Wie liberal ist … Linux?
Das Open-Source-Betriebssystem Linux ist uns viel näher, als wir denken: Wer das Google-Betriebssystem Android oder ein Smart-Home-Produkt von Amazon verwendet, nutzt Open Source – stark modifizierte, aber grundsätzlich freie Software.
Außerhalb von dem, was der durchschnittliche Nutzer verwendet, ist Linux besonders stark präsent. Insbesondere seine unterschiedlichen Ableger, auch Derivate genannt, sind in der professionellen IT unerlässlich.
Wieso Linux bzw. Open Source nicht nur etwas für IT-Nerds ist und wieso wir uns stärker damit auseinandersetzen sollen, darum geht es in diesem Artikel.
Was heißt eigentlich Open Source?
In Bezug auf die Informatik bezieht sich Open Source auf Software, deren Quellcode öffentlich zugänglich ist und von Dritten eingesehen, geändert und genutzt werden kann. Die Open Source Initiative (OSI) wendet den Begriff Open Source auf all die Software an, deren Lizenzverträge den folgenden drei charakteristischen Merkmalen entsprechen und die die zehn Punkte der Open Source Definition erfüllen:
- Die Software (d.h. der Quelltext) liegt in einer für den Menschen lesbaren und verständlichen Form vor. Das bedeutet, dass wir einen Quellcode in einer sogenannten Hochsprache haben. Eine Hochsprache in der IT bezeichnet unsere geläufigen Programmiersprachen, wie z.B. Java, C#, Python etc.
- Die Software darf beliebig kopiert, verbreitet und genutzt werden. Egal ob Vervielfältigung, Nutzung oder Bearbeitung der Software: All das ist ohne Einschränkungen möglich. Die einzige Limitierung, die von vielen Lizenzgebern gefordert wird, ist die Weitergabe des (geänderten) Quelltexts.
- Die Software darf verändert und in der veränderten Form weitergegeben werden. Freie Software lebt von der Teilnahme von verschiedensten, oft einzelnen Entwickler:innen und deren Engagement, die Software stetig zu verbessern.
Was ist der Vorteil von Open Source?
Aber warum ist Open Source wichtig für die Gesellschaft? Was sind die Vorteile von Open Source? Hier sind einige Gründe:
Open Source fördert Innovation.
Indem man den Quellcode offenlegt, ermöglicht man es anderen Entwickler:innen, neue Ideen zu generieren, Fehler zu beheben und Funktionen hinzuzufügen. So entstehen oft bessere und vielfältigere Lösungen für verschiedene Probleme. Außerdem kann Open Source als Basis für kommerzielle Software dienen, die von der Stabilität und Flexibilität der Plattform profitiert.
Open Source verbessert die Qualität.
Da viele Augen den Quellcode überprüfen können, werden Fehler schneller gefunden und behoben, weil Nutzer:innen Feedback geben und Wünsche äußern können, die in die Weiterentwicklung einfließen. So wird die Software stetig optimiert und an die Bedürfnisse der Nutzer:innen angepasst.
Open Source reduziert Kosten.
Im Vergleich zu proprietärer Software ist Open Source meist kostenlos oder günstiger zu erwerben, es fallen keine Lizenzgebühren oder Abonnements an. Zudem kann man sich Hardwarekosten sparen, da Open Source oft weniger Systemressourcen verbraucht als proprietäre Software. So braucht zum Beispiel der Open-Source-Webserver Apache2, also ein Dienst für die Darstellung von Websites, weniger Ressourcen als der IIS-Webserver von Microsoft.
Open Source erhöht die Sicherheit.
Obwohl manche glauben, dass offener Quellcode leichter angreifbar ist, ist das Gegenteil der Fall. Da viele Expert:innen den Quellcode überprüfen können, werden Sicherheitslücken schneller entdeckt und geschlossen. Auch kann man sich sicher sein, dass keine versteckten Funktionen oder Hintertüren in der Software vorhanden sind.
Open Source stärkt die Gemeinschaft.
Indem man sich an Open-Source-Projekten beteiligt oder diese unterstützt, wird man Teil einer globalen Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Man kann Wissen austauschen, Erfahrungen teilen und voneinander lernen, soziale Verantwortung übernehmen und einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten.
Was ist „Linux“?
Zugegeben: Linux per se als Betriebssystem gibt es so nicht. Aber vom Anfang an:
Alle Versionen von Linux bauen auf ein und demselben Linux-Kernel auf. Ein Kernel ist der zentrale Baustein eines Betriebssystems, in dem beschrieben ist, wie die Organisation von Prozessen und Dateien erfolgt und wie die darüberliegende Software aufbauen soll. Ein Kernel ist ein äußerst komplexes Konstrukt – nach aktuellem Stand hat der Linux-Kernel circa 8 Millionen Zeilen Code, an dem bis dato über 1.000 Personen mitgearbeitet haben.
Wie eine Software auf Basis dieser Kernels zusammengestellt wird, das regelt wiederum eine Distribution – darunter bezeichnet man die Zusammenstellung von Software auf Basis des Kernels. Vieles an der Zusammenstellung dieser Software ist allerdings in vielen Distributionen, im Nachhinein oder während der Installation, austauschbar.
Distributionen gibt es, auch historisch bedingt, wie Sand am Meer. Heutzutage sind die großen Distributionen Arch, Debian, Fedora, RHEL und Suse, und aus diesen leiten sich wiederum zig Derivate ab.
