Wahlkampfmodus statt Reformen
Am 12. und 13. Juni tagt der Nationalrat unmittelbar nach der EU-Wahl und setzt damit ein erstes Zeichen für den bevorstehenden Nationalratswahlkampf. Die Tagesordnung enthält keine bahnbrechenden Reformen, sondern eine Vielzahl kleinerer Beschlüsse und Verbesserungen für spezifische Bevölkerungsgruppen. Der politische Zirkus scheint bereits fest im Wahlkampfmodus zu sein, was sich in der Natur der geplanten Gesetzesvorhaben widerspiegelt.
Die Plenarsitzung beginnt mit einer aktuellen Stunde der FPÖ zum Thema: „Sicherheit statt importierter Gewalt – für eine sofortige Senkung der Strafmündigkeit und ein Ende multikultureller Konflikte in Österreich.“
Sonderwochengeld und Agrardieselvergütung
Ein zentrales Thema der Plenarsitzung ist die Einführung eines Sonderwochengelds für Mütter, die sich in Karenz befinden, aber kein Kinderbetreuungsgeld mehr beziehen und ein weiteres Kind erwarten. Diese Regelung soll rückwirkend ab dem 1. September 2022 gelten und eine Gleichstellung mit anderen Arbeitnehmer:innen sicherstellen. Ebenso auf der Agenda steht die Verlängerung der Agrardieselvergütung. Die zwischen Mai 2022 und Juni 2023 gewährte Vergütung soll bis Ende 2025 rückwirkend verlängert werden. Ziel ist es, die Landwirt:innen angesichts steigender Energiepreise zu entlasten. Die Subventionen für Agrardiesel werden 2024 bei 20,5 Cent je Liter und 2025 bei 23,5 Cent je Liter liegen. Allerdings lehnen NEOS die Novelle des Mineralölsteuergesetzes ab, da sie ein Steuergeschenk an eine bestimmte Wähler:innenklientel darstellt und eine weitere klimaschädliche Förderung ist. Es muss Schluss mit den Wahlkampfzuckerln auf Kosten der nächsten Generation sein.
Neue Regelungen für Bundesheer und Ukrainer:innen
Auch das Bundesheer wird thematisiert: Ein „Papamonat“ für Grundwehrdiener und Zeitsoldaten sowie Maßnahmen zur Attraktivierung der Miliz sind geplant. Für vertriebene Ukrainer:innen, die innerhalb der letzten 24 Monate mindestens zwölf Monate in Österreich gearbeitet haben, soll ab Oktober ein Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte plus ermöglicht werden, was eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive bietet. Zudem sollen ukrainische Jugendliche in die österreichische Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr einbezogen werden.
Förderung von Wasserstoffprojekten und Datenschutz
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Förderung von Wasserstoffprojekten. Der Bund plant, in den nächsten vier Jahren bis zu 820 Millionen Euro bereitzustellen, davon 400 Millionen Euro im Jahr 2024. Zudem steht ein neues Bundesgesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle marktbeherrschender Energieversorger zur Abstimmung. NEOS unterstützen dieses Gesetz, da es den Wettbewerb fördert und die Abzocke der Bürger:innen durch die Energiegesellschaften der Landesfürsten beendet. Das Gesetz gilt jedoch nur bis 2027 (Sunset-Klausel), weshalb NEOS die Streichung dieser Klausel fordern werden.
Seit Beginn der Turbulenzen auf den europäischen Energiemärkten waren österreichische Haushalte und Unternehmen von gestiegenen Endkund:innenpreisen besonders stark betroffen. Dieser Befund ist auch im Frühsommer 2024 aktueller denn je:
- Österreich hat immer noch die höchste Inflationsrate bei Gas in der gesamten EU. Gas war laut offiziellen Verbraucherpreisen in Österreich im April 2024 um 165,4 Prozent teurer als im Jänner 2021, während der Preisauftrieb in der Eurozone im selben Zeitraum nur bei 56,7 Prozent lag.
- Laut Eurostat zahlten österreichische Haushalte für Gas zuletzt 3,5 Cent mehr pro Kilowattstunde als im EU-Vergleich, was einen durchschnittlichen Haushalt um 525 Euro pro Jahr belastet.
- Auch der Preis für elektrischen Strom ohne Steuern und Abgaben ist für österreichische Haushalte mehr als 7,6 Cent pro Kilowattstunde höher als der Vergleichswert auf europäischer Ebene.
Zuletzt werden NEOS ein Antragspaket zu Energie einbringen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts und die Kaufkraft österreichischer Endkund:innen zu erhöhen. Eine umfassende Strukturreform im österreichischen Energiemarkt ist notwendig, um den politischen Einfluss auf die Landesenergieversorger zu beenden und für mehr Wettbewerb und niedrigere Preise zu sorgen. Auch in Sachen Datenschutz stehen Neuregelungen an, insbesondere das Medienprivileg im Datenschutzgesetz muss aufgrund eines VfGH-Urteils neu geregelt werden.
Weitere Themen und Trauerminute für Ex-Bundeskanzlerin Bierlein
Weitere Gesetzesvorhaben betreffen die Förderung von Gewaltambulanzen, die Einrichtung einer nationalen Behörde zur Cybersicherheitszertifizierung und die Steigerung der Energieeffizienz bei der Nutzung von Mobilfunkfrequenzen. Eine Trauerminute für die kürzlich verstorbene Ex-Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein wird die Sitzung am Mittwoch einleiten. Außerdem beschließt der Ministerrat am Mittwoch laut Medienberichten den Termin für die Nationalratswahl. Der auf den 29. September 2024 festgesetzte Termin muss dann noch vom Hauptausschuss des Nationalrats angenommen werden.
Fazit: Wahlkampfmodus und kleine Reformen
Die Plenarsitzung zeigt deutlich, dass der Nationalrat bereits im Wahlkampfmodus ist und die Regierung beginnt, Wahlzuckerl zu verteilen. Große, umfassende Reformen bleiben aus, stattdessen stehen viele kleinere Beschlüsse im Fokus, die spezifische Wähler:innengruppen ansprechen sollen. Die kommenden Monate bis zur Nationalratswahl versprechen eine intensive politische Auseinandersetzung, in der die Parteien versuchen werden, sich mit ihren jeweiligen Themen zu profilieren.