Wahlen auszählen: Ein kleines 1×1
Wenn Wahlen die Hochämter der Demokratie sind, dann ist das Auszählen der Stimmen dieser Wahlen das Fundament. Ohne nachvollziehbares, transparentes und sauberes Auszählen gibt es kein Ergebnis, gibt es eigentlich keine Wahl. Wie die SPÖ gerade schmerzlich erfahren muss, kann beim Auszählen von Wahlzetteln und der Erhebung des Endergebnisses viel falsch laufen – selten zum Gaudium der Beteiligten. Aus gegebenem Anlass schauen wir uns an, wie das Auszählen eigentlich funktionieren sollte.
Während Wahlen in aller Munde sind, ist der Ablauf des Auszählens nicht so bekannt. Vor allem auch, weil das Auszählen nicht medienöffentlich stattfindet. Das bedeutet nicht, dass es im Geheimen passiert, aber es gibt keine Bilder davon. Doch eigentlich ist der Ablauf nicht weiter schwierig.
Als Beispiel kann der Leitfaden zum Auszählen herangezogen werden, der vom Innenministerium für die letzte Bundespräsidentschaftswahl herausgegeben wurde. Was zu tun ist, nachdem die Wahllokale geschlossen wurden, passt da locker auf eine A4-Seite. Das Spannende daran: Ein technischer Fehler beim Übertragen von Daten in Excel-Dateien wird darin nicht vorgesehen – das ist, gerade wenn es um nur rund 600 Stimmzettel geht, absolut nicht notwendig. Entsprechend fassungslos war auch der langjährige Leiter der Wahlbehörde, Robert Stein, in einer Diskussionsrunde über das rote Auszähldebakel:
„Es ist nicht schwer, es gibt da Rituale. […] Und bis zum Ergebnis hat Elektronik da gar nichts verloren, sondern die Kommissionsmitglieder haben dann ein konsolidiertes Ergebnis.“
Wie man Stimmzettel zählt
Eine Wahlkommission hat nach dem Ende der Wahl gemeinsam die Urne zu öffnen, die Kuverts zu zählen, zu öffnen, ungültige Stimmen auszusortieren, die gültigen Stimmen zu zählen und jeweils auf entsprechende Stapel zu legen. Am besten 10er-Stapel, die dann leicht nachgezählt werden können. Wenn alle Stimmzettel gezählt wurden, werden die gemeinsamen Stimmen der Kandidat:innen sowie die ungültigen Stimmen zusammengezählt – das Ergebnis muss dann der vor dem Auszählen erhobenen Zahl von Stimmzetteln entsprechen.
Und das, ganz grob, ist der Ablauf – basierend auf dem schon erwähnten Leitfaden des Innenministeriums sowie auf der persönlichen Erfahrung des Autors, der bei zahlreichen Wahlen auf verschiedenen Ebenen ausgezählt hat. Was zentral bei all diesen Abläufen ist: das Protokoll und das gemeinsame Vorgehen der Kommission.
Das Protokoll, so verstaubt es auch klingen mag, ist das wichtigste Instrument beim Auszählen. Ohne ein Protokoll gibt es keine Transparenz und keine Verlässlichkeit. Im Wahlprotokoll wird alles vermerkt, während der Stimmabgabe und während des Auszählens. Der Zeitpunkt der Öffnung der Wahlurne wird vermerkt, genauso wie die Anzahl der Kuverts und die Anzahl der Stimmzettel – es gibt ja auch die Möglichkeit, dass Kuverts leer eingeworfen werden. Als Sicherheitsmaßnahme werden dann die Stimmzettel gezählt, ohne dass angeschaut wird, wie gestimmt wird, nur damit man eine absolute Zahl hat, mit der dann das Ergebnis des Auszählens verglichen werden kann. Natürlich wird auch diese im Protokoll vermerkt.
Auch die Anzahl der ungültigen Stimmen wird eingetragen und schlussendlich auch die Anzahl der Stimmen für die jeweiligen Kandidat:innen – wenn die Gesamtzahl der Stimmen mit der vorher festgestellten Summe an Stimmzetteln übereinstimmt und die Wahlkommissionsmitglieder alle zufrieden sind, ist das Auszählen vorbei, das Ergebnis kann verlautbart werden. Und damit sind wir beim zweiten wichtigen Aspekt: eben der Wahlkommission.
All die Handgriffe beim Auszählen und auch die Führung des Protokolls geschehen durch die Wahlkommission, nicht durch ein einzelnes Mitglied. Bei öffentlichen Wahlen stellen üblicherweise die einzelnen wahlwerbenden Parteien die Mitglieder der Kommission, bei parteiinternen Wahlen gibt es eine Kommission, auf deren Mitglieder sich die Partei zuvor geeinigt hat.
Die Idee ist, dass die Mitglieder gegenseitig aufpassen, dass alles passt, es wird nicht allein pro Mitglied auf einem Tisch ausgezählt, sondern gemeinsam an einem Tisch, oder in Gruppen an ein paar Tischen, ein paar hantieren mit den Stimmzetteln und den Kuverts, eine Person führt daneben offen das Protokoll, die anderen Mitglieder beobachten das. Jeder Stimmzettel wird laut vorgelesen und vor allen Mitgliedern auf den entsprechenden Stapel gelegt. Am Ende alle Mitglieder das Ergebnis absegnen – und mit ihrer Unterschrift unter dem Protokoll für den richtigen Ablauf bürgen.
Was alles bei der SPÖ-Auszählung schiefgegangen ist
Bei all dem, was bis jetzt über die Ungereimtheiten beim Auszählen der Stimmen des SPÖ-Parteitags bekannt ist, stechen wiederum genau die zwei zentralen Punkte heraus: Wie ist die Kommission vorgegangen, und was ist mit dem Protokoll passiert?
- Wie kann es sein, dass am Samstag die Kommission die Ergebnisse verlautbarte, ohne die Fehler zu sehen? Und zwar das Vertauschen der Namen, das Eintragen in eine Excel-Datei – wobei das auch schon nicht notwendig wäre – und der Fakt, dass die Zahl der Stimmen für die Kandidaten sowie die ungültigen Stimmen nicht mit der angegebenen Zahl an Gesamtstimmen zusammenpasst?
- Und was genau steht im Protokoll? Sind die fehlerhaften Zahlen auch so im Protokoll vermerkt? Wenn ja, und die Zahlen im Protokoll stimmen nicht bei einer Nachzählung mit den Stimmzetteln überein, muss im Protokoll erkennbar sein, was falsch lief, sonst kann die Wahl fast nicht als gültig anerkannt werden. Genau deshalb ist auch so wichtig, dass nach dem Auszählen sowohl das Protokoll als auch die Wahlmaterialien (Stimmzettel) versiegelt aufbewahrt werden.
Am Montag und am Dienstag versuchte die SPÖ dann bei Pressekonferenzen der Wahlkommissionsleiterinnen (zwei verschiedene, da die ursprüngliche dazwischen zurückgetreten war) die Vorgänge beim Auszählen aufzuklären. Doch was wann wie falsch gezählt oder übertragen wurde, wurde auch da nicht konkret erklärt, die Fragen bleiben unbeantwortet. Übrig bleibt die Frage, wie eine Auszählung so schiefgehen kann.