Derivat? Dieses Wort steht für „Abspaltung“ von einer bereits vorhandenen Linux-Version. Man nimmt eine bereits vorhandene Distribution und erweitert sie mit anderen Softwarepaketen, Nutzeroberflächen oder entfernt nicht benötigte Programme, welche bei der ursprünglichen Distribution standardmäßig dabei sind.
Als Beispiel für populäre Derivate wäre das Derivat von der Debian-Distribution Ubuntu aufzuführen: ein Derivat, das besonders für Einsteiger optimiert ist und mit einem eigenen „AppStore“ versucht, Linux für die breite Masse attraktiv zu machen.
Daneben gibt es aber auch insbesondere für Unternehmen relevante Derivate, die nicht kostenfrei erhältlich sind. Das bekannteste Derivat ist RedHat Enterprise Linux. Der Grund, wieso Unternehmen Geld für dieses Derivat ausgeben, ist der lange Support von bis zu 13 Jahren. In diesen 13 Jahren garantiert das Unternehmen das Ausliefern von Sicherheitsupdates und einen Support via Telefon oder E-Mail.
Symbolbild, produziert mit Midjourney AI
Wo Linux verwendet wird und unersetzbar ist
Wenn wir uns anschauen, wo Linux verwendet wird, sehen wir eine große Differenz zwischen den Desktop-PCs und den Servern, also der IT-Infrastruktur.
Der Marktanteil der führenden Betriebssysteme für Desktop-PCs teilt sich, Stand Jänner 2023, folgendermaßen auf: 74,14 Prozent nutzen Windows von Microsoft, 15,33 Prozent MacOS von Apple und 2,91 Prozent Linux.
Doch der Trend geht klar in eine Richtung: 2009 war Windows noch auf circa 95 Prozent der PCs installiert – und Linux mit 0,64 Prozent de facto nicht existent.
Zwar existieren für Server keine separaten Statistiken für den Marktanteil der Betriebssysteme, jedoch lässt sich anhand der Verteilung der Betriebssysteme der 500 stärksten Supercomputer einiges ableiten – denn die 500 leistungsstärksten Supercomputer laufen zu 46,8 Prozent auf Linux oder auf einer proprietären Software, also Software, welche eigens für einen bestimmten Zweck entwickelt wurde und als „Maßanfertigung“ betrachtet werden kann.
Auch im DACH-Raum hat Microsoft mit seinem Windows-Betriebssystem einen essenziellen Marktanteil. Dennoch geht, insbesondere durch die immer wichtiger werdende Cloud, der Trend klar in Richtung Linux. In der Cloud von Microsoft, Azure, verwenden mehr als 50 Prozent der virtuellen Maschinen Linux als Betriebssystem.
Wie könnte die Zukunft für Linux und Open Source aussehen?
Eines ist klar: Die Zeit, in der Nutzer:innen von Open-Source-Software oder -Betriebssystemen als IT-Nerds abgestempelt wurden, ist vorbei. Natürlich ist Linux noch nicht so häufig in den heimischen PC-Arbeitsplätzen zu finden wie Windows, doch immer mehr Nutzer:innen erkennen das große Potenzial hinter dem offenen Betriebssystem.
Insbesondere durch die immer stärkere Datensammlung von Microsoft, welche beispielsweise durch das verpflichtende Senden von Diagnosedaten den Nutzer:innen nicht mehr die Option lassen, komplett auf das Senden von Diagnosedaten zu verzichten, wird der Unmut gegenüber Microsoft immer größer. Insbesondere für Unternehmen ist dies durch die strengen DSGVO-Vorgaben ein Problem, da nicht garantiert werden kann, dass Microsoft keine Daten in die USA sendet. Zusätzlich sorgt der Zwang zu Abos wie Microsoft365 immer mehr dafür, dass Nutzer:innen zu MacOS von Apple oder Linux wechseln oder statt Microsoft Office freie Programme verwenden.
Auch Unternehmen setzen sich immer mehr mit Open Source auseinander. Viele kommerzielle Programme können heutzutage durch offene Software ersetzt werden – es braucht nur das entsprechende Personal, welches die Software verwalten kann. Das müssen viele noch lernen, auch wenn Derivate wie Ubuntu versuchen, so nutzerfreundlich wie möglich zu sein. Denn für einige Konfigurationen kommt man um die Konsole nicht herum.
Auch das Bildungssystem sollte sich mit der Bedeutung von Linux und Co. befassen – denn ohne digitale Bildung keine digitale Zukunft. Dazu gehört aber auch, in der Schule den gesamten Kosmos zu lernen und sich nicht nur auf ein Betriebssystem zu versteifen. Ein breiter Überblick und ein Abwägen der Vor- und Nachteile der verschiedensten Betriebssysteme und Software ist wichtig, um nicht die beliebteste, sondern die beste Software bzw. das beste Betriebssystem zu wählen.
Zusammengefasst kann man sagen, dass Österreich beim Thema Open Source noch ordentlich Nachholbedarf hat. Auch wenn die Digitalisierung in Österreich voranschreitet, sollte man einmal versuchen, über den Tellerrand hinauszublicken und nicht immer auf die „klassischen“ Lösungen setzen. Man glaubt oft gar nicht, was Open Source alles draufhat, wenn man es nicht selbst einmal ausprobiert hat.