Wie liberal ist … König der Löwen?
Der König der Löwen ist eine zutiefst reaktionäre, antiliberale Geschichte – eigentlich nichts, was man Kindern mit auf den Weg geben sollte.
Die Welt ist ungerecht. Scar wollte König werden, doch er ist der jüngere der beiden Brüder, und um König anstelle des Königs zu werden, muss er nicht nur seinen Bruder Mufasa, sondern auch seinen Neffen Simba aus dem Weg räumen.
Nala wird von ihrem Kindheitsverlobten Simba verlassen und lebt in einer grausamen Diktatur, während ebendieser Verlobte insektenfressend mit Aussteigerhippies in den Tag hineinlebt. Doch obwohl Nala stärker und geschickter ist als ihr Jugendfreund und wesentlich mehr Lebenserfahrung hat, ist sie ohne ihn rettungslos verloren. Sie zieht also los, um Hilfe zu suchen, trifft auf Simba, besiegt ihn im Kampf und holt ihn zurück, damit er gegen den bösen Autokraten Scar kämpft. Warum sie das nicht selber tut, wo sie doch offensichtlich stärker ist als Simba? Ganz einfach: Es ist Simbas Bestimmung, König zu werden, nicht ihre.
Die Botschaft, die der Disney-Film „König der Löwen“ vermittelt, ist derartig reaktionär, dass man sich eigentlich wundern könnte, dass man so etwas Kindern zeigt. Aber na ja, die Bilder sind schön, und die Lieder laden zum Mitsingen ein.
Der Lebensweg ist vorgezeichnet
Die Welt in König der Löwen ist tatsächlich ungerecht. Die Löwen herrschen über das gelobte Land, während den Hyänen nur das Schattenreich bleibt. Die Welt in König der Löwen ist außerdem sehr illiberal. Alle folgen nur ihrer Bestimmung, andere Lebensentwürfe sind nicht vorgesehen. Wenn Zazu zu Simba sagt „Du kannst deinem Schicksal nicht entkommen“, ist das keine hohle Phrase. Es gibt keine Alternative, weder für Scar, der gern eine Führungsposition möchte, noch für Nala, die eine kluge, starke, mutige und unabhängige Löwin ist und mehr als ein Anhängsel des Königs sein könnte, noch für Simba, der zunächst mit seinem Schicksal hadert. Doch eine Vision von seinem toten Vater und ein wunderlicher Affe bringen ihn auf den rechten Weg zurück.
Schon auf den ersten Blick erkennt jedes Kind ganz klar, wer gut und wer böse ist: Während Mufasa majestätisch seinen männlichen, wohlgeformten Körper präsentiert, lassen Scars schwarze Mähne, sein mickriger Wuchs (noch deutlicher im Realfilm), sein sarkastisch-hämischer Gesichtsausdruck und sein Queer-Coding (nur im Zeichentrickfilm) keine Fragen offen.
Die Herrschaftsverhältnisse sind streng monarchisch-patriarchalisch geregelt, seinen Status erlangt man durch Geburt, und wer die zukünftige Frau an der Seite des Monarchen wird, wird ebenfalls im Kindesalter festgelegt.
Blinder Gehorsam
Die Gefahren des Machtmissbrauchs zeigt der Film ebenfalls: In den wenigen Jahren von Scars Herrschaft wird das gelobte Land derart intensiv bejagt, dass das ganze Ökosystem zerstört wird und nur verbrannte Erde zurückbleibt. Doch ist das allein Scars Schuld? Halten er und die wenigen mickrigen Hyänen die gesamte Löwinnenherde – allesamt sehr erfolgreiche Jägerinnen – derart in Schach, dass sie es nicht wagen aufzubegehren? Oder sind diese gedanklich derart im patriarchalen, monarchischen System gefangen, dass sie nach dem Tod ihrer Führerfigur gar nicht auf die Idee kommen, gegen den vermeintlich rechtmäßigen neuen König zu rebellieren?
Die rechtmäßige Weltordnung
Doch nicht nur die Löwinnen, auch alle anderen Tiere – bis auf die Hyänen – huldigen dem König der Tiere, auch solche, die auf dessen Speiseplan stehen, etwa Zebras und Antilopen. Auch sie erkennen die BESTIMMUNG an. Das ist eben der Kreislauf des Lebens, dafür fressen sie ja Gras, zu dem die Löwen nach ihrem Tod werden, so zumindest die gesungene Erklärung.
Am besten singt man lautstark mit und denkt nicht weiter darüber nach, welche Botschaften uns der Film vermittelt.