Hürdenlauf zum Wohnungskauf: Warum es so schwer ist, Eigentum zu erwerben
In den vergangenen Jahren war ich immer wieder mal auf Immobilienseiten, um mir anzusehen, was ich alles nicht kaufen kann. Schmucke Neubauwohnungen mit Garten in der Klederinger Einöde – 750.000 Euro. Eine hippe Wohnung mit Balkon in einem Wohnturm im neuen Nordbahnviertel mit weniger Quadratmeter, als wir jetzt haben – 680.000 Euro. Das Haus im Speckgürtel, wo eine Freundin von mir aufgewachsen ist – 1,2 Millionen Euro.
Eine Familienwohnung aus eigener Kraft erwerben – vielleicht sogar ausschließlich auf Basis von Geld, das man sich selbst angespart hat –, das ist für viele junge Leute eine nostalgische Idee aus grauer Vorzeit. Heute kommt in jungen Jahren nur zum Zug, wer die optimalen Bedingungen auf sich vereinen kann: Wer zu zweit ist, gut verdient und finanziellen Rückhalt aus der Familie genießt.
Löhne konnten mit Immobilienpreisen nicht Schritt halten
Zwischen 2005 und 2021 sind die Immobilienpreise um 140 Prozent gestiegen, in Wien sogar um 170. Für Mieten lag der Anstieg bei knapp unter 60 Prozent, während das verfügbare Nettoeinkommen pro Haushalt 2021 nur circa 30 Prozent höher lag als noch 2005. Es liegt somit auf der Hand, dass Immobilienbesitz für einen größer werdenden Teil der Bevölkerung in unerreichbare Ferne rückt. Wer eigentumslos ist und somit nicht von Wertsteigerungen profitiert, kommt dem Wohnungsmarkt auch mit Gehaltssprüngen nicht hinterher – man hätte halt einfach ein paar Jahrzehnte früher geboren werden müssen.
Zurzeit macht der Trend nach oben eine Pause, die Immobilienpreise stagnieren auf hohem Niveau. Neubauwohnungen können ihren Preis halten, beim Bestand liegt der Preis zurzeit sogar teils unter dem Höchstwert aus den Vorjahren.
Ein Zeichen, dass man aufatmen kann? Eher nicht. Die Preise stagnieren zurzeit, aus einigen Gründen – keine davon begünstigen den Wohnungskauf von potenziellen Ersteigentümer:innen. Das hat zwei Gründe:
- Die sogenannte Niedrigzinsphase hat es vielen ermöglicht, sich den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Schließlich war es in den letzten Jahren phänomenal günstig, sich Geld auszuborgen, es fielen kaum Zinszahlungen an. Selbst teure Immobilien – sprich, die allermeisten Immobilien in Österreich – waren dadurch relativ bezahlbar. Mit steigenden Zinsen bei gleichbleibend hohen Preisen bekommen Interessierte weniger Haus für gleich viel Kreditrate. Viele legen darum ihre Pläne, eine Immobilie zu kaufen, vorerst auf Eis.
- 2022 erließ die Finanzmarktaufsicht die „Verordnung für nachhaltige Vergabestandards bei der Finanzierung von Wohnimmobilien“, oder kurz KIM-VO. Die Verordnung war eine Reaktion auf den Immobilienboom und sollte die Risiken bei der Fremdkapitalfinanzierung von Wohnimmobilien begrenzen. In der KIM-Verordnung wurden Regeln für die Kreditvergabe erlassen: So dürfen Banken maximal 90 Prozent des Kaufpreises als Kredit vergeben und die Kreditrate nicht mehr als 40 Prozent des Nettoeinkommens betragen. In der Praxis bedeutet das, dass man als Käufer ca. 20 Prozent des Kaufpreises selbst aufbringen muss – Stichwort Nebenkosten.
Beim Kauf einer Immobilie für 500.000 Euro muss man also circa 100.000 Euro selbst beisteuern und beim aktuellen Zinsniveau rund 5.500 Euro netto verdienen, um den Kredit über die Restsumme bewilligt zu bekommen. Gerade für junge Single-Haushalte wird der Kredit für die erste eigene Immobilie dadurch schwierig.
