Gute Bildung ist, wo gute Lehrkräfte sind? Fortbildung ist ein Schlüssel dazu!
Das Lehramtsstudium ist eines, in dem alles zu kurz kommt. Zwei Fachwissenschaften, zweimal Fachdidaktik und die allgemeine Pädagogik müssen zu einem einzigen Studium komprimiert werden, das fachlich kompetente, methodisch versierte und pädagogisch sensible Wunderwuzzis hervorbringen soll. Dass dabei viele Kompromisse eingegangen werden müssen, liegt auf der Hand – und zwar nicht erst, seit die Bundesregierung im Frühjahr 2024 den Beschluss gefasst hat, dieses Studium um ein Jahr zu verkürzen.
Doch wie werden aus den Absolventinnen und Absolventen dieses Studiums, das notwendigerweise einem Schnellsiederkurs gleicht, Persönlichkeiten, die im Klassenzimmer bestehen und der vielfältigen Schar an Kindern und Jugendlichen beste Bildung vermitteln? „Learning by doing“, mit Selbstreflexion und Feedback von Schüler:innen und Kolleg:innen, unterstützt durch ihre Vorgesetzten – ja, natürlich auch das. Ein ganz wesentlicher, in Österreich unterentwickelter Hebel ist aber auch die Fortbildung.
Ergebnisse morgen statt überübermorgen
Aus bildungspolitischer Sicht hat Fortbildung gegenüber der Erstausbildung einen wesentlichen Vorteil: Sie wirkt nicht schnell, aber immerhin wesentlich schneller als jede Reform des Lehramtsstudiums. Wer heute den Entschluss fasst, das Lehramtsstudium zu reformieren, hat in zwei Jahren – nachdem die Curricula entwickelt wurden – die ersten Studierenden im neuen System, in fünf Jahren die ersten (Bachelor-)Absolvent:innen in den Schulen und in 45 Jahren die volle Wirkung der Reform, wenn alle nach „altem“ Schema ausgebildeten Lehrkräfte in Pension und durch „neue“ ersetzt sind. Das geht mit Fortbildung schneller, wenn diese breit verankert und nützlich gestaltet ist.
In einer Zeit des rasanten gesellschaftlichen, technologischen und wissenschaftlichen Wandels steht das Bildungssystem vor beispiellosen Herausforderungen. Um diesen gerecht zu werden, bedarf es Lehrkräfte, die sich diesen Herausforderungen stellen und sich laufend die Kompetenzen aneignen, die es braucht, um möglichst viele dieser Herausforderungen – besser mit, aber notfalls auch ohne Unterstützung der Politik – zu meistern.
Sieben Gründe für mehr Fortbildung
Mehrere Entwicklungen verstärken die Wichtigkeit der Fortbildung:
- Der gesellschaftliche Wandel erhöht die Diversität in der Gesellschaft und in der Schulklasse.
- Der technologische Fortschritt – aktuell etwa mit Anwendungen künstlicher Intelligenz – eröffnet neue didaktische Möglichkeiten für den Unterricht und für die Schüler:innen.
- Das Weltgeschehen bringt neue Themen mit sich, die zu Unterrichtsinhalten werden, etwa zahlreiche Krisen von Klimawandel über Pandemien bis zu neuen Kriegen.
- Der laufende Erkenntnisgewinn sowohl der Fachwissenschaften als auch der Pädagogik und Didaktik soll Eingang in den Schulunterricht finden.
- Internationale Vergleichsstudien und internationaler Erfahrungsaustausch sind ebenfalls Impulsgeber für Fortbildungsinhalte.
- Wenn das Lehramtsstudium als Grundausbildung gekürzt wird, gewinnt die Fortbildung im Sinne eines „Professionalisierungskontinuums“ an Bedeutung.
- Die ausgeweitete Möglichkeit eines Quereinstiegs bedeutet, dass immer mehr Lehrkräfte ohne volles Lehramtsstudium im Einsatz sind, was ebenfalls für mehr Fortbildung spricht.
Doch was ist zu tun, damit die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer einen Boost erfährt und substanziell zu mehr Qualität im Klassenzimmer beiträgt?
Wie schaffen wir das?
Zuerst zum Status quo: Fortbildung ist heute ein „Monopolgeschäft“ der Pädagogischen Hochschulen. Ein Wettbewerb der besten Angebote um die Gunst der Lehrkräfte und Schulleitungen findet nicht statt. Dementsprechend häufig zu hören sind Klagen, dass viele Fortbildungen praxisfern und wenig hilfreich sind. Auch das Ausmaß der Fortbildung ist – gerade im Bereich Wissensarbeit – äußerst bescheiden. Das alte Lehrerdienstrecht kennt gar keine Fortbildungsverpflichtung, das neue eine im homöopathischen Ausmaß von 15 Stunden pro Jahr.
Das nötige Reformkonzept besteht aus drei Punkten:
- Es braucht mehr Ressourcen. Mehr und bessere Fortbildung – so einfach ist die Rechnung – kostet mehr Geld. Dieses Geld ist gut investiert, denn nicht erst seit John Haetties Metastudie „Visible Learning“ wissen wir, dass gute Schule ist, wo gute Lehrer:innen sind. Das Tun der Lehrkräfte im Klassenzimmer ist der größte Erfolgsfaktor für gute Bildung.
- Das Monopol der Pädagogischen Hochschulen muss aufgebrochen werden. Wir brauchen Wettbewerb, damit das Angebot sich nach den Bedürfnissen der Lehrpersonen richtet. Auch Universitäten, Schulbuchverlage und private Trainingsinstitute können gute Fortbildung anbieten und Impulse liefern.
- Auch die Menge entscheidet über die Wirkung. Die genannten zahlreichen Anlässe für Fortbildung können nur ausreichend Berücksichtigung finden, wenn das jährliche Fortbildungsausmaß deutlich aufgestockt wird. Das soll auch die Möglichkeit der Schulleitungen erweitern, die Kompetenzen des Teams ihrer Schule gezielt weiterzuentwickeln, um einerseits das Schulprofil mit Leben zu erfüllen und andererseits Lösungen für genau jene Herausforderungen zu entwickeln, die am Standort die schlimmsten Sorgen verursachen oder die großartigsten Chancen eröffnen.
Wann, wenn nicht jetzt – im Zuge der Reform und Kürzung des Lehramtsstudiums – ist die Zeit, die Lehrkräftefortbildung auf neue Beine zu stellen? Sie kann zum echten Chancenmotor werden, wenn wir sie aus ihrem Dornröschenschlaf wecken!