Konversionstherapien: Türkis-Grün bleibt weiter untätig
Es ist 2023, und Menschen müssen sich immer noch dafür rechtfertigen, wer sie sind und wen sie lieben. Die Regierung schafft es trotz aller Lippenbekenntnisse nicht, den Schutz der Mitglieder der LGBTIQ+-Community zu stärken. Ein Beispiel dieses Versagens: das lang versprochene Verbot der Konversionstherapien. Diese geben ein falsches Versprechen, dass Homosexualität „heilbar“ wäre.
Ein Verbot von „Konversionstherapien“, also Behandlungen mit dem Ziel, queere Menschen „umzupolen“, ist nämlich nicht absehbar. Ein entsprechender Entschließungsantrag wurde zwar 2019 einstimmig im Parlament eingebracht – sogar die FPÖ stimmte damals mit. Nach diesem Beschluss des Nationalrats kündigte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) vor mehr als einem Jahr an, das Verbot noch vor dem Sommer 2022 durchzubringen. Daraus wurde aber nichts – bis heute. Wohl auch, weil der rechte Flügel der ÖVP Kontakte zu Anbieter:innen solcher Scharlatanerie pflegt.
Regierung schiebt Verantwortung hin und her
Seit mehr als zwei Jahren gibt es also eigentlich schon die zweite Einigung für ein Verbot von Konversionstherapien: Wieso ist noch kein Gesetzesvorschlag im Parlament? Im heurigen Jänner antworteten das Justiz- und das Gesundheitsministerium auf eine parlamentarische Anfrage von NEOS-Abgeordnetem Yannick Shetty, dass ein Vorschlag seit Oktober 2022 zur Abstimmung bei der ÖVP liege. Das würde aber auch bedeuten, dass der Vorschlag der grünen Ministerien erst nach der Deadline fertig war, die Ministerin Zadić 2022 gesetzt hatte. In der Beantwortung kündigt Gesundheitsminister Johannes Rauch an: „Der Entwurf wird nach Finalisierung und Abschluss der politischen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner einem mehrwöchigen, allgemeinen Begutachtungsverfahren unterzogen.“ Das ist immer noch nicht passiert.
Im Februar erklärte der ÖVP-Parlamentsklub als Reaktion auf die Anfragen und entsprechende Nachfragen von Medien, dass die Debatte über den Vorschlag der grün geführten Ministerien jetzt erst anlaufen würde. Eine Deadline, oder auch nur irgendein Zeitrahmen, bis wann die ÖVP sich zu Verhandlungen durchringen könnte, wurde nicht gegeben. Hier scheint der erzkonservative Flügel innerhalb der Partei offensichtlich erfolgreich auf der Bremse zu stehen – zum Beispiel Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler, die unter anderem mit der Forderung auffiel, dass Standesbeamt:innen die Begründung eingetragener Partnerschaften mit Verweis auf ihren christlichen Glauben ablehnen dürfen sollten. Auf der Strecke bleiben inzwischen Jugendliche und Erwachsene, die entweder durch Druck oder Zwang in diese Therapien gezwungen werden.
ÖVP lud Konversionstherapie-Fans ins Parlament
Während jene Parteien, die es in der Hand hätten, etwas dagegen zu tun, weiterhin die Verantwortung hin und her schieben, wird täglich Schaden an der LGBTIQ+-Community angerichtet. Tatsächlich gibt es Angebote für diese angeblichen „Heilungen“ in Österreich – um viel Geld wird Menschen dabei eingeredet, dass ihre Sexualität abnormal sei.
Für eine Recherche besuchte eine Journalistin solch eine Therapie in Graz und schrieb danach ihre Erfahrungen nieder. Die Homosexualität der Frau wurde mit Alkoholsucht verglichen, ihr wurde eingebläut, dass sie nicht gesund sei. Gleichzeitig wurde ihr empfohlen, weitere Hilfe bei der Loretto-Gemeinschaft zu suchen. Die Loretto-Bewegung ist eine erzreaktionäre katholische Gruppe, die von einer „neuen Evangelisierung“ der Gesellschaft träumt – und beste Verbindungen in konservative und rechte Kreise der Politik hat. Im Dezember 2020 lud ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka den Gründer der Loretto-Bewegung und Jugendleiter der Erzdiözese Salzburg, Georg Mayr-Melnhof, zu einer „adventlichen Gebetsfeier“ ein – moderiert wurde die Veranstaltung von Gudrun Kugler.
So schließt sich der Kreis zwischen fundamentalen Christ:innen, die aktiv schädliche Konversionstherapien anbieten, und dem erzkonservativen Flügel der ÖVP, der ein Verbot derselben verhindern will. Offenbar ist der grüne Koalitionspartner nicht stark genug, um hier etwas zu bewegen. Ein bitteres Bild der Regierung anlässlich des heurigen Pride-Months.