G7 und China – das Wettrennen um die globale Infrastruktur
Die G7 wollen mit einem 600-Milliarden-Dollar-Infrastrukturpaket den globalen Einfluss Chinas bremsen. Ob dieser Plan wirklich funktioniert, wird sich erst zeigen – mehr als Ankündigungen gibt es noch nicht, während China Fakten schafft.
Es ging neben den Nachrichten über den Krieg Russlands in der Ukraine und die beschlossenen Waffenhilfen unter – doch in Schloss Elmau in den deutschen Alpen haben die G7 Ende Juni bei ihrem Gipfeltreffen ein neues Wettrennen gestartet. Diesmal geht es nicht um ein Wettrüsten mit der Sowjetunion, sondern um Infrastruktur – und globalen Einfluss. Partnership for Global Infrastructure heißt das Projekt, mit dem die sieben größten Demokratien der Erde und die EU den chinesischen Plan der Neuen Seidenstraße ausbremsen wollen. Droht eine neue Aufteilung der Welt in Einflusssphären oder gar ein neuer Kolonialismus? Der Westen muss vorsichtig sein – und Konkretes liefern.
Chinas Neue Seidenstraße
Seit 2013 investiert China Milliarden gezielt in Infrastrukturprojekte in Asien, Afrika und Europa, um Handelswege auszubauen und neue zu erschließen. Häfen, Zugtrassen, Straßen und weitere Infrastrukturprojekte können mit günstigen chinesischen Krediten finanziert werden. Nicht nur in den Ländern des globalen Südens – auch in Europa. Der größte Hafen Griechenlands, der Hafen von Piräus, wird zum Brückenkopf Chinas in Europa. Es ist geplant, dass chinesische Unternehmen dort bis ins Jahr 2026 350 Millionen Euro direkt in die Hafenanlagen investieren und weitere 200 Millionen Euro in angegliederte Projekte wie zum Beispiel Hotels. Auch in den Hafen von Triest oder in die Tiefseehäfen Portugals wird massiv investiert. Und in Österreich wird seit Jahren über die Verlängerung der Breitspurbahn spekuliert, die aktuell China mit Košice in der Slowakei verbindet.
Mit dem Projekt der Neuen Seidenstraße sollen die globalen Ambitionen des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping unterstützt werden. In diesem „pazifischen Jahrhundert“, in dem sich der Schwerpunkt der Weltpolitik wohl weg von transatlantischen zu transpazifischen Verbindungen verschieben wird, soll der Aufstieg zur Weltmacht gelingen. Die Infrastrukturprojekte, die mit chinesischem Geld finanziert werden, schaffen Einfluss, Wohlwollen und können auch dafür genutzt werden, auf Staaten Druck auszuüben, die an der Neuen Seidenstraße teilhaben wollen. Das musste auch die EU schon bitter spüren: 2016 verhinderten Griechenland, Ungarn und Kroatien, dass die EU die Zurückweisung von Pekings Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer durch den Ständigen Schiedshof in Den Haag begrüßte – man konnte sich nur darauf einigen, das Urteil „zur Kenntnis zu nehmen“. Und 2017 legte Griechenland sein Veto gegen eine Stellungnahme der EU zur Menschenrechtslage in China ein, nachdem chinesische Investor:innen 2009 den Hafen von Piräus mehrheitlich übernommen hatten. Es ist wohl auch diesen Erfahrungen der EU geschuldet, dass Emmanuel Macron 2018 davor warnte, dass Staaten, die an der Neuen Seidenstraße teilnehmen, „Vasallen“ Chinas werden könnten.
Oft stellt sich die Hoffnung auf durch die ermöglichten Infrastrukturprojekte erhöhte Wertschöpfung oder Arbeitskräfte als falsch heraus. Vor allem Länder des globalen Südens werden durch die Verträge mit China zu Ausschreibungen bei der Umsetzung der Projekte gezwungen, bei denen laut einer Studie des Center for Strategic and International Studies aus dem Jahr 2019 in neun von zehn Fällen staatlich subventionierte chinesische Betriebe zum Zug kommen.
Das Projekt Neue Seidenstraße hat durchaus seine Schwächen – es ist jetzt die Frage, ob das Partnership for Global Infrastructure diese auch ausnutzen kann.
Die Antwort des Westens
Was die Summen angeht, die die G7 und die EU für Partnership for Global Infrastructure aufwenden wollen, nämlich 600 Milliarden Dollar, kann man von einem großen Brocken sprechen. Bis 2019 hat China im Zuge der Neuen Seidenstraße über 200 Milliarden Dollar an Krediten vergeben. Über die genaue Höhe schweigt Peking. Doch neben der reinen Höhe der Gelder gibt es zwei große Herausforderungen, die über die nachhaltige Wirksamkeit des Partnership for Global Infrastructure entscheiden werden: ob die Ankündigungen auch wirklich umgesetzt werden und ob man bessere Konditionen und Aussichten als China liefern wird können.
Konkret wollen die USA 200 Milliarden Dollar, die EU 300 Milliarden und die weiteren G7-Staaten 100 Milliarden über die nächsten fünf Jahre aufwenden, um damit Infrastrukturprojekte im globalen Süden zu finanzieren. Dabei soll nicht, wie China vorgeworfen wird, vor allem auf die Sicherung der Handelswege für Rohstoffe und den Einfluss über diese Bedacht genommen werden – sondern darauf, was die Länder brauchen. Doch muss das Geld für das Partnership erstmals aufgebracht werden. Vor allem bei der schwierigen innenpolitischen Lage in den USA muss befürchtet werden, dass die von Präsident Biden zugesagten 200 Milliarden Dollar nicht zusammenkommen werden, wenn der Kongress nicht zustimmt.
Die größere Herausforderung wird allerdings sein, ob man im globalen Wettrennen China noch einholen kann. „Wir wollen unseren Partnern im globalen Süden zeigen, dass sie eine Wahl haben“, betonte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Präsentation in Schloss Elmau. Das ist der springende Punkt: Das Partnership muss bessere Konditionen und mehr Vorteile für die Zielländer bieten, wenn man damit China ausstechen will. Bewilligte Kredite müssen Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort schaffen – nicht für westliche Firmen, die dann die Aufträge bekommen.
Das Partnership for Global Infrastructure kann funktionieren, wenn die G7-Staaten und die EU ihre Hausaufgaben erledigen. Ein ernsthaftes Projekt, mit dem der globale Süden Infrastruktur aufbauen kann und auch resilienter gegen die Folgen des Klimawandels wird, ist im globalen Interesse. Was nicht passieren darf, ist, dass das Wettrennen der zwei Blöcke ihn in einer Art Neo-Kolonialismus zur Spielfläche für den eigenen Einfluss degradiert. Hier muss der demokratische Westen sehr genau aufpassen.