FAQ: Worum geht es im Fall Egisto Ott?
Erneut rauscht ein Name durch die Zeitungen des Landes: Egisto Ott. Ein Name, der mit vielen Themen in Zusammenhang steht: Geheimdienste, russische Spionage und Jan Marsalek. Für alle, die zu spät in die Geschichte eingestiegen sind, haben wir alle Infos, die man im Zusammenhang mit Egisto Ott wissen sollte.
Wer ist dieser Egisto Ott eigentlich?
Das Wesentlichste zuerst: Egisto Ott ist ein Spion, der im Auftrag Russlands gegen Österreich spioniert haben soll. Seit 2017 wird in diesem Zusammenhang auch gegen ihn ermittelt – es war also schon länger bekannt, dass es ein entsprechendes Problem gibt. Das tat er in seiner früheren Funktion als Beamter des BVT, also des Staatsschutzes. Mittlerweile ist Ott in Untersuchungshaft.
Was war das BVT?
BVT stand für „Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung“, es war einer der österreichischen Nachrichtendienste. Nachrichtendienste wiederum sind sowas wie Geheimdienste, wobei sie auf die Beschaffung und Auswertung von Information beschränkt sind. Geheimdienste haben dazu noch starke polizeiliche Befugnisse und sind eher das, was man sich unter der CIA vorstellt.
Unter Innenminister Herbert Kickl wurde das BVT „zerschlagen“: Bei einer Hausdurchsuchung der Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität wurde unter anderem Material über Rechtsextremismus beschlagnahmt. Im Vorfeld wurde ein anonymes Pamphlet versendet, das angebliche Missstände im BVT aufzeigen sollte. Ausländische Partnerdienste verloren durch die Hausdurchsuchung das Vertrauen in Österreich und stellten (teilweise bis heute) die Zusammenarbeit ein. Mittlerweile gibt es einen neuen Nachrichtendienst: die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst, DSN.
Welche Vorwürfe werden gegen Ott erhoben?
- Unter anderem soll Ott drei Handys von Mitgliedern eines politischen Kabinetts nach Moskau gebracht haben. Nach einem Bootsunfall in Niederösterreich wurden diese drei Handys einem BVT-Beamten übergeben, um sie zu reparieren – stattdessen fanden sie ihren Weg zu Ott. Dieser soll sie wiederum verwendet haben, um sensible Daten und sogar Staatsgeheimnisse nach Russland zu schleusen.
- In der Wohnung von Otts Schwiegersohn sollen Laptops gegen Bargeld getauscht worden sein: Die Laptops mit sensiblen Daten – einer davon soll etwa streng geheime Daten aus Deutschland enthalten – sollen wiederum nach Russland gebracht worden sein. Das geht aus Chats von Jan Marsalek hervor, der von seinen „Geldwäsche-Jungs“ spricht.
- Außerdem stellte er in seiner Funktion immer wieder Anfragen, auch im Ausland, in denen es um russische Regimekritiker ging. In Zypern lässt er Adresse und Kennzeichen eines russischen Geschäftsmanns abfragen, wenig später wird das Auto mit einem GPS-Tracker beobachtet. Mit diesen Personalabfragen soll Ott laut Medienberichten auch Geld gemacht haben.
- Auch nach seiner Suspendierung war Ott im russischen Auftrag tätig. So stellte er etwa eine Melderegister-Anfrage zur Adresse des russland-kritischen Journalisten Christo Grozev – dieser wiederum hatte rund um den Mordversuch an Alexei Nawalny recherchiert und war dem Kreml daher ein Dorn im Auge. Später wurde in Grozevs Wohnung eingebrochen, dabei wurde auch ein Laptop gestohlen.
Wie konnte es so weit kommen?
Ott kam in den achtziger Jahren zum Staatsschutz, damals in der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus. Dort traf er auch Martin Weiss, mit dem er auch später im BVT die Spionage im Sinne Russlands vorangetrieben haben soll. Schon 2017 war aufgefallen, dass Ott etwas mit Russland zu tun haben könnte, der damalige BVT-Direktor Peter Gridling suspendierte ihn. Weil die Beweislage aber zu dünn gewesen sei, konnte ihn das BMI noch nicht entlassen. In der Zwischenzeit spitzelte Ott Medienberichten zufolge weiter für Russland.
Was sagt Ott selbst zu diesen Vorwürfen?
In seiner ersten Einvernahme gab er laut Medienberichten an, nicht Teil einer „nachrichtendienstlichen Gruppierung“ zu sein, sondern Teil eines „Aufdecker-Teams“, das sich nicht nur auf Österreich beschränke. Diese Gruppe habe fünf Sina-Laptops für die „interne Kommunikation“: Drei davon habe er „bekommen“, davon wurden zwei an seinen Adressen in Paternion (Kärnten) und Wien-Leopoldstadt gefunden. Der dritte sei bei einem ausländischen „Informanten“. Und die Handys, die nach Russland gegangen sein sollen? Die habe er eines Tages in seinem Briefkasten gefunden und persönlich zerstört.