Sanierungsbedürftige Traumwohnung in ruhiger Lage Nähe Autobahn
Traut man es sich trotz aller Widrigkeiten zu, eine Immobilie zu kaufen, beginnt der Spaß – soll es der „Anlegertraum im Westen Wiens“, die „Altbauwohnung mit Potenzial“ oder doch die „Tolle Eckwohnung in Toplage“ sein? Was heißt schlüsselfertig, ist die Quadratmeterzahl mit oder ohne Außenflächen, warum ist der Grundriss nicht bei den Fotos? Was ist eine „Investablöse“, wieso will der Verkäufer 50.000 Euro für eine Küche aus den Neunzigern, und ist das überhaupt erlaubt? Wie in der schönen Welt von Steuerrecht und Versicherungsfragen wird einem vor Augen geführt, wie wenig man darüber weiß, erwachsen zu sein – und wie teuer es werden kann, wenn man mit seinen Entscheidungen ins Klo greift.
Zum Glück gibt es ja Makler:innen, die gerne erklären, was eine Investablöse ist und dass der Restwert der Neunziger-Jahre-Küche darin nicht enthalten sein darf. Kommt es zum Vertragsabschluss, darf der Makler dafür sowohl vom Käufer als auch vom Verkäufer eine Provision von 3,6 Prozent des Kaufpreises (inkl. USt) verlangen. Das 2023 beschlossene „Bestellerprinzip“, wodurch die Kosten von der Person getragen werden müssen, die den Makler beauftragt hat, gilt nur für die Vermietung von Wohnungen.
Für die Glücklichen folgen hohe Nebenkosten
Für die eingangs erwähnte Wohnung um 500.000 Euro fallen für den Käufer somit 18.000 an Maklerkosten an. Dazu kommt die Grunderwerbsteuer – 3,5 Prozent bzw. in diesem Fall 17.500 Euro werden ans Finanzamt abgeführt. 1,1 Prozent bzw. 5.500 Euro werden für die Eintragung ins Grundbuch fällig. Finanziert man die Wohnung mittels Kredit, wird auch für die Eintragung des Pfandrechts ins Grundbuch eine Gebühr von 1,2 Prozent der Pfandrechtssumme fällig. Je nach Kredithöhe können im vorliegenden Beispiel also nochmal fast 6.000 Prozent an Grundbuchgebühren anfallen. Ein weiterer Kostenpunkt ist die Vertragserrichtung und Beglaubigung durch einen Notar – die Kosten variieren zwischen einem und 3 Prozent des Kaufpreises. Im schlimmsten Fall können also hier nochmal 15.000 Euro fällig werden.
Die Nebenkosten können sich beim Kauf einer 500.000er-Immobilie auf satte 62.000 Euro oder 12,4 Euro vom Kaufpreis belaufen. Für den Preis eines mittleren Tesla-Modells bekommt man beim Immobilienkauf ein paar Besichtigungen mit und zig Dokumente vom Makler, einen feuchten Händedruck vom Finanzamt, einige Zeilen im Grundbuch, einen Kaufvertrag in Standardausführung, fünf Minuten mit dem Notar und Bragging Rights, dass man jetzt zu den Glücklichen gehört, die von steigenden Immobilienpreisen profitieren können.
Wo das Gras grüner ist (und wo nicht)
Die Nebenkosten in Österreich gehören zu den höchsten in ganz Europa. Mit der Grunderwerbsteuer liegt man noch gut im Schnitt – während manche Länder keine Grunderwerbsteuer haben (Slowakei), werden in anderen Ländern 4 Prozent (Italien, Tschechien) fällig, in wieder anderen Ländern wie Portugal, Spanien und Deutschland ist der Steuersatz regional geregelt und bewegt sich zwischen einem und 11 Prozent.
Gerade Deutschland und Spanien sind bei der Grunderwerbsteuer teils um einiges teurer als Österreich. In den Niederlanden und Schweden wird ein Unterschied zwischen Kauf zum Eigengebrauch und Kauf als Anlageobjekt gemacht. So zahlen Personen, die selbst in der Immobilie wohnen werden, 2 Prozent Grunderwerbsteuer – Anleger hingegen 10,4 Prozent.
Die Grunderwerbsteuer von 3,5 Prozent ist im Vergleich also noch vertretbar. Bei der Höhe der Grundbucheintragungsgebühr befindet sich Österreich allerdings in Erklärungsnot. In Ungarn kostet die Eintragung 20 Euro, in den Niederlanden und der Slowakei handelt es sich um eine niedrige dreistellige Gebühr. Rein logisch ergibt es keinen Sinn, die Kosten der Eintragung am Wert der Immobilie zu berechnen – die Eintragung ins Grundbuch wird schließlich nicht aufwendiger, je teurer die Immobilie ist. Grundbuchgebühren sollten die tatsächlichen Kosten der Verbriefung decken, wie sie das auch in anderen Ländern tun.
