Der Tod, das muss ein Föderalist sein
Österreich hat ein eigenes Verhältnis zum Tod. Vom nonchalanten lieben Augustin, der die Nacht in der Pestgrube in Wien unbeschadet übersteht, bis hin zu den Kärntner:innen, die ihre komplexe Todessehnsucht in lyrisch-melancholischen Kärntnerliedern verarbeiten. Allerdings wäre es nicht Österreich, wenn die Bundesländer nicht eine entscheidende Rolle darin hätten, wie der letzte Weg aussehen kann – in Österreich muss der Tod ein Föderalist sein.
Der letzte Wunsch in der letzten Strophe des Kärntnerlieds „In der Mölltalleitn“ ist, dass der Sarg, der die:den Sänger:in nach dem Tod umfassen wird, bei der Prozession auf den Friedhof noch einmal auf der Sonnenseite des Mölltals stehen bleiben soll. Hoffentlich hat man dafür vorher die Erlaubnis der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters eingeholt. Das Lied lässt uns darüber im Unklaren.
Denn die Bundesländer entscheiden, welche Institution über die Bewilligung einer Aufbahrung des Sarges entscheidet – in Kärnten eben Bürgermeister:innen. Das Mölltal in der Nordwestecke Kärntens ist nicht weit weg von Salzburg und Osttirol. Dort hätten die Sänger:innen mit so einem Begehren bei den Bürgermeister:innen kein Glück – dort müsste das letzte Stehenbleiben auf der Sonnenseite des Tals nämlich bitte mit dem:der Totenbeschauer:in geklärt werden.
Nicht nur das wird von neun verschiedenen Landesgesetzen geregelt: Da fast alle Gesetze, die mit Gesundheit und Hygiene zu tun haben, in die Landeskompetenz fallen, sind praktisch der gesamte Umgang mit Verstorbenen und die Regelung von Begräbnissen in Österreich Sache der Bundesländer. Konkret bedeutet dass, dass die Postleitzahl darüber bestimmt, was nach dem Tod zu passieren hat und passieren darf.
Aufbahrung variiert nach Postleitzahl
Wenn wir beim Beispiel Aufbahrung bleiben – in Wien ist eine private Aufbahrung, etwa in der Wohnung oder dem Haus, gar nicht möglich. Das Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz legt nämlich fest, dass Aufbahrungen für „die Dauer der Trauerzeremonie“ nur in entsprechenden Räumen von Bestattungsunternehmen oder einem „Sakralraum“ stattfinden dürfen. Ausnahmen gibt es allerdings für Ehrenbegräbnisse oder anerkannte Religionen und Ordensgemeinschaften. In allen anderen Bundesländern ist eine Aufbahrung auch außerhalb von Bestattungsunternehmen möglich – eben je nach Land mit Information oder Bewilligung durch Bürgermeister:innen, Totenbeschauer:innen oder Magistrate.
Hier spiegeln sich auch die verschiedenen Begräbnistraditionen auf dem Land und in der Stadt wider. Gerade im bäuerlichen Umfeld wurde der:die Tote zu Hause, oft im Bett, in dem er oder sie gestorben ist, aufgebahrt. Bei der „Totenwache“ wurde und wird gerne über Nacht zusammen gebetet, an das Leben des:der Verstorbenen erinnert, oft auch gegessen – das bietet eine Möglichkeit für Verwandte, Freund:innen und auch die Gemeinschaft, Abschied zu nehmen. Auch hatte es historisch in Zeiten vor industriell gefertigten Särgen die Funktion, die Zeit zu überbrücken, bis ein eigens geschreinerter Sarg fertig war.
Das steiermärkische Landesgesetz kommt hier der Tradition am Land am weitesten entgegen, man könnte auch sagen, lässt dem Schmerz und der Verarbeitung des Verlusts am meisten Raum: Das Belassen des Leichnams in der Wohnung oder im Haus für die ersten zwölf Stunden nach dem Tod wird nicht einmal als Aufbahrung definiert und kann unkompliziert von dem:der Totenbeschauer:in nach der Feststellung des Todes bewilligt werden. Kein weiterer Behördengang notwendig.
Föderales Dickicht der Bestattungsregeln
Weniger volksnah zeigen sich die Landesgesetze allerdings, wenn es darum geht, welche Bestattungsformen möglich sind. Bei Aufbahrungen sind die Landesgesetze, mit Ausnahme von Wien, recht unkompliziert, bei den Regeln darüber, welche Arten von Begräbnissen überhaupt erlaubt sind, treibt der Föderalismus allerdings teilweise seltsame Blüten.
Die Stadt Wien verbietet beispielsweise Seebestattungen auf der Donau, in Niederösterreich ist das aber möglich – auf der Donau, die unterhalb von Klosterneuburg durch Wien fließt. Das geht sogar so weit, dass die Wien-eigene Bestattung in Kooperation mit einem niederösterreichischen Unternehmen Seebestattungen im Nachbarbundesland anbietet. An der Tatsache, dass die der Donau übergebenen sterblichen Überreste dann vielleicht wieder durch Wien schwimmen, kann auch der Föderalismus nichts ändern.
Auch das Ausrollen alternativer Bestattungsarten wie Naturbegräbnisse geschah in den letzten Jahren sehr unterschiedlich – die Bundesländer haben teilweise lange gebraucht, um Naturbestattungen mit oder ohne Urnen zu bewilligen. Unter Naturbestattung fällt dabei das Vergraben der Asche in einem Wiesen- oder Waldstück oder das Ausstreuen der Asche in einen Fluss, See oder das Meer. Die Gesetze sind dabei so streng gehalten, dass so eine Naturbestattung (außer im Wasser) nur auf Arealen stattfinden darf, die zu einem Friedhof gehören. Friedhofsbetreiber:innen müssen also entsprechend Platz haben, um noch ungenutzte Bereiche für diese Variante anbieten zu können.
Wer die Asche seiner Hinterbliebenen in einem alten Wald beisetzen will, muss dagegen mitunter lange Wege auf sich nehmen – aktuell gibt es nur vier Waldstücke in ganz Österreich, die rechtlich als Friedhof gewidmet wurden und dadurch für solche Beisetzungen zur Verfügung stehen: in Mauerbach/Wien, in Korneuburg und Mödling in Niederösterreich und in Kundl/Tirol.
Neue Begräbnisformen? Nur nicht hudeln!
Und auch was neue, grünere Bestattungsformen angeht, ist Österreich bei weitem kein Vorreiter. Als die Bestattungsart mit einem der kleinsten CO2-Abdrücke gilt die alkalische Hydrolyse, bei der der Körper durch Laugen und Erhitzen bis 150 Grad quasi „kalt“ eingeäschert wird. Obwohl Interesse bestünde, gibt es in keinem Bundesland eine Debatte darüber, ob diese Methode erlaubt werden soll. Und da Erdbestattungen, wieder je nach Bundesland, nur mit Sarg oder Leichentuch erlaubt sind, ist aktuell eine Kompostierung des Körpers in entsprechenden Einrichtungen auch nicht möglich. Obwohl das von Fürsprecher:innen als eine der zukunftsreichsten Varianten angesehen wird, auch im Hinblick auf Klimawandel und Flächenfraß.
Dass in Österreich der Föderalismus seltsame Blüten treibt, ist nichts Neues. Dass diese Stilblüten auch auf den Gräbern sprießen, ist allerdings letztendlich ein Ärgernis und eine Respektlosigkeit gegenüber Hinterbliebenen, die sich in ihrer Trauer nicht mit Bürokratie und Landesgesetzen beschäftigen sollten.