KESt: Ein Vorschlag zur Aufwertung des Kapitalmarkts
Ein starker Kapitalmarkt ist ein wesentlicher Faktor für einen wettbewerbsfähigen Standort und volkswirtschaftliche Stabilität. Aber wie stark er ist, das hängt von den Rahmenbedingungen ab – etwa in Form von Steuerentlastungen für Kapitalerträge.
Eine breite gesellschaftliche Teilhabe am Kapitalmarkt setzt voraus, das entsprechende Wirtschafts- und Finanzwissen breit in der Bevölkerung zu verankern: zum Beispiel durch Berücksichtigung in den Schullehrplänen für die Unterstufe oder Mittelschule und lebenslange Lehrangebote. Im Bereich Finanzbildung leistet beispielsweise auch die Wiener Börse Pionierarbeit, indem sie umfassende Angebote – auch für Schulen – zur Verfügung stellt.
Die demografische Entwicklung – und der daraus resultierende Druck auf das staatliche Pensionssystem im Umlageverfahren – machen einen massiven Ausbau der privaten Vorsorge notwendig, der sogenannten dritten Säule der Altersvorsorge. Es muss jedem Menschen in Österreich möglich sein, individuell für sich gut vorzusorgen und – angesichts jahrelang niedriger Sparbuchzinsen – auch von der vor allem über längerfristigen Zeitraum positiven Entwicklung an den Kapitalmärkten zu profitieren.
Bei Einkünften aus Wertpapieren oder Fondsprodukten fällt die Kapitalertragsteuer (KESt) in Höhe von 27,5 Prozent an, die von der nominellen Wertentwicklung berechnet wird. Was dabei außen vor gelassen wird, ist der Fakt, dass hierbei eine Substanzbesteuerung eintritt: Altersvorsorge passiert langfristig. Bei jährlich 5 Prozent Inflation versteuert man nach 50 Jahren eine nominelle Wertsteigerung – auch wenn dabei real wenig oder gar nichts herausgeschaut hat.
Vereinbart, aber nicht umgesetzt
Das Wissen über den Kapitalmarkt hilft aber wenig, wenn die Rahmenbedingungen für Kleinanleger ungünstig sind. Das scheint die Regierung 2019 erkannt zu haben. Die „Erarbeitung einer Behaltefrist für die Kapitalertragsteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten“, also die Wiedereinführung der früheren Spekulationsfrist, ist auch im Regierungsprogramm 2020–24 vorgesehen, im Rahmen der Steuerreform wurde dieses Vorhaben jedoch nicht umgesetzt – auch gegen Ende der Gesetzgebungsperiode scheint leider keine Einigung zwischen den Koalitionspartnern ÖVP und Grüne in Sichtweite.
In Österreich kommen die Einnahmen aus der Kapitalertragsteuer hauptsächlich von Dividenden und sonstigen Zinsen wie Anleihenkupons. Wer also etwa mit einem Sparplan in einen Fonds investiert, ist also nicht Hauptzielgruppe der KESt – zumindest wenn man sich die Erträge daraus ansieht. Das ergibt eine Parlamentarische Anfrage des NEOS-Abgeordneten Gerald Loacker an Finanzminister Magnus Brunner.
Abgesehen von den Pandemiejahren 2020 und 2021 betrug die KESt auf realisierte Wertsteigerungen in den Jahren 2018–22 nur rund 6 Prozent der gesamten KESt-Einnahmen. Während der kleine Anleger, der im Laufe seines Erwerbslebens für die Pension vorsorgt, mit 27,5 Prozent zur Kasse gebeten wird, macht sein Anteil gerade mal etwas mehr ein Zwanzigstel des KESt-Aufkommens aus. Diese Maßnahme wäre also im Vergleich zu anderen steuerpolitischen Maßnahmen günstig – und könnte sogar in weiterer Konsequenz für höhere Einnahmen sorgen.
KESt-Behaltefrist als Hebel
„Von den rund 2,1 Millionen Menschen in Österreich, die Wertpapiere besitzen, verdienen 1,3 Millionen weniger als 3.000 Euro. Das ist die Mitte der Gesellschaft.“
Robert Ottel, Präsident des Aktienforums
Im kürzlich veröffentlichten Aktienbarometer von Aktienforum, Industriellenvereinigung und der Wiener Börse ergaben sich zwei erfreuliche Zahlen: 27 Prozent besitzen bereits Wertpapiere, in den meisten Fällen Fonds oder ETFs sowie Einzelaktien. Weiters gaben 21 Prozent an, dass sie daran interessiert seien, in Zukunft in Wertpapiere zu investieren.
Hier gibt es offensichtlich Potenzial, das im Zuge einer Wiedereinführung der KESt-Behaltefrist genutzt werden kann. Das liegt einerseits daran, dass der Anreiz, sein Geld zu investieren, ein deutlich größerer wäre, wenn die durch Wertsteigerung erzielten Einkünfte komplett steuerfrei behalten werden dürfen, und andererseits daran, dass sich gerade aus diesem Grund mehr Personen dafür interessieren würden, ihr Geld – etwa für eine solide, zusätzliche Absicherung im Alter – zu veranlagen.
Die Antwort zur Parlamentarischen Anfrage hat jedenfalls klar ersichtlich gemacht, dass die KESt-Einnahmen aus Wertsteigerungen nur einen kleinen Bruchteil des Gesamtaufkommens aus der KESt ausmachen. Aus einem anderen Blickwinkel könnte man sogar argumentieren, dass die Wiedereinführung der KESt-Behaltefrist für in Summe höhere Einnahmen aus der KESt sorgen könnte. Wäre der Andrang auf dem Kapitalmarkt ein größerer, so würden wohl auch vermehrt Wertpapiere gekauft, bei denen es Dividendenausschüttungen gibt. Fakt ist, dass die Einnahmen aus KESt auf Dividenden aktuell mehr als 10-mal höher sind als die Einnahmen aus KESt auf Wertsteigerungen.
Bedeutung für Österreich
Mehr Leute würden privat vorsorgen, mehr davon über den Kapitalmarkt. Diese profitieren nicht nur individuell von der guten langfristigen Wertentwicklung, sondern der Druck auf das öffentliche Pensionssystem würde auf mittlere und lange Sicht nachlassen. Zudem ist ein starker Kapitalmarkt gut für den Wirtschaftsstandort Österreich. Es ist höchste Zeit, den Worten endlich auch Taten folgen zu lassen. Im Sinne all jener, die nicht nur an heute, sondern auch an morgen und übermorgen denken.