SB-Boxen: Wie Österreich Unternehmergeist ausbremst
In Österreich müssen sich Container, in denen man selbst, ohne Personal, Lebensmittel und andere Produkte kaufen kann, an die generellen Ladenöffnungszeiten halten, entschied der Verfassungsgerichtshof. Die Betreiber solcher Container, die AckerBox, blitzten nämlich mit einer Beschwerde gegen eine Strafe vor dem VfGH ab. Ein Bericht aus Kakanien.
Wer spät am Abend oder gar an einem Sonntag drauf kommt, dass man noch etwas zum Essen bräuchte, hat Pech in Österreich. Denn abseits von Tankstellen oder Supermärkten in großen Bahnhöfen oder Flughäfen dürfen Geschäfte zu dieser Zeit nicht offen haben. Und moderne Konzepte, die versuchen, auch außerhalb dieser Öffnungszeiten Produkte anzubieten, werden von veralteten Gesetzen, die nicht reformiert werden, ausgebremst.
Selbstbedienungs-Boxen ohne Personal
Im Sommer 2019 probierten zwei Unternehmer in Kärnten ein neues Konzept: Die AckerBox. Ein umfunktionierter Container, in dem Lebensmittel – in ihrem Fall aus regionaler Produktion – selbstständig ausgewählt und zur Bezahlung an einer Selbstbedienungskassa gescannt und bezahlt werden können. Das Konzept funktioniert ohne Verkaufspersonal und kann damit rund um die Uhr „geöffnet“ sein. Eintritt bekommt man durch Vorweisen einer Bankomatkarte oder via App.
„Die Idee war, eine möglichst bequeme Art zu finden, mit der man sich unkompliziert mit Lebensmitteln aus der Region direkt von den Produzenten versorgen kann. Mit möglichst geringem Personalaufwand, damit das System schmal und unkompliziert bleibt.“
Christoph Raunig, einer der Gründer von AckerBox
Das Konzept erwies sich schnell als Erfolg: Aktuell gibt es 15 AckerBoxen in Österreich, und auch die Supermarktkette UniMarkt stellte insgesamt 17 „UniBoxen“ in Oberösterreich und der Steiermark auf. „Wir verzeichnen 500 bis 600 Menschen, die jeden Tag pro Box einkaufen“, erzählt Raunig, der darauf verweist, dass weitere AckerBoxen geplant waren. Doch dann schlug die Bürokratie Österreichs zu.
Das Gründungsteam von AckerBox
Veraltete Gesetze verunmöglichen die SB-Boxen
2021 wurde gegen die ständig zugänglichen Ackerboxen eine anonyme Anzeige in Spittal an der Drau eingebracht – die Container würden gegen das Öffnungszeitengesetz verstoßen. Gegen die Strafe beriefen die Betreiber der Ackerbox beim Kärntner Landesverwaltungsgerichtshof. Dieser bestätigte die Strafe allerdings, und damit ging es zum Verfassungsgerichtshof. Und dieser bestätigte im Dezember 2023, dass die Selbstbedienungsboxen keine Automaten sind – und obwohl kein Personal vor Ort ist, müssen sie Öffnungszeiten einhalten.
Das Automatengesetz stammt aus 1993 und hat so eine enge Definition, dass die SB-Boxen nicht darunter fallen können. Diese Container werden nach geltendem Gesetz also als Geschäfte definiert. Im Gegensatz zu Ackerbox und Co. dürfen Landwirt:innen ihre Hofläden als Direktvermarkter:innen rund um die Uhr betreiben. Der Unterschied: Direktvermarkter:innen verkaufen größtenteils eigene Erzeugnisse (zu einem kleinen Teil auch Fremderzeugnisse), während SB-Boxen die Ware, mit der sie handeln, ausschließlich von anderen beziehen. Sehr eng verläuft die gesetzliche Grenze auch zu den boomenden Lebensmittelautomaten. Stellt man in einem Raum mehrere geschlossene Automaten auf, ist ein 24/7-Betrieb erlaubt. Werden Waren offen feilgeboten, fällt dies nicht mehr in die Kategorie Automat.
Wie argumentierten die Gerichte genau? Sie verweisen auf den Gesetzgeber, der unter Automaten Zigaretten- oder Kaugummiautomaten verstanden habe. Die Ackerbox sei hingegen ein Verkaufscontainer und einem Selbstbedienungsbetrieb gleichzusetzen. Auch sei die Ackerbox nicht als Bauernmarkt zu qualifizieren, sondern „als Markt im Sinne des Gesetzes: Das Geschäftsmodell stehe in Konkurrenz zum Einzelhandel, der dem Öffnungszeitengesetz unterliegt“. Und dieses solle auch einem fairen Wettbewerb dienen.
Für Christoph Raunig ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar: „Ich hab mich mit dem Thema im Zuge des Rechtsstreits natürlich auseinandergesetzt. Die Idee hinter den Ladenöffnungszeiten ist zum Schutz der Mitarbeiter im Handel. Doch dann ist es umso verwunderlicher, wenn wir nicht öffnen dürfen, wenn es keine Mitarbeiter gibt. Am wenigsten verstehen das unsere Produzenten, die die Ackerbox als Chance sahen, direkt ihre Produkte verkaufen zu können.“ Unverständlich ist für Raunig auch, dass die SB-Boxen zwar den Öffnungszeiten unterworfen sind, das Gesetz allerdings Ausnahmen vorsieht – wie etwa an Bahnhöfen oder Flughäfen oder bei Tankstellen.
Innovation zieht sich zurück
Mit dem Erkenntnis des VfGH wurde die Weiterführung der SB-Boxen rund um die Uhr untersagt. Raunig erklärt, dass die bestehenden Ackerboxen in Österreich nun eben nur im Rahmen der gesetzlichen Öffnungszeiten begehbar bleiben – die auch vom jeweiligen Standort abhängig sind. Die geplante Aufstellung neuer Container habe man aber nun auf Deutschland verschoben, wo die Gesetze gerade reformiert und längere Öffnungszeiten erlaubt würden. Der zweite große Anbieter UniMarkt hat allerdings bereits bekannt gegeben, dass alle UniBoxen mit Ende Februar geschlossen werden. Für den Betreiber sei es unmöglich, die SB-Boxen gewinnbringend zu betreiben, wenn man sich an Öffnungszeiten halten muss.
Obwohl es hunderte Gemeinden in Österreich gibt, die keinen Nahversorger mehr haben, muss sich eine neue Idee in Österreich also veralteten Gesetzen beugen. „Das Urteil steht jetzt, aber eine Reform des Gesetzes wäre nicht schlecht. Diese Regeln müssen einmal modernisiert werden“, wünscht sich Raunig. NEOS haben inzwischen einen entsprechenden Antrag im Nationalrat eingebracht. ÖVP und Grüne zeigten im zuständigen Wirtschaftsausschuss aber enden wollenden Reformeifer und blockierten eine Abstimmung, indem sie sie vertagten.