Transrechte – Der Stellvertreterkrieg gegen LGBTIQ+ und Frauenrechte
Als im Juni 1969 Besucher:innen einer Gay Bar in New York City genug von den Übergriffen und der Gewalt der Polizei hatten, widersetzten sie sich den Verhaftungen. Als die Polizei mit Schlagstöcken gewalttätig wurde, schlugen die Gäste des lokalen Stonewall Inn zurück und konnten tatsächlich am ersten Tag der sogenannten Stonewall Riots, die gut zwei Wochen dauern sollten, die Polizei aus dem Greenwich-Viertel vertreiben. Die Stonewall Riots waren der Wendepunkt für die Akzeptanz von LGBTIQ+-Menschen, es gab Demonstrationen und Proteste in den ganzen USA, und mit der Zeit wurden in den 1970ern die Verbote der Homosexualität aufgehoben, in den nächsten Jahrzehnten wurden Meilensteine der Gleichberechtigung erkämpft. Der jährliche Pride Month im Juni gedenkt der Stonewall Riots.
Und heute? Heute finden sich die so hart erkämpften Rechte der LGBTIQ+-Community unter Attacke – und diesmal auch die Frauenrechte. Die hitzige, teilweise hysterische Debatte über Transmenschen zeigt, wie sehr rechte und konservative Gruppen diese Frage als Stellvertreterkrieg verwenden, um beiden Gruppen zu schaden. Und dabei werden dieselben „Argumente“ vorgebracht, die schon in den 1970ern verwendet wurden.
Gesellschaftlicher Fortschritt wird von Konservativen und Rechten immer bekämpft. Im 20. Jahrhundert kämpften Frauen, LGBTIQ+-Menschen und Schwarze für Anerkennung und Gleichberechtigung. Die Situation von Transgender-Personen wurde im Zuge der Fortschritte der LGBTIQ+-Gruppe zwar verbessert, doch bis ins 21. Jahrhundert gab keine echte Debatte über ihre Rechte. Da es im Unterschied zu Homo- oder Bisexualität auch um ein anderes Geschlecht geht, ist die Rechtslage komplexer als zum Beispiel die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren gegenüber Hetero-Paaren.
Wie entgegenkommend ein Staat beim Wechsel des Geschlechts ist, ist schon in der westlichen Welt extrem unterschiedlich: Die NGO TGEU hat für Europa den Status von Transrechten in allen Ländern erstellt. Während die skandinavischen Länder fortschrittlich sind, sieht es in Süd- und Osteuropa nicht besonders gut aus. Und selbst diese Errungenschaften sind bedroht.
Die Problematisierung von Transmenschen
2014 schrieb das renommierte Time Magazine davon, das Transrechte die neue Front in der Bürger:innenrechtsbewegung sind. Tatsächlich hat eine neue Generation von Trans-Künstler:innen in der Populärkultur, in Fernsehen und Kino es langsam normalisiert, Trans-Charaktere zu zeigen. Auf diese „Normalisierung“ von Transmenschen wurde als Erstes in den USA vonseiten der Rechten mit moralischer Empörung und dann mit harschen Gesetzen reagiert, seit gut einem Jahr kann man das auch in Österreich klar erkennen.
Vor allem die FPÖ hat in Transsexuellen einen neuen Reibebaum gefunden, mit dem sie sich als auf der Seite der „normalen“ Menschen positionieren kann. Sie hat in den letzten Monaten zum Beispiel Lesungen von Dragqueens vor Kindern zum Thema gemacht: Dort würden Kinder „frühsexualisiert“ werden, von einer „Transgender-Agenda“ ist die Rede. Auch der Boulevard sprang bei dieser moralischen Panik gerne auf, vor allem das ÖVP und FPÖ nahestehende Onlineportal Exxpress. Hier wird von „Genderwahn“ geschrieben, wenn es eigentlich um Geschlechtsumwandlungen geht, und den Märchenstunden mit Dragqueens und vor allem der Aufregung der FPÖ darüber wurden mehrere Artikel gewidmet.
Neben Dragqueen-Lesungen für Kinder – die per se nicht einmal etwas mit Transmenschen zu tun haben – haben sich im Kampf der Rechten gegen Transpersonen zwei Konfliktfelder herauskristallisiert: Toiletten und Sport. Im Sport fürchten Konservative, dass zum Beispiel Transfrauen, die immer noch einen männlichen biologischen Körper haben, durch einen anderen Hormonspiegel einen Vorteil haben könnten. Dabei wird (möglicherweise bewusst) übersehen, dass verschiedene Sportorganisationen schon entsprechende Regeln über Hormonspiegel für Transathlet:innen beschlossen haben.
Der zweite Bereich, in dem sich der Kulturkampf um Transpersonen zeigt, sind Toiletten. Was seltsam klingt, soll Menschen dazu zwingen, nur jene WCs aufsuchen zu können, die dem bei der Geburt zugeteilten biologischen Geschlecht entsprechen. Das würde bedeuten, dass z.B. Transfrauen, die als Frau gekleidet sind, in Männer-WCs müssen und umgekehrt. Grund dafür ist der Vorwand, dass sonst Männer als Frauen „verkleidet“ Zugang zu Toiletten und Umkleidekabinen bekommen würden und dort Frauen überfallen würden. Damit wird insinuiert, dass Transfrauen grundsätzlich gefährlich sind. Dass der Wechsel von Geschlechtsidentitäten eine enorm schwierige persönliche Entscheidung ist, hört man selten.
Die Hysterie hinter dem Widerstand
Bei all den oben erwähnten Beispielen wird von den Kritiker:innen davon ausgegangen, dass Transpersonen das Geschlecht gewechselt haben, um einen Vorteil zu bekommen, weil es „in Mode“ ist, oder weil sie sinistre Hintergedanken haben. Die Transpersonen werden in den Darstellungen der Konservativen und Rechten immer mehr zu einem Symbol für alles, was sie an gesellschaftlichem Fortschritt verhindern wollen – und nehmen damit in Kauf, dass die Betroffenen im Kampf gegen Gleichberechtigung zerrieben werden.
Mit der aktuellen Debatte werden auch weitere Errungenschaften der LGBTIQ+, aber auch der Frauenbewegung infrage gestellt. Was Frauen sind, was sie dürfen, soll von den Rechten definiert und kontrolliert werden, das sieht man in den USA beim aktuellen Kreuzzug der Republikaner gegen das Recht auf Abtreibungen. Die Genderforscherin und Philosophin Judith Butler hat in einem Essay beschrieben, wie all diese Aktionen, die beschränkenden Gesetze und das Infragestellen von erkämpften Rechten eine Reaktion der Konservativen auf den Fortschritt der Gesellschaft sind:
[This is] more serious and dangerous than a backlash. This is a ,restoration project‘ … [of] patriarchy, white supremacy and exclusively heterosexual marriage.
Gerade jetzt im Pride Month sollten die progressiven Kräfte nicht schweigen – es liegt an uns, dass es nicht schlechter wird.