Ein Plädoyer für smarte Austerität
Es will zwar niemand hören: Aber es ist Zeit für Sparpolitik. Der sonst eher zurückhaltende Fiskalratspräsident Christoph Badelt hat sich jüngst mit ungewohnt klaren Worten im Sinne der Steuerzahler:innen geäußert:
„Kurzfristig hätten wir wirklich schon sehr viel gespart, wenn wir nicht zum Teil das Geld beim Fenster hinausgeschmissen hätten.“
Das ist ein hartes Urteil über die Hilfen- und Subventionspolitik der vergangenen Jahre. Während Einschränkungen, zu wenig Vorbereitung und teilweise erratisches Krisenmanagement die Kosten der Pandemie und der Energiekrise für Österreich in die Höhe getrieben haben, hat der Staat mit teils uferlosen Versprechen von Geld und Hilfen immer neue Schulden aufgenommen.
Im NEOS Lab haben wir dazu in einer ausführlichen Studie Zwischenbilanz gezogen: Nach drei Jahren Multikrise hat die österreichische Volkswirtschaft überdurchschnittlich viel Wohlstand eingebüßt und überdurchschnittlich viele neue Schulden gemacht. Pro Kopf wurden 6.800 Euro für Hilfen und Subventionen in der Corona- und der Energiekrise ausgegeben, um 2.500 Euro mehr als im Eurozonen-Schnitt.
Dass da vieles „hinausgeschmissen“ war, sieht nicht nur Christoph Badelt so. Niemand sollte sich freuen, wenn die Versicherung im Katastrophenfall besonders viel zahlen musste. Viel eher sollte man die Frage stellen: Warum sind die Schäden denn so groß ausgefallen? Die Belastung durch diese Schulden wird in Zukunft noch höher – denn die Zinsen für Staaten wie Österreich sind an den Kapitalmärkten im Zuge des Inflationsschocks nach oben geschossen. Und nicht nur für die Corona-Schulden gehen die Zinsen schnell ins Geld.
Hilfszahlungen lassen Schuldenberg wachsen
Nehmen wir die offiziellen Covid-Hilfen im Budget: Diese kosteten seit Ausbruch der Pandemie 43,5 Milliarden Euro. Das kann man getrost „Koste es, was es wolle“ nennen.
Diese 43,5 Milliarden Euro Schulden belasten mittlerweile auch die öffentlichen Haushalte. Laut der österreichischen Bundesfinanzierungsagentur laufen die Schulden aktuell im Schnitt rund 11,4 Jahre, die jährliche Rendite auf solche Papiere liegt mittlerweile bei 2,85 Prozent. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch unter 1 Prozent. Alleine die schuldenfinanzierten Corona-Hilfen sorgen langfristig für eine Belastung von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr. Nur zum Vergleich: Das ist die Hälfte des gesamten Justizbudgets.
Die Corona-Schulden lassen sich nun leider nicht rückabwickeln. Doch die Regierung könnte, analog zu Schweden, der Schweiz oder Deutschland eine klare Selbstverpflichtung eingehen, um gerade in konjunkturell guten Jahren wieder Überschüsse einzufahren. Dass das möglich ist, zeigt der Vergleich: Österreich liegt mit einer Verschuldung von rund 81 Prozent des BIPs auf Rang 8 im Vergleich der Eurozone. Viele andere Länder mit gut ausgebauten Wohlfahrtsstaaten und einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft liegen deutlich niedriger: Dänemark (31 %), Schweden (34 %) oder Niederlande (49 %) liegen sogar deutlich innerhalb der Maastricht-Grenze von 60 Prozent.
