Rückblick: Was 2023 Gutes passiert ist
Zugegeben, es wirkt schwierig, einen positiven Jahresrückblick zu 2023 zu schreiben. Sehr lang kann der ja nicht werden? Allerdings: Kann ein Jahr, in dem Taylor Swift zur meistgestreamten Sängerin auf Spotify wurde, wirklich nur schlecht sein? Das ist zwar eine subjektive Bewertung, aber der Autor dieser Zeilen ist ein stolzer Swifty, sorry.
Doch auch abseits von Swift hat das zu Ende gehende Jahr nicht nur Negatives gebracht. Hier also eine Liste mit guten Nachrichten von 2023 – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Wahlen, die Hoffnung geben
Die Wiederwahl Viktor Orbáns oder Recep Tayyip Erdoğans waren heuer keine guten Nachrichten für Anhänger:innen von Rechtsstaatlichkeit und liberalen Demokratien. Und auch die Landtagswahlen in Niederösterreich und Salzburg brachten neue Koalitionen mit Beteiligung der FPÖ. Doch es gab global gesehen auch Lichtblicke. Ob die Wahl von Javier Milei zum neuen Präsidenten Argentiniens eine gute Nachricht ist, ist jetzt noch nicht absehbar. Zu erratisch und wirr war sein Wahlkampf, und auch seine Aussagen seit dem Amtsantritt und seine Pläne machen es noch nicht klar, was seine Präsidentschaft bewirken wird. Hier einmal aber jene Ergebnisse, über die wir uns 2023 freuen konnten:
Der Jänner 2023 bescherte uns die erste gute politische Nachricht des Jahres: Ende des Monats konnte sich der ehemalige General Petr Pavel gegen den Populisten und russlandfreundlichen Andrej Babiš bei der Präsidentschaftswahl in Tschechien durchsetzen. Pavel, der auch Vorsitzender des NATO-Militärausschusses war, steht für liberale Werte und ein starkes Europa. Vor allem aber blieb Tschechien – und der EU – ein Präsident Babiš in der Prager Burg erspart. Der ANO-Parteichef war als Regierungschef bereits mit Korruptionsermittlungen gegen ihn und rechtspopulistische Pläne à la Orbán aufgefallen.
Bei den Parlamentswahlen in Estland im März 2023 konnte die liberale Regierungschefin Kaja Kallas mit ihrer Partei den ersten Platz verteidigen und wurde als Ministerpräsidentin bestätigt. Kallas hat seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine eine führende Rolle in der Unterstützung der Ukraine innerhalb der EU eingenommen, es war heuer ein wichtiges Zeichen, dass sie auch innenpolitisch gestärkt wurde.
Der Juni brachte Montenegro eine Parlamentswahl, die den Sieg von proeuropäischen und Reformparteien brachte. Entsprechend setzte sich auch eine Regierung unter Milojko Spajić zusammen, die die Annäherung des Balkan-Landes an die EU vorantreiben will. Eine positive Entwicklung, gerade in Anbetracht dessen, was aktuell in Serbien, dem großen Nachbarn Montenegros, passiert.
Im Oktober ging die rechtspopulistische Regierung der PiS in Polen bei den Parlamentswahlen nach acht Jahren zu Ende. Zwar blieb die PiS mit Verlusten stimmenstärkste Partei, doch konnte sie keine Mehrheit im Parlament mehr finden. Die neue Regierung unter Donald Tusk ist proeuropäisch und will auch die Unterstützung der Ukraine in der EU ausbauen – und die autoritären Reformen der PiS-Regierung zurücknehmen. Ein gutes Zeichen für das Land und den Kontinent.