Warum sich Reformen wohl nicht mehr ausgehen werden
Um den Wohnungsmarkt anzukurbeln, gibt es in den nächsten zwei Jahren eine kleine Erleichterung für Kauf zum Zweck der Eigennutzung. Die Gebühr für die Eintragung der Übertragung und des Pfandrechts sollen erst für die Teile des Kaufpreis, die 500.000 Euro übersteigen, fällig werden. Für Luxusimmobilien ab 2 Millionen Euro fallen weiterhin die gewöhnlichen Gebühren an. Es ist eine Entlastung mit Ablaufdatum: In zwei Jahren sind wir allerdings wieder zurück am Start.
Viel Motivation, bei den Eintragungsgebühren dauerhaft zu entlasten, gibt es bei den Regierungsparteien nicht. Martin Litschauer, grüner Abgeordneter im Nationalrat, vermeldete auf Twitter zur Kritik nur, dass die Grundbuchgebühr ein Teil des Steuersystems sei, für den Reiche mehr zahlen als jene mit geringerem Einkommen, wodurch kleine Einkommen weniger belastet würden – dass die Pfandrechtsgebühr nur für jene anfällt, die einen Kredit aufnehmen müssen, um die Immobilie finanzieren zu können und so gerade die Reichsten unberührt lässt, schien er dabei zu vergessen.
Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum die Regierung an einer langfristigen, flächendeckenden Senkung nicht interessiert ist. Ein Blick ins Budget verrät: Grundbucheintragungsgebühren finanzieren unser Justizsystem zu einem nicht unwesentlichen Teil. 2021 brachten die Eintragungsgebühren geschätzte 1,15 Milliarden Euro ein, bei Gesamtkosten des Justizsystems von nicht einmal 2 Milliarden. Eine dauerhafte Senkung auf ein kostendeckendes Niveau würde bedeuten, dass die Justiz verstärkt aus dem Budget finanziert werden müsste.
Steuerliche Reformen wären ein großer Hebel
Dabei sind hohe Nebenkosten nicht die beste Art, Immobilien- und Grundbesitz zu besteuern. Hohe Nebenkosten sind nicht nur eine Eintrittshürde für diejenigen, die noch nicht im Besitz der eigenen vier Wände sind, sie hindern auch die Mobilität zwischen Eigentumswohnungen. Wenn bei jedem Kauf rund 10 Prozent an Nebenkosten fällig werden, dazu auch noch der Makler für den Verkauf entlohnt werden muss und eventuell auch noch Immobilienertragssteuer für die Wertsteigerung der zu verkaufenden Immobilie anfällt, überlegt man sich zweimal, ob man schon in jungen Jahren eine leistbare Immobilie erwirbt, da man sie wahrscheinlich bereits in ein paar Jahren gegen ein größeres Modell eintauschen will.
Österreich verfügt neben der Grunderwerbsteuer allerdings auch über die Grundsteuer, die nicht den Erwerb, sondern den Besitz von Immobilien besteuert. Die Lasten verteilen sich bei dieser Art der Besteuerung auf einen längeren Zeitraum und behindern nicht die Mobilität. Einziger Schönheitsfehler: Die Grundsteuer basiert auf Einheitswerten, die seit der Veröffentlichung von „Eye of the Tiger“ (1982) nicht mehr angepasst wurden. Sie verkommt damit immer mehr zur Bagatellsteuer und bildet auch regionale Wertunterschiede schon lange nicht mehr akkurat ab.
Eine Novellierung der Grundsteuer bei gleichzeitiger Senkung der Grunderwerbsteuer könnte übriges dazu beitragen, die Hürden für Erstkäufer:innen zu senken. Eigentlich ein No-Brainer – aber im Wohnbaupaket der Regierung sucht man vergebens danach.
Fazit
Jungen Menschen bleibt beim Wohnungskauf in Österreich nur der Hürdenlauf – durch hohe Preise, strenge Kreditvergaberichtlinien, direkte Konkurrenz mit Anleger:innen und mangelndes Wissen darum, worauf man achten sollte und wie man Preis und Nebenkosten drücken kann. Wieder einmal profitieren vor allem diejenigen mit Vitamin B: Wer aus einer Juristenfamilie kommt, sich Geld von den Eltern ausborgen kann oder jemanden kennt, der eine Wohnung an Bekannte zu günstigen Konditionen abtreten will, hat viel bessere Chancen, ins Ziel zu kommen.
Der Rest ist immer wieder mal auf Immobilienseiten. Um sich anzusehen, was man alles nicht kaufen kann.