Wer ist Martin Weiss?
Weiss war zur Zeit der Vorwürfe gegen Ott ein hochrangiger Abteilungsleiter im BVT, Ott soll in seinem Auftrag gehandelt haben. Weiss soll hinter der Flucht von Jan Marsalek stecken und lebt mittlerweile selbst in Dubai – einem Ort, an dem man gut „untertauchen“ kann und nicht ausgeliefert wird. Er soll, zusammen mit Ott, auch hinter dem Pamphlet stecken, das im Vorfeld der BVT-Affäre verschickt wurde.
Was hat das alles mit Jan Marsalek zu tun?
Auf den Namen Marsalek stößt man immer wieder, wenn es um russische Spionage und Korruption in Österreich geht. Materie hat bereits in mehreren Artikeln über ihn berichtet und versucht, die verschiedenen Causen Marsaleks einzuordnen. Der Konnex zur Causa Egisto Ott wird aber besonders deutlich, wenn man sich ansieht, was die Ermittlungsakten dazu hergeben, zitiert von profil.at:
„Jan Marsalek, Martin Weiss (Anm.: ehemaliger hochrangiger Abteilungsleiter im Nachrichtendienst) und Egisto Ott (Anm.: langjähriger BVT-Beamter) werden beschuldigt, in Wien und andernorts ab einem derzeit nicht näher bekannten Zeitpunkt, jedoch zumindest ab dem Jahr 2016 bis zum heutigen Tage […] zum Nachteil der Republik Österreich einen geheimen russischen Nachrichtendienst unterstützt zu haben, indem sie fortgesetzt teilweise öffentliche, teilweise nicht öffentliche Informationen an Angehörige dieses Nachrichtendienstes zur Erstellung von Personenprofilen russischer Staatsbürger durch Personenabklärungen, Lagebilder vorwiegend aus hochsensiblen staatsschutzrelevanten Behörden und Personenprofilen von Personen unterschiedlicher Ebenen und Funktionen, sowie Informationen weitergegeben haben, welche Angehörigen des Bundesministeriums für Inneres durch internationale Kontakte zugänglich geworden seien und einer Preisgabe einer ausländischen Macht einen Vertrauensverlust für Österreich und den dadurch eingeschränkten Zugang zu sensiblen staatsschutzrelevanten Informationen befürchten ließe, wodurch die Interessen Österreichs in einem internationalen Informationsaustausch in sicherheitspolitischen und staatsschutzrelevanten Belangen und am Schutz seiner Einrichtungen und seines Personals gefährdet worden seien.“
Woher wissen wir das alles?
Die neuen Erkenntnisse zu Ott kommen unter anderem aus den Ermittlungen der AG Fama, einer Sonderkommission des Bundeskriminalamts, die sich des Falls Marsalek annimmt. Aber vieles davon ist eigentlich nicht neu: Anna Thalhammer, die Chefredakteurin des Profil, schrieb in den vergangenen Jahren (damals noch bei der Presse) immer wieder über Egisto Ott. Politisch wurde die Causa aber nie „heiß“. Mutmaßlich, weil die Spionagegeschichte komplex ist und auch der Konnex zur österreichischen Innenpolitik vielen nicht klar war.
Möglicherweise aber auch, weil Ott einige Verbindungen in ebendiese hatte. Medien schreiben davon, dass Ott innenpolitisch gut vernetzt gewesen sein soll. Der FPÖ soll er eine parlamentarische Anfrage geschrieben haben, ein entsprechendes Dokument mit markierten Änderungsvorschlägen von Ott soll beim früheren Abgeordneten zum Nationalratsabgeordneten Hans-Jörg Jenewein gefunden worden sein. Die FPÖ wiederum verweist darauf, dass Ott aktives SPÖ-Mitglied gewesen sein soll und in einem rot und schwarz geführten Innenministerium Karriere gemacht habe.
Was könnte Österreich tun, um weitere Fälle wie diesen zu verhindern?
Dringend wäre vor allem eine Reform des Spionagegesetzes. Denn momentan ist Spionage nur dann strafbar, wenn sie gegen Österreich geführt wird. Wenn Russland allerdings in Wien – einer Hauptstadt der Spionage – westliche Verbündete ausspioniert, ist das nicht rechtlich relevant. Das rechtliche Vorgehen gegen Spionage gehört verschärft: Eine entsprechende Ankündigung gab es kurz nach Aufkommen der Ermittlungserkenntnisse der AG Fama.
Und gerade in einem Land, das sich stets als neutral lobt und darunter oft auch politische Neutralität versteht, ist „zum Nachteil Österreichs“ Auslegungssache. Eine Sicherheitsstrategie, die Österreichs Interessen definiert und eine klare Orientierung gibt, wer „Partner“ sind und wer nicht, wäre also hilfreich. Denn in der aktuellen Version von 2013 wird noch immer Russland als solcher bezeichnet. Spionage hin oder her.