U-Ausschüsse und ihre Lehren für die Zukunft
In Untersuchungsausschüssen geht es nicht nur um die Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern auch um die Gestaltung unserer Zukunft. Zahlreiche Vorschläge für Veränderungen liegen bereits vor.
Wir wissen, wie wir den Verfassungsschutz effizienter organisieren können, wie eine optimale Beschaffung von Abfangjägern erfolgen sollte, wie wir die Bankenrettung verbessern und „too big to fail“-Szenarien verhindern können. Und, was vielleicht am wichtigsten ist: wie wir die Korruption in öffentlichen Ämtern eindämmen können.
Dieses wertvolle Wissen haben wir durch die Arbeit dieser Untersuchungsausschüsse gewonnen. Wir sollten es nutzen, um an einem effizienten und gerechten politischen System zu arbeiten. Und uns auf die Zukunft konzentrieren, statt auf innenpolitische Schlammschlachten.
Die Missstände innerhalb der Ministerien und politischen Institutionen, die durch U-Ausschüsse aufgedeckt wurden, haben bisher nicht zu entscheidenden Reformen geführt. Das ist inakzeptabel – und es ist an der Zeit, dringende Schritte zur Verbesserung unserer politischen Landschaft einzuleiten.
Was kann der U-Ausschuss?
U-Ausschüsse des Nationalrates dienen der genauen Überprüfung der Bundesregierung in bestimmten Angelegenheiten. Ihr Hauptziel besteht darin festzustellen, was wirklich passiert ist – das Parlament hat aber nicht das Recht, die Befragten zur Rechenschaft zu ziehen. Die U-Ausschüsse können also nur Erkenntnisse bringen, die dann im rechtsstaatlichen Verfahren durch die Justiz weiterverfolgt werden.
Das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, wird auch als „Enqueterecht“ bezeichnet und unterscheidet sich von Enqueten und Enquete-Kommissionen, die der Information der Abgeordneten in ihrer Funktion als Gesetzgeber dienen. Seit 2015 ist es auch ein sogenanntes Minderheitenrecht: Man braucht also keine Mehrheit im Nationalrat, um einen U-Ausschuss zu starten.
Verantwortungsvoller Umgang mit Untersuchungsausschüssen
Entscheidend ist aber, wie dieses Instrument gehandhabt wird – sowohl für den inhaltlichen Wert als auch für die Glaubwürdigkeit. Ein U-Ausschuss sollte niemals dazu missbraucht werden, eine Bühne für parteipolitische Schlammschlachten zu schaffen.
Leider deuten einige jüngste Entwicklungen darauf hin, dass das Enqueterecht in dieser Hinsicht missbraucht wird, insbesondere durch den von der ÖVP vorgeschlagenen Untersuchungsausschuss.
Pläne für kommende U-Ausschüsse
Schon seit geraumer Zeit wird hinter den Kulissen über die Einrichtung neuer Untersuchungsausschüsse diskutiert, insbesondere von SPÖ und FPÖ. Diese beabsichtigen, einen Untersuchungsausschuss zum Thema Kika/Leiner einzusetzen (der möglicherweise auch die COFAG miteinbezieht) – abhängig von einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs.
Dabei wäre die COFAG an sich schon ein Thema, das alleine schon einen U-Ausschuss hergeben würde. Immerhin wurde in der Corona-Pandemie relativ freihändig Steuergeld vergeben, mit einer GmbH wurde die parlamentarische Kontrolle erschwert. Aber auch die Abhängigkeit von Russland ist ein Thema, dessen sich das Parlament annehmen könnte.
Ziel dieses Ausschusses ist es, Interventionen bei Steuerverfahren im Allgemeinen zu untersuchen, was jedoch bei der Formulierung Herausforderungen bereiten könnte, wie in vorangegangenen Ausschüssen bereits festgestellt wurde.
Auch die ÖVP plant einen U-Ausschuss
Ziel der Türkisen ist ein sogenannter Transparenz-Untersuchungsausschuss mit dem Ziel, die Handlungen von Mitgliedern der Bundesregierung und deren Mitarbeiter:innen im Zusammenhang mit Inseratenschaltungen, Medienkooperationsvereinbarungen, Umfragen, Gutachten, Studien und der Beauftragung von Werbeagenturen von Januar 2007 bis Oktober 2023 zu untersuchen.
