Warum NEOS gegen das IFG stimmen
Seit zehn Jahren fordern NEOS ein Informationsgesetz. Jetzt soll es kommen. Es bringt zwar Besserungen, aber ist weit davon entfernt, mehr Informationsfreiheit zu bringen. Wie das IFG funktioniert, wo die Problematik liegt – und warum NEOS dagegen stimmen.
In der Gemeinde Hintertupfing leben Herr und Frau Müller. In ihrer Gemeinde wurde vor einiger Zeit eine Veranstaltungshalle gebaut. Herr und Frau Müller interessiert jetzt, wieviel dieses Bauvorhaben ihre Gemeinde gekostet hat. Da Hintertupfing eine der vielen Gemeinden in Österreich ist, die bei der letzten Volkszählung 2021 knapp unter 5.000 Einwohner:innen gezählt hat, ist die Gemeinde laut dem neuen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) nicht dazu verpflichtet, die Kosten für dieses Bauvorhaben proaktiv zu veröffentlichen.
Aber es geht nicht nur um Hintertupfing: In Österreich gibt es 2.093 Gemeinden. Nur 259 davon haben laut der letzten Volkszählung mehr als 5.000 Einwohner:innen – also lediglich zwölf Prozent. Und auch, wenn eine Gemeinde inzwischen durch Zuzug mehr als 5.000 Einwohner:innen hat, ist dies bis zur nächsten Volkszählung 2031 irrelevant. Hintertupfing ist also nicht die Ausnahme – sondern die Regel.
Herr und Frau Müller gehen also zur Behörde und fragen, wie viel der Bau dieses Projekts in ihrer Gemeinde gekostet hat. Ihnen wird die Auskunft verweigert.
Nun kann unsere Geschichte verschiedene Wege gehen: Wenn Herr oder Frau Müller zufällig sehr gut informiert sind und sich rechtlich exzellent auskennen, dann wissen sie vielleicht, dass sie ihr Recht auf Information über den Rechtsweg bestreiten können. Das heißt, sie müssten in einem nächsten Schritt noch einmal einen Antrag stellen auf einen negativen Bescheid, mit dem sie dann zum zuständigen Verwaltungsgericht gehen. In vielen Fällen wird es aber wohl so sein, dass Herr und Frau Müller sagen, dass es entweder ein zu großer Aufwand wäre – und es deshalb sein lassen werden. Oder sie wissen noch nicht einmal, dass es die Möglichkeit überhaupt gibt, vor Gericht zu ziehen.
Mit diesem Gesetz schaffen wir also eine Mehrklassengesellschaft, was Information angeht: Personen, die zufällig in Gemeinden leben, die 2021 mehr als 5.000 Einwohner:innen zählten, und jene, die in den vielen Gemeinden Österreichs leben, die weniger als 5.000 Bewohner:innen haben. Bürger:innen, die sich rechtlich auskennen, und Bürger:innen, die das nicht tun.
Gäbe es eine:n Informationsfreiheitsbeauftragte:n – was wir als essenziell ansehen –, gäbe es dieses Problem nicht. Diese:r Beauftragte, welche:n wir uns seit vielen Jahren wünschen, wäre eine Ansprechperson für die Gemeinden und ihre Bürger:innen. Es braucht eine Person, die sich mit Transparenzthemen so gut auskennt, dass er oder sie beratend zur Seite stehen kann. Das wäre für Informationsfreiheit essenziell.
So wie Gemeinden unter 5.000 Einwohner:innen, sind im Übrigen auch die Landtage von der proaktiven Veröffentlichung ausgenommen. Die Kammern und Sozialversicherungsträger:innen sind sogar nur vor ihren Mitgliedern rechenschaftspflichtig.
Aber auch, was die Reformierbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes angeht, sieht die Zukunft nicht rosig aus. Anpassungen dieses Gesetzes werden in Zukunft noch schwieriger, als sie schon die letzten 100 Jahre durch das Amtsgeheimnis waren, das nun abgeschafft werden soll. Die Regierungsvorlage sieht nämlich vor, dass alle Bundesländer zustimmen müssen, wenn man das IFG reformieren will. Realpolitisch also unmöglich – wenn die SPÖ der Bundesregierung nun die Mehrheit gibt, werden wir wohl die nächsten 100 Jahre mit diesem Gesetz leben müssen.
Und als wäre das nicht genug der Kritik, kann man das Informationsfreiheitsgesetz auch jederzeit aushebeln: Sieht ein Bundes- oder ein Landesgesetz eine andere Informationszugangsregelung vor, dann gilt das IFG nicht. Somit bleibt Herr und Frau Müller dann nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren oder vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen.
Wegen diesen großen Lücken im Gesetz ist es für uns nicht möglich, dieser Regierungsvorlage zuzustimmen. Wir wünschen uns Informationsfreiheit, die diesen Namen auch wirklich verdient hat.