Österreich und die Inflationsbekämpfung
Die Inflation steigt. Und damit schießen auch die Vorschläge zur Inflationsbekämpfung wie die Schwammerln bei Regenwetter aus dem Boden: also inflationär.
Wie bei Schwammerln findet man auch unter den Vorschlägen viele „Fliegenpilze“, sprich: populistische, nicht umsetzbare, kontraproduktive und oft sogar inflationsverstärkende Vorschläge. Um die Debatte in geordnete Bahnen zu lenken, haben deshalb die zwei größten Wirtschaftsforschungsinstitute des Landes – das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) – Anfang Juni einen gemeinsamen Maßnahmenkatalog zur Inflationsbekämpfung vorgelegt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden auch von anderen Instituten weitgehend empfohlen, z.B. von Agenda Austria oder Eco Austria.
Das Ziel aller Maßnahmen
Die grundlegende Richtung des WIFO/IHS-Maßnahmenkatalogs kann in wenigen Punkten zusammengefasst werden:
- Oberste Priorität haben die kleineren Einkommen, daher sollen die Maßnahmen sozial treffsicher ausgestaltet sein. Das bedeutet: nicht nach Gießkannen-Prinzip verteilen.
- Im nächsten Schritt sollen die Realeinkommen stabilisiert werden, die bei Inflation besonders unter der „kalten Progression“ bzw. „Inflationssteuer“ leiden. Daher sieht der Maßnahmenkatalog die Kompensation der „kalten Progression“ vor.
- Schlussendlich soll es keine Eingriffe in die teilweise stark steigenden Marktpreise (z.B. auf Sprit) geben, da die hohen Preise eine Knappheit signalisieren und zu Verhaltensänderungen führen sollen, nämlich weniger Nachfrage, was wiederum den Preisdruck senken soll.
Im Wesentlichen verfolgt der Maßnahmenkatalog also eine relativ leicht umsetzbare, sparsame und sozial treffsichere Linie. Von populistischen Maßnahmen („Übergewinnsteuer“, Verstaatlichungen, Marktpreiseingriffe), die derzeit reichlich kursieren, wird explizit abgeraten. Diese sind in der Regel aufgrund ihrer Komplexität ohnehin oft nur schwer umsetzbar, extrem teuer und wenig treffsicher.
Der Inflationsschutz der Einkommen ist sehr ausgeprägt, wenn man von der „kalten Progression“ absieht
Festhalten muss man zudem, dass die wesentlichen Einkommen (Gehälter und Pensionen) und Sozialleistungen (Pflegegeld, Mindestsicherung und Ausgleichszulage) bereits jährlich automatisch an die Inflation angepasst werden – Gehälter in der Regel sogar über der Inflation (Kollektivverträge). Bis auf die noch fehlende Abschaffung der „kalten Progression“ gibt es also bereits einen sehr guten Inflationsschutz der Einkommen.
Daher geht es bei den Maßnahmen grundsätzlich speziell darum, die Phase zwischen Inflationsanpassungsstichtagen – nämlich jeweils den 1. Jänner – zielgerichtet mit Einmalzahlungen zu überbrücken und die schnell wachsende Inflation vor allem für die kleineren Einkommen abzumildern. Dass es viele Einmalzahlungen gibt, heißt auch, dass eine erneute außerordentliche Pensionserhöhung über der Inflation nicht nötig ist.
Wovon die Wirtschaftsforscher abraten
Grundsätzlich raten WIFO und IHS von Mehrwertsteuer-/Mineralölsteuer-Senkungen ab, weil diese nicht zielgerichtet sind und tendenziell Menschen mit höheren Einkommen oder mit mehr Verbrauch begünstigen. Aus ähnlichen Gründen wird auch von Marktpreiseingriffen abgeraten. Außerdem würde das Knappheitssignal wegfallen und somit der Anreiz, das Verbrauchsverhalten anzupassen – z.B. weniger Auto fahren.
Der Staat müsste diese Preisdeckel zudem teuer subventionieren, da sich internationale Energielieferanten natürlich nicht die Preise von Österreich vorgeben lassen. In diesem Zusammenhang sei jedoch nochmal erwähnt, dass WIFO und IHS ohnehin die Kompensation der „kalten Progression“ empfehlen. Damit wird ein breiter Inflationsschutz der Einkommen vorgeschlagen, der komplizierte Marktpreiseingriffe und MwSt/MÖSt-Senkungen im Grunde gar nicht nötig macht.
