Wird es bald still in Österreich?
Wer Österreich zu einem autoritären Land machen will, muss es mit einer starken Medienlandschaft aufbringen. Aber wie groß ist diese Stärke wirklich?
Die FPÖ und die Medien, das werden keine Freunde mehr. Und ja, „die Medien“ ist in 99 Prozent der Fälle eine zur Lüge tendierende Verallgemeinerung – aber in diesem Fall ist es gerechtfertigt.
Einerseits, weil die FPÖ kritische Berichterstattung nicht schätzt. Wenn sie im Wahlkampf ihre Mythen von der „kriegstreibenden“ EU erzählt, Verschwörungstheorien rund um die Corona-Pandemie verbreitet oder so tut, als würden Horden in Wien plündern und brandschatzen, erntet sie richtigerweise Widerspruch – und Korrektur. Dass ihre Lügen nicht stehen bleiben, ist ihr ein Dorn im Auge. Vor allem, wenn es im ORF passiert.
Darum hat Herbert Kickl seit Jahren an einer blauen Parallelwelt gearbeitet. Mit Medien wie dem (mittlerweile insolventen) Wochenblick, der Fake-News-Schleuder Unzensuriert, dessen Chefredakteur später im Kickl-Kabinett kommunizierte, oder dem einzig transparenten blauen Parteimedium FPÖ-TV macht die Partei Stimmung für Narrative, die ihr nützen. Mit dem kleinen Nachteil, dass sie nicht stimmen.
Medien, die einordnen und die Fakten berichten, sind für Kickl also ein Feind. Sollte er in die nächste Bundesregierung kommen, will er sie auf Linie bringen. Und zwar mit Methoden, die er bereits erprobt hat.
Türkise Blaupause
Denn dass Österreichs Medien schnell leise werden können, zeigt die letzte Regierung, an der Kickl beteiligt war. Blicken wir zurück in die Zeit der türkis-blauen Regierung, die durch ihre „Message Control“ berühmt wurde. Diese ist aber nicht das eigentliche Problem – dass sich Regierungspartner abstimmen und gemeinsam und koordiniert kommunizieren, ist nach Jahren des rot-schwarzen Stillstands eine willkommene Abwechslung in der politischen Kommunikation. Der echte Schaden entsteht dadurch, dass ein Großteil der Medienlandschaft einen Großteil der Spins schluckt. Kritische Einordnung wird plötzlich seltener.
Österreichs Medien treten zwar selbstbewusst und kritisch auf, aber das ist kein Naturgesetz. Denn sie haben ein Problem, das sich durch die Branche zieht: Geld. Beziehungsweise: zu wenig davon. Gerade Qualitätsmedien sind oft abhängig von der Medienförderung. Dazu kommen die Inserate, mit der Ministerien freigiebig Geld verteilen können. Transparente und nachvollziehbare Standards für die Vergabe dieser Inserate gibt es nicht – wer Geld bekommt, entscheiden die Ministerinnen und Minister. Und auch in der Medienförderung dominieren, gelinde gesagt, merkwürdige Standards bei der Entscheidung, wer Geld bekommt und wer nicht.
Zusammen mit der Message Control führt das zu einer toxischen Mischung. Jeden Tag gibt es eine neue Nachricht, sauber und professionell aufbereitet und bereit, von Journalistinnen und Journalisten verbreitet zu werden. Und jene, die wollen, dass diese Meldungen unkritisch übernommen werden, drehen den Geldhahn nach Belieben auf und ab. Sogar im optimistischen Fall kann das zu einer Beißhemmung führen, zu vorauseilendem Gehorsam. Im schlimmsten wird man aktiv dafür bestraft, kritisch zu berichten.
Strukturelle Korruption will gelernt sein
Dieser Mechanismus ist nicht neu, und auch in der Medienbranche kennen ihn alle. Trotzdem können ihn nicht alle aussprechen – wenn es um die Außenwahrnehmung geht, ist das eigene Medium immer innovativ und unabhängig, während andere Medien beeinflusst und schwach sind. Die dahinterliegende Message: „Bitte fördert mich, ich bin es wert“. Die Abhängigkeit vom Staat ist zu groß und zu durchdringend, um sie offensiv und selbstbewusst zu thematisieren.
Dazu kommt, dass diese Dynamik nicht nur in eine Richtung geht. Es gibt auch genug Erzählungen von Ex-Politikerinnen und Ex-Politikern, die von Medien genötigt wurden zu inserieren – sonst drohe ihnen negative Berichterstattung. Die Bestechlichkeit und Abhängigkeit zwischen Politik und Journalismus geht in beide Richtungen, und aus beiden entstehen strukturelle Probleme, die der einzelne Akteur, ob Politiker:in, Journalist:in oder Medium, nicht auflösen kann. Herbert Kickl kennt diese Spirale – und ist bereit, sie erneut zu nutzen.
In der Praxis bedeutet das: Medien, die sich kaufen lassen, werden gekauft, also mit Inseraten und Förderungen belohnt. Kritische Medien dagegen wissen, dass ihre Förderungen wackeln – ausgerichtet wird das in der Regel durch mediale Warnschüsse, dass man gerade über eine neue Form der Medienfinanzierung nachdenke. Danach wird penibel darauf geachtet, wer das eigene Narrativ übernimmt, und belohnt. Und gleichzeitig bläst die rechte Parallelgesellschaft auf Facebook, Youtube und Telegram die Message in einer Form, die nicht ganz so gesellschaftstauglich daherkommt.
Resiliente Medienlandschaft wurde versäumt
Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen: Wer die österreichische Medienlandschaft „auf Linie“ bringen will, braucht nicht das Orbán-Handbuch zu öffnen und Medien von Oligarchen übernehmen lassen. Es reicht, Medien mit Zuckerbrot und Peitsche zu belohnen. Denn die Abhängigkeit vom Staat ist real, und sowohl Medien als auch Politik haben es versäumt, sie rechtzeitig aufzulösen.
Für den Fall, dass eine Bundesregierung unter einem Kanzler Kickl die Medienfreiheit bedroht, darf sich also niemand wundern. Nicht die Grünen, die in der Opposition noch dem unabhängigen Journalismus das Wort geredet, aber in der Bundesregierung rechte Propaganda mit Medienförderung finanziert haben. Auch nicht die ÖVP, die zusammen mit den Grünen nichts an der Parteipolitisierung des ORF geändert und keine Kriterien für Inseratenvergaben geschafft hat. Und am allerwenigsten jene Medien, die lange von diesem System profitiert haben.
Es würde wohl auch im Fall einer Kickl-Regierung noch kritische Berichterstattung geben. Aber sie würde wohl seltener werden, gehemmter. Dass alle Medien Österreichs „sagen, was ist“, das ist nicht nur mit Blick auf die türkis-blaue Regierung unrealistisch. Es sieht aus, als würde es bald wieder leiser werden in Österreich.