Wie mit Inseraten Korruption betrieben wird
Schon lange beschäftigen wir uns in Österreich mit Inseratenkorruption. Aber was ist das eigentlich? Wie wird mit simplen Werbeschaltungen Korruption betrieben, und was ist eigentlich das Problem bei der freihändigen Vergabe von Inseraten? Ein Einstieg in einen Kernbegriff der Medienpolitik.
Österreich ist in den letzten Jahren mit vielen Krisen gleichzeitig beschäftigt. In vielen davon fällt das Wort „Korruption“ – auch wenn es um Vorgänge geht, die aktuell noch untersucht werden, ob durch den parlamentarischen U-Ausschuss oder durch Ermittlungen. Heute wollen wir uns der Erklärung eines Themas widmen, das die heimische Medienpolitik schon lange bestimmt und das die meisten schon gehört haben dürfen: der Inseratenkorruption.
„Inseratenkorruption“, das bezeichnet die gelebte Praxis, Werbung als Mittel zu verwenden, um möglicherweise illegale, zumindest aber unethische Ziele zu erreichen. Vielen in der Politik wird unterstellt, Inserate als Machtwerkzeug einzusetzen, um Berichterstattung zu beeinflussen. Aber wie funktioniert das eigentlich?
Wie Inseratenkorruption funktioniert
Ganz einfach eigentlich: Die öffentliche Hand, in welcher Form auch immer, kann Inserate in Medien schalten. Das ist eigentlich eine übliche Praxis und an sich nichts Verwerfliches: Auch der Staat darf die Öffentlichkeit über seine Leistungen, Gesetzesänderungen usw. informieren. Das Problem ist aber, wenn hinter der Vergabe des Inserates eine andere Absicht steckt: Wenn es nicht um Reichweite geht, sondern um die Beeinflussung der Berichterstattung.
Diese Praxis kann dazu führen, dass wichtige Informationen unterdrückt werden. Politische Akteure in Parteien und Ministerien können Inserate verwenden, um wichtige Informationen, die für die Öffentlichkeit von Interesse sind, zu verschleiern oder sogar zu unterdrücken. Ihr Kalkül: Wenn Medien in einem schwierigen Markt ohnehin von Inseraten abhängig sind, kann es nicht schaden, auf diese Weise „positive Berichterstattung anzustoßen“ – denn einen Werbestopp von Ministerien oder anderen Institutionen der öffentlichen Hand will sich kaum jemand leisten.
Ein strukturelles Problem des österreichischen Medienmarkts. Denn die wirtschaftliche Situation vieler betroffener Unternehmen ist nicht günstig, um redaktionelle Unabhängigkeit auch finanziell stemmen zu können. Viele kämpfen mit der Digitalisierung und haben noch keine Online-Geschäftsmodelle, gleichzeitig sinken die verkauften Print-Titel immer weiter. Dazu kommt, dass im ohnehin kleinen Markt viele Player um wenige große Werbekunden kämpfen – und einer der größten ist in Österreich eben auch der Staat.
Wie viel inseriert wird
Der hat es als Inseratenkunde auch in sich: 2020 gab die Bundesregierung z.B. 73 Millionen Euro für Werbung aus. Zum Vergleich: Die Presseförderung belief sich im selben Jahr auf 8,86 Millionen, die Regierungswerbung in Deutschland auf etwa 150 Millionen. Der Faktor zehn würde eigentlich nahelegen, dass Deutschland ein Vielfaches ausgeben würde – aber Regierungswerbung verschlingt in Österreich einfach mehr Geld als in vielen anderen Staaten. Unter Regierungschef Sebastian Kurz inserierte allein das Bundeskanzleramt um 41 Millionen Euro.
Das ist mehr, als die gesamte rot-schwarze Regierung – also alle Ministerien zusammen – im Jahr 2016 für Werbung ausgegeben hat, nämlich 16,2 Millionen. 2017 stiegen die Werbeausgaben auf 22,6 Millionen Euro, unter Türkis-Blau schossen sie auf über 40 Millionen im Jahr hoch. Das ist ein allgemeiner Trend, der sich ab der Regierungszeit von Sebastian Kurz zeigt. Seine Nachfolgerin als Außenministerin, die von der FPÖ besetzte Karin Kneissl, gab übrigens an, das Inseratenbudget in ihrem Ressort drastisch gekürzt zu haben: Sie sah „keine Rechtsgrundlage, derzufolge eine Verwaltungseinheit wie ein Bundesministerium ein Privatunternehmen wie einen Verlag regelmäßig mit Beiträgen in Millionenhöhe zu finanzieren hat“.