Die „Übergewinnsteuer“ wird aus mehreren Gründen nicht empfohlen. So ist z.B. nur schwer zu bewerten, was ein „Übergewinn“ ist. Außerdem fließen bereits knapp 50 Prozent der Überschüsse in den Bundeshaushalt (KÖSt und KESt). Vergessen wird zudem oft, dass sich die Energieversorger fast zu 80 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand befinden, weshalb die Dividenden fast ausschließlich den Bundes- und Länderbudgets zugutekommen. Mehr „staatliche Gewinnabschöpfung“ geht fast nicht mehr.
Schlussendlich machen die „Übergewinnsteuern“ die Preise nicht niedriger. Bei der nachträglichen Veränderung der Spielregeln überwiegen vielmehr die negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort, nämlich die Verunsicherung der Unternehmen bezüglich Staatseingriffen. Und wie schnell unüberlegte politische Aussagen die Verunsicherung befeuern können, konnte man Anfang Mai beobachten, als der Kanzler in einem Nebensatz eine Sonderbesteuerung für Energieunternehmen angedacht hatte. Die Verbund AG und die EVN AG (beide zu 80 Prozent in öffentlicher Hand) verloren daraufhin kurzfristig 5,4 Milliarden Euro an Börsenwert.
Welche Maßnahmen bisher getroffen wurden
Vor dem Sommer wurden bereits drei sozial gestaffelte Teuerungsausgleiche für kleine Einkommen, Pendlerhilfen, der erhöhte Klimabonus, Familienhilfen und der Energiekostenausgleich beschlossen. Teilweise wurden die Hilfen bereits ausgezahlt, viele sollen aber erst im Herbst überwiesen werden.
Der Grund, warum noch nicht sämtliche Hilfen ausgezahlt wurden, ist simpel: Die Hilfen sollen vor allem in der Phase, in der die Stromendabrechnungen kommen, fließen – also im Herbst – damit die Hilfen auch dafür verwendet werden und nicht etwa für den Sommerurlaub. Diese zeitlich gezielten Zahlungen stellen natürlich auch ein Problem dar, weil viele Menschen glauben, es gibt keine Hilfen. Kommunikativ gibt es also noch Luft nach oben.
Was es noch bräuchte, um die Inflation zu bekämpfen
Grundsätzlich wäre auch zu überlegen, gewisse Zahlungen sozial treffsicherer zu gestalten. Zudem müssen die vielen, oft sehr ähnlichen, Hilfen gebündelt werden. So sind sich der Energiekostenausgleich, der Klimabonus und die Teuerungsausgleiche von Art und Ausgestaltung her sehr ähnlich, trotzdem werden sie über drei verschiedene Verwaltungsschienen abgewickelt. Darüber hinaus haben die Bundesländer zahlreiche eigene Inflationshilfen ins Leben gerufen, die mit dem Bund oft nur mangelhaft abgestimmt sind.
Das Gleiche gilt für den geplanten Stromrechnungsdeckel: Die Abwicklung über die Energieversorger wäre extrem bürokratisch. Außerdem wäre es datenschutzrechtlich sehr bedenklich, den Energieversorgern die Einkommensdaten zu übermitteln – was sogar Energieversorger selbst ablehnen. Statt dem Stromrechnungsdeckel bräuchte man eigentlich einfach nur den sozial gestaffelten Teuerungsausgleich anpassen – weniger bürokratisch, treffsicherer und damit günstiger.
Fazit
Zwar fehlt der allgemeine Inflationsschutz der Einkommen noch – die Abschaffung der „kalten Progression“ – aber alles in allem hält sich die österreichische Antiinflationspolitik durchaus gut an die Empfehlungen der Wirtschaftsforschungsinstitute und versucht populistische Forderungen wie beispielsweise die Forderungen nach „Übergewinnsteuern“ zu vermeiden. Die Rufe nach noch mehr Hilfszahlungen sind aufgrund der vielen beschlossenen Maßnahmen nicht ganz nachvollziehbar.
Handlungsbedarf besteht aktuell eher bei der Regierungskommunikation, damit die Menschen genau wissen, wann die beschlossenen Hilfszahlungen fließen, wodurch unnötige Verunsicherung vermieden werden könnte. Schlussendlich muss die Regierung laufend daran arbeiten, dass die Bürokratie hinter den Hilfszahlungen möglichst schlank gehalten wird und dass die Hilfszahlungen möglichst budgetschonend fließen, aber dafür sozial treffsicher. Denn schließlich muss die zahlreichen Hilfszahlungen ja auch jemand bezahlen, nämlich die Allgemeinheit, was in Österreich in der Regel „die Folgegenerationen“ bedeutet.