Sanft entschlafene Standortstrategie auf Steuerkosten
Wie viel Geld kann in ein Projekt, das nie fertiggestellt wird und in den Schubladen des Ministeriums Staub fängt, investiert werden? Wenn es nach der ehemaligen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) geht, offensichtlich 300.000 Euro. So viel Steuergeld pumpte sie in ihr 2021 gestartetes Projekt einer Standortstrategie für Österreich. Fertig wurde es allerdings nie, nur die Kosten sind geblieben.
Der Sommer 2021 war keine einfache Zeit. Der Frühling war geprägt von einem Lockdown, das Ausrollen der Covid-Impfungen ging nur schleppend voran. Die Wirtschaft lag am Boden – und im Wirtschaftsministerium hatte man eine Idee. Mit dem Projekt „Chancenreich Österreich“ sollte das Land bis 2040 zu einem der „Top 10 Wirtschaftsstandorte der Welt“ aufsteigen.
Der internationale Ruf Österreichs als Ort für Betriebsansiedelungen sollte also nachhaltig verbessert werden: ein hehres Ziel, das der Wirtschaft tatsächlich helfen könnte. Ministerin Schramböck kündigte für den Herbst eine Bundesländertour mit Expert:innen und Unternehmer:innen an, die in Arbeitsgruppen eine Strategie austüfteln sollten. Diese Bundesländertour gab es auch tatsächlich – doch 2022, als die Ergebnisse präsentiert werden sollten, trat Schramböck im Mai zurück. Ihr Nachfolger, Martin Kocher, hat bis heute keine Ergebnisse präsentiert.
Steuergeld für abgebrochenes Projekt
Eine parlamentarische Anfrage des NEOS-Abgeordneten und Wirtschaftssprechers Gerald Loacker hat auch ergeben, dass Kocher offensichtlich nicht plant, das sanft entschlafene Projekt noch mit einer Ergebnispräsentation zu ehren. Kocher antwortet auf die Anfrage, dass die Erarbeitung der Standortstrategie „aufgrund geopolitischer Veränderungen, die offensichtlich eine Neubewertung der österreichischen Standortziele notwendig machen, unterbrochen“ worden ist. Einen Zeitplan oder ein Zieldatum gibt er nicht an.
Was er allerdings schon anführt, sind die bisherigen Kosten, die das Projekt bisher gekostet hat. Immerhin 300.000 Euro Steuergelder wurden für die Standortstrategie bereits aufgewendet. Die zwei größten Brocken dabei sind jeweils Zahlungen an die zwei Beraterfirmen McKinsey (rund 155.000 Euro) und Contrast Ernst & Young (114.000 Euro). Kurios ist, dass auch schon 35.000 Euro für „grafische Aufbereitung des Zukunftbilds des Wirtschaftsstandorts inklusive Slogan, Storytelling und Logo“ verwendet wurden, obwohl das ganze Projekt ja nie in diese finale Phase kam.
Loacker fordert jetzt den Wirtschaftsminister auf, alles, was bis jetzt im Zuge des Projekts ausgearbeitet wurde, zu veröffentlichen. Denn eigentlich ist der Minister dazu auch verpflichtet: Loacker verweist auf Artikel 20 des Bundes-Verfassungsgesetzes, wonach Kocher der Veröffentlichungspflicht unterliege und dieser auch „unverzüglich“ nachkommen müsse. Denn sonst ist die Standortstrategie das zweite teure Projekt seiner Vorgängerin, das ohne Resultat abgebrochen wurde.
Geflopptes „Kaufhaus Österreich“
Denn Schramböck wollte nicht nur Österreich unter die Top 10 Wirtschaftsstandorte der Welt bringen, sie wollte auch Amazon die Stirn bieten. Im Herbst 2020 kündigte sie die heimische E-Commerce-Plattform „Kaufhaus Österreich“ an. Es sollte vor dem Weihnachtsfest noch das Online-Geschäft österreichischer Händler im ersten Corona-Winter absichern. Doch die Suchfunktion wollte nie ausspucken, was man eingab, sodass 2021 die Seite auf eine reine Informationsplattform für heimische Betriebe zurechtgestutzt wurde. Doch auch dieses wenig genutzte Angebot wurde im Sommer 2022 eingestampft. Was übrig bleibt? Rund eine Million Euro an verbrauchtem Steuergeld.