Die Prioritäten von Schwarz-Blau in der Landespolitik
6. Dezember 2023. Verfassungsausschuss im Parlament. Auf der Tagesordnung steht – wie üblich um diese Zeit im Jahr – die Anpassung der Politiker:innen- und Beamt:innengehälter. Bei den Beamt:innen wird – wiederum: wie üblich – aus dem Vollen geschöpft. Die Spitzenpolitik dagegen ging leer aus. Der Bundespräsident, der Bundeskanzler und die gesamte Minister:innenriege schauen somit durch die Finger.
Der FPÖ ging das nicht weit genug. Sie beantragte eine Nulllohnrunde für alle Spitzenpolitiker:innen auf Landesebene – also Landeshauptleute, Landesrät:innen, Landtagspräsident:innen etc. Dort ist, etwas pathetisch, die Rede vom „Akt des Anstandes, diesen Verzicht zu leben“. Der Antrag wurde natürlich, wie alle Oppositionsanträge, von Schwarz-Grün abgeschmettert.
Einen Tag später wird bekannt, dass Schwarz-Blau in Niederösterreich die Politiker:innengehälter um 9,7 Prozent erhöhen wird. In Oberösterreich und Salzburg wird unter Schwarz-Blau um 4,85 Prozent erhöht. Zu den Erhöhungen kann man sagen, was man will: Manche halten es für eine populistische Debatte, manche für ein Zeichen des Anstands. Aber ganz unabhängig davon entsteht der Eindruck, dass die FPÖ Wasser predigt und Wein trinkt – oder auf EU-Ebene eben Champagner.
Diese Causa wirft die Frage auf: Was passiert eigentlich in den drei Bundesländern, in denen die ÖVP mit der FPÖ regiert? Ist es vielleicht gar nicht so schlimm, wie manche glauben? Oder ist es sogar noch schlimmer?
Niederösterreich: Corona-Fonds und Genderverbot
Am 17. März 2023 wurde das „Arbeitsübereinkommen“ zwischen ÖVP und FPÖ in Niederösterreich präsentiert. 39 locker bedruckte Seiten, deren Inhalt ein wenig zum Schmunzeln anregt. Von Entschädigungen für Gesetzesbrecher:innen bis hin zum Gendern war die Rede im Papier. Fast neun Monate später ist vielen das Schmunzeln vergangen.
Wie wichtig der FPÖ das Thema Corona ist und wie verzweifelt die ÖVP Anfang des Jahres war, zeigt sich im Arbeitsübereinkommen der beiden. Das Kapitel „CORONA“ scheint im Inhaltsverzeichnis nicht auf, wird aber in der ansonsten alphabetischen Themenauflistung – von A wie Arbeit bis Z wie Zusammenarbeit – ganz vorne genannt. Wohl ein Indiz, wie hastig es hineinverhandelt und übernommen wurde. Wenig verwunderlich also, dass der sogenannte Corona-Fonds eine der ersten Maßnahmen der schwarz-blauen Koalition war: Rund 31 Millionen Euro wurden aufgestellt, um unter anderem Menschen, die sich über damals geltendes Recht hinweggesetzt haben, zu entschädigen. Konkret Corona-Maßnahmen, die später vom VfGH aufgehoben wurden.
Würde dies Schule machen, wäre das staatliche Gefüge und der Rechtsfrieden in Österreich in ernster Gefahr. Gesetze sind erst verfassungswidrig und aufgehoben, wenn dies vom Verfassungsgerichtshof festgestellt wird. Ein unrealistisches und dummes Beispiel zur Veranschaulichung: Der VfGH hebt Tempo 100 auf Landstraßen auf und sagt, das ist aus irgendeinem Grund verfassungswidrig. Soll man dann alle entschädigen, die jemals aufgrund zu schneller Fahrt gestraft wurden?
