Tag 2: So läuft’s im COFAG-U-Ausschuss
Droht uns eine parteipolitische Schlammschlacht? Mit dieser Befürchtung blickten viele auf den März, als bekannt wurde, dass es 2024 zwei neue U-Ausschüsse geben sollte. SPÖ und FPÖ wollen die „Bevorzugung von Milliardären“ durch die ÖVP-Politik prüfen, die Regierungspartei konterte mit einer Untersuchung in Richtung „rot-blauer Machtmissbrauch“. Mit diesen Erwartungen bin ich zum ersten Mal in den U-Ausschuss gegangen. Was ich vorgefunden habe, ist nicht nur Parteipolitik – sondern auch, zwischendurch, eine konstruktive Untersuchung.
Am zweiten Sitzungstag – Kollege Plieschnig hat hier über Tag 1 berichtet – geht es vor allem um die Frage, unter welchen Umständen der Firmenkomplex des René Benko von Wien nach Innsbruck wanderte. Damit änderten sich nämlich auch die Zuständigkeiten, und der Verdacht lautet, dass es in Innsbruck einfacher war, durch gute Beziehungen bessere Behandlung zu bekommen. Zum Beispiel durch politische Interventionen. NEOS-Fraktionsführer Shetty fragt: „Gibt es in Österreich mehrere Steuerrechte?“
Beamte berichten von politischer Einflussnahme
Dass es Interventionen gab, und zwar nicht nur in Innsbruck, bestätigte die erste geladene Auskunftsperson: Er war in der Großbetriebsprüfung tätig und meldete schon damals, rund um die Firmensitzverschiebung von Benko, Bedenken an. Die Bedenken sammelte er in einem Akt. Einerseits um dem in Zukunft zuständigen Kollegen im Finanzamt Innsbruck alle Infos zur Verfügung zu stellen, andererseits um auch den internen Informationsfluss zu ermöglichen. In diesem Akt kam er in seiner Prüfung zu einem fatalen Ergebnis:
„aufgrund dieser Umstände war das FA Wien 1/23 nicht bereit, die Verantwortung für dieses Ergebnis zu übernehmen und den Fall zu approbieren“
Dieser Satz führte zu einer politischen Intervention. Eduard Müller, Finanzminister unter der „Expertenregierung“ Bierlein und mittlerweile Chef der Finanzmarktaufsicht, wollte in weiterer Folge eine Telefonkonferenz, um die Causa zu besprechen. Er habe sich „furchtbar aufgeregt“, erzählt die Auskunftsperson. Auf die Frage des NEOS-Abgeordneten Yannick Shetty, was das genau heiße: „Er ist laut geworden.“ Der Akt wurde danach gesperrt, damit nicht „jeder im Ministerium“ Zugriff habe.
Müller, das ist einer der „Zwillinge“, wie die zweite Auskunftsperson – ein zuständiger Beamter in der Innsbrucker Verwaltung – preisgibt. Seit die Zwillinge weg sind, gehe es in der Arbeit wieder leichter. Der zweite Zwilling? Thomas Schmid, von dem auch Chats mit dem FMA-Chef bekannt sind. Müller habe sich „immer wieder“ in Verfahren eingemischt, was für die prüfenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unangenehmen Situationen führte.
Parteipolitik zwischendurch
Ihnen wird auffallen, dass wir bis jetzt kaum über Parteipolitik geredet haben. Aber nicht, weil es sie nicht gibt – sondern weil trotz diverser Scharmützel zwischen Schwarz, Rot und Blau eine Untersuchung stattfindet. Wir hören zwei bedachte Stimmen aus dem Bereich Finanzprüfung, die hilfreiche Antworten geben und in ihrem Job dokumentiert haben, wo es zu Interventionsversuchen gekommen ist. Das Hickhack bleibt eine Nebenhandlung.
Da gibt es etwa den Abgeordneten Christoph Matznetter (SPÖ), der immer mal wieder zwischenruft, was meist, aber nicht immer, weitere Zwischenrufe der ÖVP hervorruft. Einmal sagt Andreas Hanger (ÖVP), Matznetter solle sich einen „Kimono“ anziehen – dieser hatte sich immerhin beschwert, dass der Paravent, der die Reihen der SPÖ von den Journalistinnen und Journalisten trennt, an ein „japanisches Bad“ erinnere. An einer anderer Stelle hallt es aus den Reihen der Türkisen Richtung Matznetter: „Es tut manchmal weh, Ihnen zuzuhören.“
Die ÖVP-Fraktion ist generell gut gelaunt, macht Witze, wenn andere sprechen. An einer Stelle kommt es zum Schlagabtausch zwischen Andreas Hanger und Christian Hafenecker (FPÖ): „Herr Hanger, wenigstens habe ich Fragen“, sagt dieser, und Hanger erwidert, dass diese nur nicht zum Untersuchungsgegenstand passen. Zugelassen werden diese Fragen trotzdem.