Symbolbild, produziert mit Midjourney AI
Angesichts dieser Summen, die von der Politik relativ freihändig und willkürlich vergeben werden können, werden Inserate oft als eine andere Art der Medienförderung bezeichnet. Und das, obwohl schon bei der „echten“ Medienförderung oft unklar ist, nach welchen Kriterien Geld vergeben wird. Das sollte aber eigentlich nicht ihre Aufgabe sein, denn bei Inseraten sollte es um Reichweite und Zielpublikum gehen, statt um andere Absichten. Trotzdem können sich die Ministerien aussuchen, für welche Kampagne sie wo und wie viel bewerben – ohne nachvollziehbare, transparente Kriterien.
Für Korruption braucht es zwei
Inseratenkorruption kann aber auch in die andere Richtung gehen. Nämlich dann, wenn Medien ihre Marktmacht ausnutzen und damit drohen, ihre Reichweite zum Negativen zu nutzen. Was damit beschrieben wird, erinnert aber eher an Schutzgeld als an eine seriöse Anzeigenabteilung. Demnach werden große Unternehmen, aber auch Politiker:innen unter Druck gesetzt, zu inserieren – ansonsten werde es negative Berichterstattung geben. Für inserierende Kundschaft gibt es dagegen „redaktionelle Begleitung“: Ein Code für positive Berichterstattung, die nicht als Werbung gekennzeichnet ist.
Der PR-Ethikrat zeigte schon 2016 in einer Studie, dass Boulevardzeitungen mit diesen unethischen Praktiken Profit machen. Berichte dazu kennen viele – mit eigenem Namen will sich dazu aber kaum jemand äußern. Zu groß ist die Angst vor Repressalien.
Gefährliche Nähe
Die Politik hat also einen mächtigen Hebel, um sich freundliche Berichterstattung zu kaufen, und es scheint auch mehrere Player in Österreichs Medienlandschaft zu geben, die dieses Spiel mitspielen. Dabei geht es nicht immer um direkte Zahlungen durch Inserate, sondern auch um ein bedenkliches Naheverhältnis zwischen einflussreichen Personen.
Dieser Eindruck bestätigt sich auch durch aktuelle Chatprotokolle. Rainer Nowak, der Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse, musste etwa seinen Posten freimachen, als bekannt wurde, dass er die Recherche seiner eigenen Mitarbeiterin sabotierte, indem er dem damaligen ÖBAG-Chef Thomas Schmid Antworten auf ihre Fragen schickte. Ähnliche Vorwürfe einer zu großen Nähe betreffen Matthias Schrom, der Chefredakteur des ORF-Fernsehens war: Sein Austausch mit dem früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wurde ihm zum Verhängnis.
Die Anständigen sitzen im selben Boot
Als wäre das alles nicht genug, wird die Geschichte auch noch komplizierter: Denn es sind natürlich nicht alle so. Es gibt sowohl saubere Politik, die keinen derartigen Einfluss auf Medien ausüben will, als auch Medien, die sich dieser Einflussnahme verwehren. Interventionsversuche, sei es durch Anruf, E-Mail, im persönlichen Gespräch oder durch die Anzeigenabteilungen, wurden in der Vergangenheit schon des Öfteren öffentlich gemacht – Inseratenkorruption ist auch deshalb so ein sensibles Thema, weil sie allen zumindest vom Hörensagen bekannt ist.
Das Problem ist aber, dass diese anständigen Player auf beiden Seiten im Gesamtbild untergehen. Denn wenn man hört, dass sich die Politik in Medien Berichterstattung kaufen kann und dass Chefredakteure privat mit politischen Akteuren chatten, kann man als durchschnittlich politisch interessierter Mensch schnell den Eindruck bekommen, dass es sich die Mächtigen richten. Darunter leiden auch jene Medien, die sich nichts zuschulden kommen lassen, und damit auch der Medienstandort Österreich.
Wie man Korruption bekämpfen kann
Lösungsansätze gibt es. Eine transparente Vergabe anhand nachvollziehbarer Kriterien könnte der Politik zumindest Grenzen setzen, wie viel Geld sie aus falscher Motivation heraus vergeben kann. Aber auch eine neue Form der Presseförderung hätte das Potenzial, viel zu verbessern: Wenn Medien nicht mehr auf das Geld der öffentlichen Hand angewiesen wären, könnten sie leichter für ihre Unabhängigkeit einstehen.
So oder so wird es eine Lösung brauchen, mit der Medien genug Geld haben, und mit der die Politik sich einer neuen Transparenz stellen muss. Konkrete Gesetzesvorschläge dazu legt die Bundesregierung aktuell nicht vor – über die Gründe dafür kann man nur spekulieren.