Die sozialistische Fata Morgana: Die blühende Staatswirtschaft
„Aktionäre raus aus der OMV. […] Wir müssen die Kontrolle über unsere eigenen Mineralölkonzerne zurückgewinnen.“
Der Kampf gegen die Teuerung treibt allerlei seltsame Blüten. Kürzlich forderte der niederösterreichische Chef der SPÖ, Franz Schnabl, die Verstaatlichung „unserer“ Mineralölkonzerne. Gemeint war in jedem Fall die OMV: Diese macht den Großteil ihres Milliardengewinns aber nicht mit Tankstellen in Österreich, sondern mit vielen anderen Geschäften in Ausland. Nicht grundsätzlich abgeneigt zeigen sich auch die Grünen, in Form ihrer Klubobfrau.
In Österreich diskutieren wir wenige Monate nach Start der russischen Invasion also tatsächlich über die Rückkehr der Staatswirtschaft. Auch in der Stadtzeitung Falter war jüngst der bemerkenswerte Satz zu lesen, dass die Energiekrise zeigen würde, dass nun „der Staat ran muss“. Der sei bis jetzt ach so verpönt gewesen. Nicht nur der Falter sieht das so. Dass man die Energie jetzt nicht „dem Markt“ überlassen dürfe, ist ein Allgemeinplatz in der veröffentlichten Meinung geworden, in Leitartikeln, Kommentaren und Pressestunden.
Das könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Zum einen ist der österreichische Energiemarkt schon so von der öffentlichen Hand dominiert, dass man den „Markt“ unter Anführungszeichen setzen müsste. Nicht nur an der OMV ist die Republik oder eines der neun Bundesländer beteiligt: Von den 15 größten Energieunternehmen sind die allermeisten bereits „in unserer Hand“. Nicht ist es die Gazprom (die allerdings auch ein staatlicher Player ist) und kleinere Mineralölunternehmen.
Die Regulierungsbehörde E-Control hat eine kleine Darstellung zum Gas- und Energiesektor, die das gesamte Ausmaß des staatlichen Einflusses im Energiebereich sehr schön darstellt. Die in dunkelgrün gehaltenen Staatskonzerne sind zentral für den österreichischen Energiesektor. Verstaatlicht haben wir schon längst.
Und das führt zum zweiten Punkt: Wir sind ja auch deswegen in unserer aktuellen misslichen Lage, weil wir mit der OMV so einen mächtigen teilstaatlichen Akteur hatten, der zusammen mit der handelnden Wirtschaftspolitik alles auf die Kreml-Karte gesetzt hat. Und auch deswegen, weil die öffentliche Hand ganz aktiv unternehmerische Entscheidungen in der Energiewirtschaft klar den politischen Abwägungen untergeordnet hat. Woran scheiterten die vielen Terawattstunden an Kraftwerksprojekten, mit denen man sich etwas unabhängiger von Importen machen wollte? Wohl auch daran, dass die öffentlichen Hände die eigenen Energieunternehmen eher als solide Einnahmequellen sahen, und nicht als strategische Akteure der Energie-Transformation.
Zur Wahrheit gehört auch, dass die Staatswirtschaft in Österreich alles andere als erfolgreich war. Das gilt für die verstaatlichte Industrie, deren Unternehmen durch die Privatisierungen gerettet worden sind. Die Voestalpine etwa wäre heute nicht der wettbewerbsfähige international tätige Konzern. Es waren traditionell vor allem fehlende Innovationskraft und problematische Kontrollmechanismen, die „die Verstaatlichte“ in die schwere Krise gestürzt hatten. Österreich ist traditionell auch besonders schlecht darin, zwischen den wirklich strategischen Interessen der öffentlichen Hand und den Bereichen, die Private definitiv besser machen könnten, zu unterscheiden. Im Zweifel wird viel mehr als nötig der „Daseinsvorsorge“ zugeschlagen.
Es waren gerade jene Abenteuer, in denen sich der Staat seiner eigenen Unternehmen bediente, die immer wieder in Milliardenfiaskos endeten. Die Kärntner Landesbank Hypo Alpe Adria etwa wurde dank öffentlicher Haftungen zur Kreditdrehscheibe im Ausland und für österreichische Steuerzahler zum Milliardengrab.
Nicht überall ist die Zeitenwende angekommen. Bei einigen politischen Parteien führt die größte außen-, geo-, verteidigungs- und energiepolitische Krise seit Jahrzehnten einfach dazu, dasselbe wie sonst zu fordern. Nur eben lauter. Während Putin gegen liberale Demokratie und Marktwirtschaft kämpft, wird also in einer Ausnahmesituation gegen die zentralen Institutionen unseres Wohlstands agitiert.
Dabei sind viele Verstaatlichungen, von der sich einige Linke nun die Lösung erwarten, längst da. Und sie haben die Krise noch vergrößert.