Wenig später kam der sogenannte Gender-Erlass: Seit 1. August 2023 dürfen Landesbedienstete nicht mehr mit Doppelpunkt, Sternchen oder Binnen-I gendern. Wie wichtig der FPÖ allgemein der Kampf gegen den „Genderwahnsinn“, wie es Udo Landbauer immer wieder nennt, ist, zeigt sich auch im parlamentarischen Tagesgeschäft: Für gemeinsame Anträge, Verlangen etc. ist meist deren einzige Kontribution, nicht zu gendern. Inhaltlich ist ihnen meist alles egal. Somit war es nur logisch, dass Udo Landbauer nicht Landeshauptfrau-Stellvertreter genannt werden will, sondern Landeshauptmann-Stellvertreter. Dass Johanna Mikl-Leitner, deren Stellvertreter er ist, eine Frau ist und die Bezeichnung somit faktisch falsch ist, dürfte jedem außerhalb der FPÖ klar sein.
Salzburg: Herdprämie und Anti-Abtreibungs-Kampagne
Nur kurze Zeit später, am 26. Mai 2023, wurde in Salzburg das zweite schwarz-blaue Regierungsübereinkommen des Jahres vom Wahlverlierer und Landeshauptmann Wilfried Haslauer junior und der Gewinnerin Marlene Svazek vorgestellt. Im Wahlkampf hatte die ÖVP, wie schon im Niederösterreich-Wahlkampf, noch explizit vor den Blauen gewarnt. In den gut sechs Monaten ist noch nicht viel passiert, allerdings lässt der Inhalt des 51 Seiten starken Papiers Böses erahnen. Generell hat man das Gefühl, kein Programm aus dem Jahr 2023 vor sich zu haben, sondern eher eines, das Wilfried Haslauer senior in den 70ern ausverhandelt hat. So ist auf Seite 34 des Programms Folgendes zu lesen:
„Die Kinderbetreuung ist für viele, besonders für junge Familien, eine große Herausforderung, bei der wir sie bestmöglich unterstützen wollen. Wichtig ist uns die Wahlfreiheit: Das bedeutet einerseits die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, andererseits die Wertschätzung und Anerkennung für jene Familien, die ihre Kinder familienintern betreuen wollen.“
Und weiter:
„Wir wertschätzen die Leistung von Familien, die ihre Kinder familienintern betreuen, und wollen sie bei dieser herausfordernden Aufgabe bestmöglich unterstützen. Wir werden diesbezüglich entsprechende Maßnahmen erarbeiten und eine Form der finanziellen Unterstützung, mit der Festlegung klarer Reglementierungen in Hinblick auf Spracherwerb und Integration, prüfen.“
Man könnte es auch mit einem Wort kurz zusammenfassen: Herdprämie. Das bedeutet nichts anderes, als dass man Müttern Geld zahlen will, damit sie ihre Kinder selbst zu Hause betreuen. Daran ist in erster Linie nichts auszusetzen, wenn es freiwillig passiert – allerdings gibt es diese gepriesene Wahlfreiheit in Salzburg de facto nicht. Die Kinderbetreuungsquote bei den unter Dreijährigen liegt lediglich bei 26 Prozent. In Wien sind es übrigens 42 Prozent. Und laut Schwarz-Blau soll sich daran auch nichts ändern.
Wenn man schon bei fehlender Selbstbestimmung von Frauen ist: Man muss nicht einmal die Seite des Regierungsprogramms wechseln, um zum Thema Abtreibungen zu kommen: „Wir werden eine Informationskampagne des Landes zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaft sowie zu Adoption und Pflegeelternschaft als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch ausarbeiten.“ Zudem soll auch eine Studie zu den Gründen von Schwangerschaftsabbrüchen durchgeführt werden. Frauen müssen sich also einen Schwangerschaftsabbruch auch in Zukunft in einem der zwei Spitäler in Salzburg selber bezahlen (ca. 800 Euro). Das Einzige, was sich für sie ändert: dass ihnen zusätzlich ein schlechtes Gewissen eingeredet wird und irgendjemand, den es nichts angeht, sie über ihre Beweggründe ausfragt.
Im Land der Skilifte findet die Koalition auch „eine generelle Überarbeitung der Kompetenzen und Mitwirkungsrechte der Landesumweltanwaltschaft unumgänglich.“ Die Landesumweltanwaltschaft hat aktuell Parteienstellung in Verwaltungsverfahren bei allen größeren Projekten. Natürlich besteht dadurch die Möglichkeit, umweltschädliche Projekte zu verzögern oder gar zu verhindern. Welche das sind, ist im § 8 LUA-G aufgezählt. Dazu zählen der Bau von Landstraßen, Errichtung von Ställen, Campingplätzen, Abfallanlagen, großen Stromerzeugungsanlagen uvm. Das soll sich nach Meinung von Schwarz-Blau in Zukunft ändern.
