Wahlzuckerl seit 2008 kosteten 31 Milliarden Euro
Schon Anfang des Jahres haben wir in der Materie gewarnt: „Achtung Wahlkampf: Ein Jahr des teuren Populismus“. Denn wenn in Österreich gewählt wird, sitzt das Budget locker – und das, obwohl die Republik Jahr für Jahr neue Schulden aufnimmt.
Diese These wird auch vom Fiskalrat bestätigt. Der Fiskalrat ist ein unabhängiges Gremium, das die finanzielle Disziplin der Republik überprüft und kritisch überwacht. Damit hat er auch viel zu tun, denn ob Pensionen, Staatsschulden oder Doppel- und Dreifachstrukturen: Baustellen in der Bundespolitik gibt es genug.
So viel kosten uns die Wahlgeschenke
Der Fiskalrat hat ausgerechnet, wie groß das Loch im Budget ist, das durch die Wahlzuckerl seit 2008 entstanden ist. Seitdem gab es vier Nationalratswahlen: 2008, 2013, 2017 und 2019. Und die Summe ist beachtlich: Allein durch die kleinen Geschenke, die Wahljahr für Wahljahr gemacht werden, sind der Republik bisher 31 Milliarden Euro entgangen. Geld, das für wichtige Bereiche wie Bildung, Gesundheit oder Sicherheit fehlt.
Bei ihrer Untersuchung stoßen die Expertinnen und Experten des Fiskalrats auch auf interessante Unterschiede zwischen den Wahljahren:
- 2008 war das einzige Jahr, in dem auch Maßnahmen beschlossen wurden, die temporär wirken, also kein langfristiges Loch ins Budget reißen.
- 2013 wiederum war das einzige Jahr, in dem auch Gesetze beschlossen wurden, die bereits im Wahljahr selbst wirksam werden. Der Rest der Vorhaben war immer auf die Zukunft bezogen.
- 2024 schlagen die Wahlzuckerl seit 2008 schon mit 4,1 Milliarden Euro zu Buche – nur in diesem einen Jahr. Kurzfristig getroffene Maßnahmen haben also langfristige Effekte.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Fast alle Wahlzuckerl sind permanent wirkende Maßnahmen, die ein langfristiges Loch in den Staatshaushalt reißen. Und das, obwohl sie budgetär nur schwache Wirkung zeigen, wie der Fiskalrat betont. Obwohl diese Geschenke also für Bürgerinnen und Bürger kaum spürbar sind, kosten sie jedes Jahr Milliarden, wie etwa ein Blick auf die Beschlüsse von 2019 zeigt.
Großteil der Wahlzuckerl fließt in Pensionen
Wenig überraschend geht ein großer Teil dieser Mehrkosten auf die Pensionen zurück. Diese machen, Stand 2024, rund ein Viertel des Bundesbudgets aus. Was wohl auch durch die Wahlzuckerl seit 2008 erklärt werden kann: Laut Fiskalrat entsteht ein Drittel der Kosten dieser Maßnahmen durch die Pensionen. Im Interview mit dem Standard sagt der Fiskalratschef dazu:
Wir haben ein strukturelles Problem. Das Pensionssystem wäre, weil sich die Lebenserwartung ständig erhöht, ein denkbarer und vom Gerechtigkeitsgesichtspunkt her passender Zugang, die Ausgabendynamik langfristig ein bisschen zu bremsen. Aber: Die Lebenserwartung hängt sehr von sozialer Situation, Beruf, Bildung ab, wir können das Pensionsalter daher nicht einfach generell hinaufschrauben. Das gehört sozial ausdifferenziert gelöst. Da sollen sich doch jetzt bitte die Sozialpartner zusammensetzen, denn die kennen sich bei alldem bestens aus. Sie sollen eine sozial adäquate, schrittweise Erhöhung des Pensionsantrittsalters so vorbereiten, dass das eine vernünftige Regierung in einer fünfjährigen Legislaturperiode umsetzen kann. Die Wirksamkeit setzt dann sowieso später ein.
– Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats
Maßnahmen im Pensionssystem wirken wirklich nur langfristig: Die Anpassung des Pensionsantrittsalters zwischen den Geschlechtern wurde etwa 2023 vollzogen, aber schon 1992 beschlossen. Maßnahmen, die unter der Regierung von Wolfgang Schüssel Anfang des Jahrtausends beschlossen wurden, zeigen erst heute Wirkung. Und auch heute würde es kleine Hebel geben, die große Wirkung entfalten könnten: Anreize zum längeren Arbeiten etwa, oder das schwedische Pensionsmodell. In einem Korridor zwischen 62 und 69 Jahren könne man in Pension gehen – wer früher geht, kriegt weniger, wer länger bleibt, bekommt mehr.
Schluss mit Wahlzuckerln? Eher unwahrscheinlich.
Dass es Wahlzuckerl gibt, war bisher schon offensichtlich. Neu ist aber ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis: 4,1 Milliarden Euro für Maßnahmen, die laut Fiskalrat wenig bis gar keinen spürbaren Effekt haben, ist ein schlechter Deal – ganz unabhängig von polit-moralischen Fragen, die sich dazu auftun.
In diesem Jahr sollte die Bundespolitik also ihrer Verantwortung nachkommen und darauf verzichten, teure Geschenke mit wenig Nutzen zu beschließen. Das hält auch Fiskalratschef Badelt fest. Auf seine entsprechende Forderung antwortet der Standard-Journalist: „Sie träumen von warmen Eislutschern?“. Badelts Antwort: Wahrscheinlich.