Der Rechnungshof: Die institutionalisierte Kontrolle
Ibiza-Video, Chatprotokolle, fragwürdige Inserate. Die Meldungen der letzten Jahre erschüttern das Vertrauen in die Politik.
Es gibt aber eine Stelle, die entschieden gegen diesen Trend arbeitet: den Rechnungshof. Gerade nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos und mehrmaligen Geldbußen gegen ÖVP, SPÖ und FPÖ durch den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat wegen der Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze wurde seine Rolle wichtiger und seine Kompetenzen erweitert. So kann er seitdem z.B. in die Belege und Unterlagen von Parteien Einschau halten. Aber geht das zu weit? Was macht der Rechnungshof überhaupt, und warum sollte er uns wichtig sein?
Die Aufgaben des Rechnungshofes
Der Rechnungshof ist in erster Linie für die sogenannte Gebarungskontrolle in Österreich zuständig. Das heißt: Er prüft, ob sich die Gebietskörperschaften – alle Gemeinden unter 10.000 Einwohner:innen ausgenommen – und bestimmte Einrichtungen, an denen der Staat mit zumindest 50 Prozent beteiligt ist, in ihrem Handeln den Prinzipien Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit folgen. Im Bereich Aufnahme von Schulden durch den Bund überwacht er außerdem das gesetzmäßige Zustandekommen derselben und ihre ordnungsgemäße Eintragung ins Hauptbuch der Staatsschuld.
Außerdem stellt der Rechnungshof seine Berichte der Öffentlichkeit zur Verfügung, die auch im Rechnungshofausschuss des Nationalrates diskutiert werden und Eingang in die polit-mediale Debatte finden, wie zuletzt Berichte über Corona-Hilfsgelder unter Beweis gestellt haben. Ein brisantes Beispiel dafür ist der Bericht über die COVID-19-Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG). Die COFAG wurde unmittelbar nach Ausbruch der Corona-Pandemie vom Finanzministerium gegründet und wickelte Finanzhilfen für Unternehmen im zweistelligen Milliardenbereich ab. Da sie aber wegen Doppelgleisigkeiten in den Strukturen und Überförderungspotenzial enorme Kosten verursachte und weitestgehend der parlamentarischen Kontrolle entzogen wurde, geriet sie vor allem wegen mangelnder Transparenz als sogenannte Blackbox in Verruf.
Für einen weiteren Eklat sorgten Beraterkosten im damaligen Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort in Höhe von insgesamt 36.000 Euro – die der Rechnungshof im Zuge seiner Prüfung über die „Umstellung von der Bürgerkarte / Handysignatur auf den elektronischen Identitätsnachweis (E–ID)“ aufdeckte –, weil die Leistungserbringung des Kommunikationsberaters bis heute völlig unklar ist und dafür auch keine Vergleichsangebote eingeholt wurden.
Die in Wien ansässige Kontrollinstitution zeigt aber nicht nur Mängel in der Nachbetrachtung auf, sondern warnt darüber hinaus auch immer wieder vor potenziellen Fehlentwicklungen: So steht es in Österreich etwa besonders schlecht um die nachhaltige Finanzierung des Pensionssystems. Insbesondere in der jüngeren Vergangenheit gab es einen budgetären Kostenanstieg, weswegen der Rechnungshof im Zuge des Bundesrechnungsabschlusses davor warnte, dass sich bis 2030 die budgetäre Pensionslast für den Bund sogar verdoppeln würde.
Ein Blick in die Geschichtsbücher
Dass der Rechnungshof solche Prüfungsmöglichkeiten innehat, war in der Vergangenheit aber keine Selbstverständlichkeit, sondern kurioserweise – historisch betrachtet – dem Zeitgeist des Absolutismus geschuldet. Als Systemerhalter des bestehenden Herrschaftssystems gab er einen Überblick über die Staatsfinanzen und verschaffte dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen europäischen Großmächten. Im Laufe seiner mittlerweile 261-jährigen Geschichte veränderte sich die Institution mehrmals: 1761 ins Leben gerufen als „Hofrechen-Cammer“ durch Erzherzogin Maria Theresia, um finanzielle Missstände in der Donaumonarchie aufzuzeigen, kam es ob seiner Kompetenzen in den Folgejahren zu jahrzehntelangen Auseinandersetzungen zwischen Kontrollbefürwortern und -gegnern. Nach mehreren Reorganisationen wurde schließlich 1866 per kaiserlicher Verordnung der „Oberste Rechnungshof“ als neue Kontrollbehörde gegründet, die dem Kaiser direkt untergeordnet und somit den Ministerien gleichgestellt war.
Mit der Gründung der Ersten Republik wurde er 1919 als „Staatsrechnungshof“ der Konstituierenden Nationalversammlung, also der Vorgängerin des österreichischen Parlaments, unterstellt. Und erhielt eine Erweiterung seiner Befugnisse: Durch Inkrafttreten des Bundes-Verfassungsgesetztes am 1. Oktober 1920 und seiner Novelle 1929 erlangte der Rechnungshof seine heutige Form als vorrangiges Kontrollorgan des Staatshaushalts. Obwohl er 1934 seiner Unabhängigkeit beraubt wurde und in der Zeit des Nationalsozialismus bloß zu einer Außenstelle des „Reichsrechnungshofes“ mutierte, überdauerte er diese dunkle Periode und konnte mit der Gründung der Zweiten Republik wieder seiner Stellung als oberster Hüter der Finanzgebarung gerecht werden.
Seitdem wurden seine Kompetenzen erfreulicherweise stets ausgeweitet. Einerseits weil es Bestrebungen zu einem transparenten Staatswesen gab, andererseits aber auch, weil der Druck auf die Regierenden nach zahlreichen innenpolitischen Skandalen immer größer wurde.
Macht braucht Kontrolle
Ende gut, alles gut, möchte man meinen. Wenn man sich aber den von Transparency International veröffentlichten Korruptionsindex 2022 ansieht, gibt es noch viel zu tun. Der Bericht stellt Österreich nämlich das schlechteste Zeugnis seit 2014 aus. Während das Ansehen der Politik in diesem Land eindeutig sinkt, steigt gleichzeitig laut einer Umfrage die Anzahl derer, die glauben, Politiker:innen seien korrupt und bestechlich seit 1981 um ganze 26 Prozentpunkte. Demokratiemonitor und Freiheitsindex bestätigen dieses Bild ebenfalls in Zahlen: Durch Vorwürfe und Vorgänge der Korruption sinkt nun mal das Vertrauen in das politische System.
Die verheerenden Skandale und Anschuldigungen auf höchster politischer Ebene sind ein riesiges Problem für das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat und die Demokratie. Kontrolle schafft allerdings Vertrauen – und Vertrauen ist die Essenz der Demokratie. Die demokratiepolitische Aufgabe des Rechnungshofes ist es daher, durch seine Kontrollfunktion Vertrauen in die Politik und ihre Institutionen zurückzugewinnen. Das wird vor allem dann gelingen, wenn die Inseratenkorruption, die intransparente Vergabe von Posten und öffentlichen Aufträgen sowie die Beeinflussung von Ermittlungs- oder Steuerverfahren ein Ende finden.
Die Politik als Ganzes, also alle Parteien und Institutionen in Verantwortung, täten gut daran, die Rolle des Rechnungshofes ernst zu nehmen und sollten die Chance ergreifen, dessen Kompetenzen auszuweiten. Dafür braucht es nur noch den politischen Willen. Denn Vorschläge dazu, z.B. ein Kontrollrecht gegenüber allen gemeinnützigen Bauvereinigungen, gäbe es schon seit geraumer Zeit.