Das Comeback der Herdprämie
Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg: FPÖ-Regierungsbeteiligungen scheinen für Mütter ohne Erwerbsarbeit die Möglichkeit „Hausfrau als Beruf“ zu bringen. Das alleine bedeutet aber keine „Wahlfreiheit“.
Wer momentan in Österreich ein Kind bekommt, kann bis zu zwei Jahre aus dem Berufsleben aussteigen und bekommt als Ersatz für sein Gehalt Kinderbetreuungsgeld. Wer kürzer in Karenz geht, bekommt monatlich mehr Geld, wer die Betreuungszeiten zwischen den Eltern gleich aufteilt, bekommt ebenfalls mehr.
So steht für jedes Kind unabhängig von der Dauer der Karenz die gleiche Summe zur Verfügung, Ziel ist also, dass jedes Kind gleich viel wert ist – egal ob die Eltern lieber daheim bleiben und auf „eine klassische Familie“ setzen, oder ob beide Eltern rasch ins Arbeitsleben zurückkehren. Der FPÖ-Kurs sieht dagegen vor, mehr zu bezahlen, wenn Kinder zu Hause betreut werden. Zumindest für die Eltern – insgesamt spart sich der Staat so Ausgaben für Kinderkrippen und Kindergärten.
Die Herdprämie im Familienzuschuss
Was durch die beiden Regierungsprogramme in Niederösterreich und Salzburg für viele jetzt wie eine neue Form rückständiger Politik wirkt, ist eigentlich gar keine Neuerung, die diese Bundesländer jetzt rein der FPÖ zu „verdanken“ haben. In Oberösterreich gibt es den Kinderbetreuungszuschuss seit fünf Jahren, zugegebenermaßen wurde dieser unter FPÖ-Regierungsbeteiligung eingeführt. In Glossen wurde damals darüber gewitzelt, dass das Modell Berichten nach in einzelnen Vorarlberger Gemeinden kopiert wurde. Nicht erwähnt wurde dabei, dass in Vorarlberg schon lange davor der sogenannte Familienzuschuss ausbezahlt wurde: 2017 gab es dazu den schönen Titel „Der Familienzuschuss ist ein Relikt“.
Unbemerkt von der öffentlichen Debatte gibt es in Vorarlberg schon seit langem einen Bonus, wenn man die eigenen Kinder ab ihrem zweiten Geburtstag selbst daheim betreut und keinen Kindergartenplatz beansprucht. Der wird auch in Vorarlberg je nach Situation der Familie angepasst: Monatlich beginnt er bei 50 Euro, der Höchstbetrag liegt mittlerweile bei 600. Nicht endlos viel, aber mehr als das pauschale Kinderbetreuungsgeld, das man bei vollen zwei Jahren Karenz bekommt.
Insgesamt können Mütter so „bezahlt“ bis zu dreieinhalb Jahre zu Hause bleiben. Seitens der FPÖ wird das als neue Idee, als „Schritt zur Wahlfreiheit“ bezeichnet: Durch diesen Bonus gibt es weniger finanzielle Einbußen, wenn eine Frau nicht arbeiten geht, sondern daheim bleibt. Die andere Ansicht ist natürlich, dass es nur echte Wahlfreiheit gibt, wenn man auch einen Kindergartenplatz nutzen kann. Die philosophische Frage lautet also: Was versteht man unter Wahlfreiheit?
Die Wahl, die ich nicht habe
Jahrhundertelang war die Rollenverteilung klar: Die Frau kümmert sich um die Kinder. Wer arm war, musste trotzdem arbeiten. Wer es sich leisten konnte, musste sich nicht einmal um die Kinder kümmern, sondern hatte dafür Personal. Mit der Emanzipation war Arbeit aber für Frauen nicht mehr nur Notwendigkeit, sondern ein Mittel zur Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung. Also stellt sich die Frage, welche der beiden Ansichten stimmt: Ist es Freiheit, Kinderbetreuung selbst zu übernehmen? Oder ist es Freiheit, eben das nicht tun zu müssen?
Genau dieser Zugang stellt sich schon in der Frage des Namens. Ist es eine „Herdprämie“, also eine Prämie dafür, dass eine Frau daheim hinter dem Herd bleibt? Oder ist es ein „Kinderbetreuungszuschuss“, also ein Zuschuss für die Betreuungsarbeit, wie eine Bezahlung für eine ausgeführte Tätigkeit? Den gibt es andernfalls ja auch für Betreuung in der Krippe oder im Kindergarten. Oft wird deshalb infrage gestellt, warum dieser nur bei institutioneller Betreuung ausbezahlt wird und nicht bei eigener Betreuung.