Auch wenn 2023 kein reguläres Wahljahr in den USA war, gab es eine Reihe von Zwischenwahlen in den einzelnen Bundesstaaten, die Hoffnung machten. Bürger:inneninitiativen für das Recht auf Abtreibungen wurden in den zwei konservativen Bundesstaaten Ohio und Kentucky, die verlässlich republikanisch wählen, mit deutlicher Mehrheit angenommen. Damit zeigte sich, dass die Entscheidung des aktuell enorm konservativen Supreme Courts in Washington 2022, das Recht auf Abtreibung zu kippen, immer noch ein Danaergeschenk für die Republikaner ist – und die progressiven Demokraten und ihre Wähler:innen erheblich mehr motiviert als konservative Wähler:innen.
Eine positive Überraschung für das Klima
Wenig Hoffnung gab es 2023 für große Fortschritte beim Kampf gegen den Klimawandel. Die heurige UNO-Klimakonferenz würde ausgerechnet in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Dubai stattfinden. Vor Beginn wurde befürchtet, dass das Gastland seinen Einfluss dafür nutzen würde, die Schlusserklärung zu verwässern – schließlich leben die VAE von der Ölgewinnung. Doch schlussendlich konnte sich die Vernunft doch durchsetzen.
In Dubai ist gelungen, was auf keiner Klimakonferenz zuvor geklappt hat: Die knapp 200 Staaten haben sich auf die „Abkehr“ von Erdöl, Erdgas und Kohle geeinigt – und zwar im Einklang mit der Klimaneutralität bis 2050. Das ist ein Durchbruch für die internationale Klimapolitik, wenngleich sich viele Staaten gewünscht hätten, einen „Ausstieg“ zu beschließen.
Derzeit bewegt sich die Welt auf eine Erhitzung um fast drei Grad zu. Vermieden werden kann das nur, indem viel weniger Kohle, Erdöl und Erdgas verbrannt wird. „Wir haben den Anfang des Endes der fossilen Ära eingeläutet“, so EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra. Eine Ankündigung der Abkehr ist allerdings eben nur eine Ankündigung – die Staaten werden in den nächsten Jahren beweisen müssen, dass sie auch entsprechende Maßnahmen umsetzen. Doch die heurige Erklärung ist eine Benchmark, mit der Fortschritt zukünftig gemessen werden kann.
Und sonst?
Abseits der Politik hat 2023 auch gesellschaftlich gezeigt, dass etwas weitergeht. Ein vielleicht unerwartetes Highlight war der Erfolg des Kinofilms Barbie. Ob der Stil des Films gefällt, ist Geschmacksache, aber dass ein Film über das Bild von Frauen in der Gesellschaft der größten Blockbuster des Jahres wurde, ist ein positives Zeichen. Damit ist Barbie auch der finanziell erfolgreichste Film, der von einer Frau gedreht wurde.
Wie bereits oben erwähnt, bleibt der Kampf um das Recht auf Abtreibungen aktuell. Zwar ist dieses Recht in westlichen Gesellschaften von reaktionären und rechten Gruppen unter Beschuss geraten, doch die Abstimmungen in den USA zeigen, dass die Gegenbewegung stark ist. Auch der Machtwechsel in Polen ist hier Grund zur Hoffnung. Die gesellschaftsliberalen Kräfte in der neuen Regierung dürften das strenge Verbot der rechtskonservativen Vorgängerregierung wohl aufheben.
Und auch kleinere Entwicklungen sollten nicht übersehen werden – in Österreich werden so viele Förderanträge für private Solaranlagen oder Wärmepumpeneinbauten wie noch nie gestellt. Die EU dürfte sich auf ein vernünftigeres System für Asylanträge und die Verteilung und Betreuung von Flüchtlingen verständigt haben, die Ukraine ist nicht besiegt.
2023 war nicht einfach, 2024 wird wohl auch nicht einfach werden. Doch es gibt Fortschritt, es gibt positive Entwicklungen. Wir dürfen nicht naiv sein, gerade die anstehenden Wahlen im kommenden Jahr in vielen Ländern auf der Erde werden eine Prüfung für unser Wertesystem und unsere demokratischen Institutionen sein. Doch es ist möglich, Dinge zum Besseren zu bewegen. Das muss der Leitstrahl für 2024 sein.