Thomas Bernhard beschrieb bereits 1983 die Salzburger Landesregierung im Roman „Der Untergeher“ – aktueller denn je:
„… ein stumpfsinniges Provinznest mit dummen Menschen und kalten Mauern, in welchen mit der Zeit alles zum Stumpfsinn gemacht wird, ausnahmslos. Die Salzburger waren immer fürchterlich wie ihr Klima, und heute ist alles noch viel fürchterlicher.“
Oberösterreich: Asylwerber-Arbeitspflicht und parteinahe Medienförderung
Die längste Liaison mit der FPÖ hat mittlerweile die ÖVP Oberösterreich. Seit dem 23. Oktober 2015 regiert dort eine schwarz-blaue Koalition. Anfangs sogar ohne eine einzige Frau in der Landesregierung – was ein Novum seit 20 Jahren war.
Am 9. Dezember 2023 wurde bekannt, dass sich die schwarz-blaue Koalition in Linz, das 24 Kilometer von Mauthausen und 22 Kilometer von Gusen entfernt ist, über eine Arbeitspflicht für Asylwerber:innen geeinigt hat. Bei einer Weigerung soll eine Reduktion des 40-Euro-Taschengeldes bzw. eine Kürzung von Sach- und Geldleistungen möglich sein. Die Arbeitspflichtigen sollen bei sogenannten Hilfsdiensten eingesetzt werden. Wie dies mit dem Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit des Art 4 EMRK in Einklang zu bringen ist und was das für den übrigen Arbeitsmarkt bedeutet – Stichwort Lohndumping –, ist gänzlich unklar. Schließlich sollen die Arbeitspflichtigen lediglich einen „Anerkennungsbeitrag“ von 3–5 Euro pro Stunde bekommen.
Und wofür gibt Schwarz-Blau in Oberösterreich Steuergeld aus? Unter anderem für Inserate in ihren eigenen Medien. Sowohl das von der ÖVP betriebene Volksblatt als auch FPÖ-nahe Medien wie der Wochenblick erhalten Geld über Inserate der Landesregierung. Auf diesen Seiten wird für Verschwörungstheorien geworben, die Corona-Pandemie geleugnet und Wladimir Putin verehrt.
Die Rückkehr des kleinen Glücksspiels
Kleines Glücksspiel ist in Österreich Ländersache. Ganz simpel gesagt: Das sind Spielautomaten außerhalb von Casinos. Und damit auch jene Automaten, die man in Tankstellen und in Wirtshäusern findet. Diese Automaten sind aufgrund des niederschwelligen Zugangs vor allem für Jugendliche und Spielsüchtige eine Gefahr und werden von Experten kritisiert. In den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, der Steiermark und Kärnten sind die Landesausspielungen erlaubt, in Wien, Salzburg, Tirol und Vorarlberg hingegen sind sie verboten.
In Salzburg soll sich das nun ändern – weil man das illegale Glücksspiel, zumindest wenn es nach FPÖ-Chefin Marlene Svazek geht, nicht in Griff bekommen würde. Nach der gleichen Logik könnte man in Salzburg auch Crystal Meth und Kokain legalisieren. Angemerkt sei, dass der größte Automatenhersteller und Betreiber Novomatic ist, die laut Ex-FPÖ-Chef Strache „alle zahlt.“ Ob das Zufall ist, dass ausgerechnet in allen schwarz-blau regierten Ländern das kleine Glücksspiel erlaubt ist, und dass jetzt in Salzburg das kleine Glückspiel als Erstes angegangen wird, sei dahingestellt.
Wohin die Reise allgemein mit Schwarz-Blau weitergeht, bleibt abzuwarten. Vielleicht gibt es wieder Polizeipferde, eine Aufhebung des Rauchverbots oder das Verbot von „familienzersetzenden“ Frauenhäusern. Eines ist jedenfalls sicher: Der ÖVP geht es niemals um Inhalte, sondern immer nur um Macht.