Auch die Tätigkeit von ausgegliederten Rechtsträgern, die politischen Parteien oder ihren Mitgliedern unterliegen, soll in die Untersuchung einbezogen werden. Das betrifft insbesondere SPÖ, FPÖ und die Grünen – aber nicht die NEOS, die während dieses Zeitraums nicht in der Regierung waren.
Bemerkenswert ist, dass die ÖVP in ihrem Verlangen Dokumente erwähnt, die sie eigentlich nicht haben dürfte – denn gemäß § 12 InfoV müssen Dokumente der Klassifizierungsstufe 1 nach einem U-Ausschuss vernichtet werden. Es scheint, als würde Material für eventuelle Angriffe aufbewahrt, obwohl dies möglicherweise nicht rechtmäßig ist. Dies wirft weitere Fragen hinsichtlich der Transparenz und der ordnungsgemäßen Verwendung von Untersuchungsausschüssen auf.
Symbolbild, produziert mit Midjourney AI
Die Erkenntnisse der letzten U-Ausschüsse gehören umgesetzt
Es steht längst fest: Österreich leidet weiterhin unter Inseratenkorruption, einer intransparenten Vergabe von Posten und Aufträgen sowie der Beeinflussung von Ermittlungs- oder Steuerverfahren. All das sind Symptome derselben Krankheit, die für eine Demokratie lebensgefährlich ist: Korruption.
Aber ob da noch ein, zwei oder drei U-Ausschüsse helfen, die zeigen, dass nicht nur ÖVP, sondern auch SPÖ, FPÖ und Grüne korrupt sind – wie es der ÖVP-U-Ausschuss zeigen sollte – ist fraglich. Stattdessen hier ein Auszug, was wir aus dem letzten U-Ausschuss gelernt, aber noch nicht umgesetzt haben:
- Ein Informationsfreiheitsgesetz, das die aktive Veröffentlichung von Informationen und ein subjektives Recht auf Information für alle vorsieht, würde geheime Deals erschweren.
- Umfassende Transparenz bei Fördergeldern könnte verhindern, dass der Staat Steuergeld freihändig vergibt.
- Höchstgrenzen für Inseratengelder könnten das Ausmaß der Inseratenkorruption eindämmen – mit klaren Regeln dafür, wann und wo inseriert werden kann, wird die Beeinflussung der Medien damit unmöglich.
- Aktive Rekrutierung und Personalentwicklung könnten dabei helfen, die Verwaltung zu entpolitisieren, etwa durch Maßnahmen zur Identifikation und Entwicklung von Führungskräften unabhängig vom Parteibuch.
- Unabhängige Strafverfolgung könnte durch eine neue Bundesstaatsanwaltschaft, beschleunigte Verfahren und mehr Ressourcen für Ermittlungsbehörden gesichert werden.
- Öffentlichkeit im U-Ausschuss könnte Strategien, mit denen nur Zeit geschunden wird, verhindern – und offenlegen, wenn sich ein Minister über 80-mal nicht erinnern kann.
Und der vielleicht größte Brocken: Die Bekämpfung der Postenkorruption. Dafür bräuchte es Auswahlverfahren nach europäischem Vorbild und ab einer gewissen Relevanz auch öffentliche Hearings, damit auch wirklich die beste Person den Job bekommt. Wir müssten daran arbeiten, die Begutachtungskommissionen, die für die Besetzung in der Verwaltung zuständig sind, unabhängig von den Parteien zu machen, etwa durch externe Expertise. Wenn man besser qualifiziert ist, aber durch Parteipolitik benachteiligt wird, sollte man klagen können – inklusive Unwirksamkeit rechtswidriger Besetzungen bei Leitungsfunktionen.
Um das Loophole der „interimistischen Besetzungen“ zu schließen – wenn der oder die Wunschkandidat:in einfach mal provisorisch den Job machen darf und dadurch Erfahrung sammeln kann –, müsste es zeitliche Beschränkungen dafür geben. Und die Besetzung von Posten sollte öffentlich begründet werden, sowohl anhand eines Budget-, als auch anhand eines Personalstandpunkts. Es braucht gesetzliche Vorgaben zur Kabinettszusammensetzung.