Österreichs Staatsschulden werden teurer
Dass sich Österreich im europäischen Vergleich zunehmend bei den durchschnittlichen Ländern befindet, hat auch Folgen für Österreichs Zinskosten. Österreich gilt als traditionell guter Schuldner: Die Volkswirtschaft ist reich, man produziert viel, was weltweit gefragt ist, und die Staatsfinanzen profitieren vom liquiden Euro-Anleihenmarkt. Doch in den vergangenen zwei Jahren sind die Zinsaufschläge gegenüber Deutschland signifikant gestiegen: Österreich zahlt heute knapp 0,66 Prozentpunkte mehr für seine zehnjährigen Staatsanleihen als Deutschland. Das sind um 0,4 Prozentpunkte mehr als noch 2021.
Das mag auf den ersten Blick nach einem vernachlässigbaren Unterschied aussehen – doch wenn Österreich langfristig um 0,4 Prozentpunkte mehr zahlt als noch vor dem Covid- und Energieschock, erhöht das bei einem Gesamtschuldenstand von zuletzt 355 Milliarden Euro die hohen Kosten der Zinsen doch immerhin um 1,4 Milliarden Euro pro Jahr. Und der Druck in Richtung noch höhere Schulden ist groß – denn die Republik hat im Vergleich zu den zuvor genannten Beispielen Dänemark, Schweden und Niederlande bis heute keine signifikanten Reformen eingeleitet, um die Kosten des demografischen Wandels zumindest abzufedern. Diese 1,4 Milliarden sind also eine Strafzahlung für verpasste Reformen und mangelnde Resilienz.
Was „smarte Austerität“ bedeutet
Es gibt also gute Gründe für eine Politik, die lange unbeliebt war: Austerität. Aber natürlich smart und strategisch. Wie müsste die in Österreich aussehen?
Beim Sparen allgemein gilt: Bereits kleine Beträge können dank Zinseszinseffekt langfristig einen Unterschied machen. Die primäre Aufgabe eines Finanzministeriums, das die Reputation der Republik wieder ins Spitzenfeld bringen will, wäre demnach, Zusatzausgaben und das generelle Ausgabenwachstum einzudämmen. Eine strenger umgesetzte Ausgabenbremse nach schwedischem Vorbild könnte den Spielraum von Ministerien etwas einengen, wenn es darum geht, immer neue Förderprogramme aufzulegen, ohne alte Programme zu überprüfen.
An den demografischen Schrauben drehen. Bereits kleine Anpassungen im Pensionsantrittsalter haben langfristig große Bedeutung für die Entlastung des Bundesbudgets und damit der Steuerzahler:innen. Wer dieser Tage Angst vor Protesten wie in Frankreich hat, sollte seinen Blick in den Norden richten: Von Dänemark kann man lernen, wie man Änderungen gesamtgesellschaftlich so kommunizieren kann, dass es großen gesellschaftlichen Konsens gibt, um den Sozialstaat gemeinsam vor dem demografischen Wandel zu schützen.
Transparenzdatenbank und Förderungen evaluieren. Was Badelt als „Geld aus dem Fenster werfen“ bezeichnet hat, ist zu oft normal und hat zu selten Konsequenzen. Die letzten Krisen müssen Anlass für eine echte Transparenzdatenbank über alle Förderungen der öffentlichen Hand sein, um Doppel- und Mehrfachförderungen zu verhindern und das Vertrauen in den Staat wiederherzustellen. Wenn zu viele nach dem Motto „Ich hole mir, was mir zusteht“ unklare Förder-Richtlinien ausnutzen, schränken wir gemeinsam den Spielraum für Entlastungen ein – und vergrößern wiederum den Schuldenrucksack.
Sparpolitik hat nach der Euro-Krise zwar einen schlechten Ruf, denn in der Schuldenkrise ab 2012 mussten viele europäische Regierungen im Angesicht einer Finanzkrise unpopuläre Entscheidungen treffen. Doch Österreich könnte smarte Austerität, die fair und langfristig finanzielle Spielräume schafft, in den kommenden Jahren dringend brauchen. Wenn das nicht passiert, sorgen steigende Zinskosten für notwendige Einsparungen – und im Notfall setzt die Spitzenpolitik ohnedies stets auf überstürzte Maßnahmen.