Generell gehen die meisten Fragen durch. Als sich der ÖVP-Abgeordnete Klaus Fürlinger beschwert, dass Kai Jan Krainer (SPÖ) den Namen Stefan Pierer erwähnt – der KTM-Chef ist Großspender der Volkspartei –, bricht eine kurze Geschäftsordnungsdebatte aus, ob man Dinge, die schon in einem anderen U-Ausschuss erwähnt wurden, erwähnen dürfe. Norbert Hofer, der als Dritter Nationalratspräsident die Sitzung leitet, entscheidet: Man darf. Die ÖVP nimmt das zur Kenntnis.
Kritische Fragen zur COFAG
Aber bis zum Nachmittag sind das alles nur Zwischenszenen. Insgesamt ist es eine konstruktive Runde – und eine lange. Beide Befragungen erfolgen in drei Fragerunden pro Fraktion, in der ersten hat man je sechs Minuten Fragezeit – und trotzdem dauert die zweite Befragung weit über drei Stunden. Weil die Fragen (zumindest oft) präzise sind, die Antworten (für die es keine Redezeitbeschränkung gibt) ausführlich. Und manchmal berät sich der Befragte auch mit seiner Vertrauensperson oder nimmt Nachdenkpausen in Anspruch.
Am Nachmittag folgt dann Marc Schimpel. Er ist früherer Mitarbeiter des Parlamentsklubs der Grünen und Geschäftsführer der COFAG, der Covid-19-Finanzierungsagentur – also der GmbH, durch welche die Republik Österreich in der Corona-Pandemie Förderungen ausbezahlt hatte. Der Rechnungshof hatte im Vorfeld enorme Kritik an der Konstruktion der COFAG geäußert. Warum gerade diese Form die beste Möglichkeit zur Umsetzung sei und dass es keine Dokumentation darüber gab, wie diese Entscheidung getroffen wurde, waren die Hauptkritikpunkte.
Kritische Fragen wischt Schimpel rhetorisch geschickt zur Seite. Als Yannick Shetty wissen will, was er zu einem Mailverkehr sagt, demzufolge Werner Kogler persönlich wissen will, wo beim Umsatzersatz eines Unternehmens die Probleme liegen, antwortet er sinngemäß: Es habe unzählige solcher Mails gegeben, an den konkreten Fall erinnere er sich gar nicht. Warum schlagen gerade ÖVP-nahe Personen in Spitzenpositionen der COFAG auf? Zuerst gibt Schimpel an, die Frage nicht zu verstehen, danach weist er sie als Unterstellung zurück.
Schmäh als Hintergrundgeräusch
Trotzdem: Für einen Tag ist da ganz schön viel passiert. Wir wissen mehr über politische Interventionen in die Verwaltung und darüber, dass es konkrete Verdachtsmomente für bevorzugtes Behandeln gut vernetzter Unternehmer gab. Und was die Konstruktion und Entstehung der COFAG angeht, kennen wir zumindest viele wortreiche Varianten, dass die Situation im Frühjahr 2020 schwierig war.
Nicht jeder Moment der Parteipolitik ist ungut. In Unterbrechungen und Pausen machen die Abgeordneten Insider-Witze. Als diskutiert wird, ob Kai Jan Krainers Redezeit gerade läuft oder nicht, weil er das Mikrofon nicht abgeschaltet hat, kommen Referenzen auf das „Wurstsemmerl-Gate“ des letzten U-Ausschusses. (Wir erinnern uns: Krainer hat einmal eine Semmel im Ausschuss gegessen, es gibt ja keine Mittagspause.) „Der Sobotka hat das Internet geschreddert“, hört man aus dem FPÖ-Eck. Man kann das alles für einen Kindergarten halten – aber ab und zu ist die Stimmung zumindest heiter-unseriös, nicht destruktiv-unseriös.
Ist im U-Ausschuss also alles gut? Nein, natürlich nicht. Zwischenrufe, Geschäftsordnungsdebatten und Nicht-Antworten gab es auch am zweiten Tag des COFAG-U-Ausschusses, und zwischendurch fühlt es sich an wie in einer Schulklasse. Aber trotzdem hat dieses Kontrollinstrument schon jetzt zur Aufklärung beigetragen – und das ist ein besserer Start, als viele vermutet hätten.