Das klingt zwar alles nach Fragen, die jede Familie für sich selbst entscheiden muss. Doch die angebotene Kinderbetreuung in Österreich gibt Frauen hier oft keine Wahl. Personalmangel, eingeschränkte Verfügbarkeit, eingeschränkte Öffnungszeiten, hohe Betreuungskosten – all diese Faktoren führen ja schon beispielsweise zu einer hohen Teilzeitquote bei Frauen – von echter Wahlfreiheit kann also keine Rede sein.
Theoretisch kann die neue Gleichstellung zwischen institutioneller und innerfamiliärer Betreuung als Gerechtigkeit gesehen werden. Allerdings gibt es dafür keine Pensionsanrechnungen, und Betroffene sind außerhalb des Versicherungssystems. Außerdem geht es auch um die tatsächliche Option: In Niederösterreich beispielsweise kann ein Kind erst mit zweieinhalb Jahren den Kindergarten besuchen – also selbst bei der allerhöchsten Karenzdauer bekommen Eltern automatisch ein Problem, weil einfach Betreuungsmöglichkeiten für ein halbes Jahr fehlen. Und Kinderkrippen, als Betreuung für jüngere Kinder, gibt es nur in einem Viertel der niederösterreichischen Gemeinden.
Sollte für diese Zeit eine „finanzielle Aufwertung für Kinderbetreuung im Familienverband“ kommen, wie es im Regierungsprogramm heißt, wäre das eine Entschädigung für die mangelnde Option, Erwerbsarbeit nachzukommen. Sollte es ein Anreiz sein, um sich die Kosten für einen Kindergartenplatz zu ersparen, wäre die Absicht fragwürdiger. Denn mehr arbeitende Frauen bedeuten auch: mehr Steuereinnahmen, weniger Altersarmut, höhere Bildungschancen für Kinder. Warum also sollte man das untergraben wollen?
Frühe Kinderbetreuung bedeutet auch frühe Bildung
Gerade die Argumentation über Bildung ist die andere Seite: In Salzburg und Niederösterreich wird die familieninterne Betreuung ganz klar mit Integration in Zusammenhang gebracht. Was schwierig ist – denn Kinder mit Migrationshintergrund, die früh in Kinderkrippen oder Kindergärten kommen, sind früher mit Deutsch als Umgangssprache konfrontiert und entwickeln daher auch schneller eine bessere Sprachkompetenz. Schwierig an der Debatte ist, dass de facto von allen Seiten mit Vorurteilen gearbeitet wird: „Ausländer haben mehr Kinder, Frauen bleiben eher daheim und dadurch kann keiner in der Familie Deutsch.“ Spracherwerb und Integration sollen aber trotzdem geprüft werden – klingt also wie Schikane.
Die Sprachkompetenz von Kindern wirkt sich aber ebenso wie der Bildungsstatus der Eltern auf deren Bildungserfolg aus. Was einerseits als „Wahlfreiheit für Eltern“ geframt wird und trotzdem Integrationsprüfungen vorsieht, kann unter einem anderen Framing also weniger Bildungschancen für Kinder bedeuten – vor allem wenn sie Migrationshintergrund haben. Denn dass Kinder völlig unabhängig von ihrer Herkunft von Elementarbildung profitieren, zeigt die Bildungswissenschaft deutlich. Man kann aber schon abschätzen, aus welchen Lagern die Kritik an den „Sozialleistungsempfängern mit vielen Kindern“ kommen werden.
Auswirkungen der Herdprämie im Experiment
Was man letztendlich unter „Wahlfreiheit“ versteht, ist also sowohl eine philosophische Frage als auch eine konkrete Frage des Angebots. Und momentan wird in Ländern, die beim Ausbau der Kinderbetreuung deutlichen Aufholbedarf haben, das Daheimbleiben stärker gefördert.
Zumindest die Budgetauswirkungen sind tatsächlich verhältnismäßig gering. Sowohl in Oberösterreich als auch in Vorarlberg belaufen sich die Auszahlungen durch den Familienzuschuss auf rund 2,5 bis 3 Millionen Euro im Jahr, in Vorarlberg wird er für knapp 1.000 Kinder ausbezahlt. Für 60 Prozent der Kinder wird ein Betrag in der höchsten Kategorie, also zwischen 400 und 600 Euro im Monat ausbezahlt.
Die Folgen sieht man direkt: Vorarlberg schneidet sowohl bei den Öffnungszeiten der Kindergärten als auch beim Gender-Pay-Gap im Österreichschnitt am schlechtesten ab. Ob das tatsächlich mit der „gelebten Wahlfreiheit“ zusammenhängt, sei dahingestellt. Niederösterreich und Salzburg bieten jedenfalls bald ein Experiment, in dem man Zusammenhänge zwischen Wahlfreiheit und Gender-Pay-Gap beobachten können wird.