahmen, die sich auf empirische Daten stützen und nicht von politischer Ideologie getrieben sind, erlauben eine effektive und zielgerichtete Reaktion auf gesellschaftliche Missstände. Und gerade in Krisenzeiten – wenn das politische Handeln besonders gefordert ist – muss sichergestellt sein, dass die Maßnahmen tatsächlich die beabsichtigte Wirkung erzielen. Und: Effektive Maßnahmen sind selbstverständlich kostengünstiger.
Evidenzbasierte Politik hilft auch, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die politischen Institutionen zu stärken, da sie dazu beiträgt, politische Entscheidungen transparenter und nachvollziehbarer zu machen. Wenn die Öffentlichkeit sieht, dass politische Entscheidungen auf Fakten und Beweisen beruhen statt auf politischen oder persönlichen Interessen, kann das dazu beitragen, das Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger und das politische System insgesamt zu stärken. Hier hat Österreich noch einiges aufzuholen.
Das Desinteresse an Wissenschaft und Forschung ist hierzulande größer als im europäischen Durchschnitt – und es ist eine Bringschuld der Politik, dem entgegenzuwirken. Was da sicherlich nicht hilft, ist ein öffentlich ausgetragener Konflikt zwischen Politik und Wissenschaft. Wir erinnern uns z.B. an die Aussage des ehemaligen Bundeskanzlers, dass man den Klimawandel nicht durch Verzicht aufhalten könne, die in krassem Gegensatz zu wissenschaftlichen Studien steht. Die Politik müsste hier vielmehr mit gutem Beispiel vorangehen und die Wissenschaft in ihre Entscheidungen einfließen lassen, statt sie zu diffamieren.
Wie evidenzbasierte Politik funktionieren kann
Wie das aussehen kann? Setzen wir einmal an dem Ort an, wo unsere Gesetze gemacht werden: im Parlament. Die parlamentarische Arbeit passiert ja bekanntlich vor allem in den Ausschüssen. Und in diese sollten Expert:innen in Form von Hearings vermehrt eingebunden werden. Im Forschungsausschuss findet das bereits vereinzelt statt – es sollte jedoch zur Gewohnheit werden, insbesondere bei komplexen und umstrittenen Themen, Expert:innen in Ausschüsse einzuladen, um den Abgeordneten eine empirische Grundlage für ihre Entscheidungen zu liefern.
Es gibt darüber hinaus aber auch Beispiele von Thinktanks oder Forschungsinstituten, die in Parlamenten angesiedelt sind und deren erklärtes Ziel es ist, mit ihrer Forschung die parlamentarische Arbeit zu unterstützen. Im Europäischen Parlament gibt es beispielsweise so einen „in-house research service“ in Form des European Parliamentary Research Service, dessen Aufgabe es ist, Mitgliedern des Europäischen Parlaments und den Ausschüssen objektive Analysen und Recherchen zur Verfügung zu stellen. Auch in den USA sind Thinktanks, die Empfehlungen für politische Maßnahmen abgeben, weit verbreitet.
Einen Schritt in diese Richtung hat das österreichische Parlament bereits gemacht: Die Österreichische Akademie der Wissenschaften versorgt das Parlament in den Bereichen Foresight und Technikfolgenabschätzung mit einschlägiger Expertise. In diesem Bereich setzt das Parlament also auf evidenzbasierte Politik. Abgeordnete können sich an das Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW wenden, um Informationen im Bereich Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik zu erhalten und diese in ihre parlamentarische Arbeit einfließen zu lassen.
Bevor wir wirklich davon sprechen können, dass in Österreich Politik mit Evidenz gemacht wird, liegt noch ein weiter Weg vor uns. Wenn wir aus diesen krisengebeutelten Zeiten jedoch gestärkt hervorgehen wollen, müssen wir uns endlich zu evidenzbasierter Politik bekennen und diese auch leben.